Onkel Schopenhauer
Mit unserem Buch "Arthur will helfen" stellen wir ein Kinderbuch vor, dass nicht nur unterhaltsam oder niedlich ist, sondern auch zum Nachdenken und Philosophieren einlädt. Philosophieren heißt dabei nicht, fraglos eine vorgegebene Position zu übernehmen. Philosophieren heißt vielmehr, Fragen zu stellen und kritisch zu sein. Unser Buch gibt dazu für kleine und große Leser einen Anstoß.
Auf den ersten Blick folgt unser Buch einem Leitgedanken, der eingängig und zustimmungswürdig erscheint: "Verletzte niemanden, vielmehr hilf allen, soweit du kannst". Niemanden verletzen ist gut und helfen ist auch gut. Was soll man schon dagegen sagen? Nichts? Schön, dann hat der Schopenhauer also recht gehabt. Wirklich?
Bei genauerem Nachdenken ist es gar nicht so einfach, diesem Leitspruch zu folgen und im eigenen Handeln gerecht zu werden. Erstens ist es ganz schön anstrengend, niemanden zu verletzen und allen zu helfen und zweitens sagt einem ja niemand, wo das Helfen-Können aufhört.
"Soweit Du kannst" - das wird für jeden etwas anderes bedeuten. Wo liegt denn die Grenze des Helfen-Könnens und wer darf das bestimmen? Und ist es nicht auch ein wenig von der eigenen Tagesform abhängig, wie viel Lust ich gerade zum Helfen habe? Unser Seeigel reimt dazu ganz flott:
"Wie weit ist denn nun soweit?
Wie weit bist Du hilfsbereit?
Ist Dein "soweit" in fester Ort?
Oder liegt's mal hier mal dort?
Schopenhauers Leitspruch gibt dazu keine Antwort. Er überlässt es uns, das "soweit Du kannst" nach eigener Gefühlslage und eigenem Ermessen zu bestimmen.
Aber das muss nicht zwingend eine Schwäche des Gedankens sein. Wo Fragen offen bleiben, öffnet sich der Raum für das gemeinsame Gespräch. Ist es nicht gerade dieses "soweit Du kannst", welches den Spruch so lebensnah erscheinen lässt?
Immer nur helfen und die eigenen Sorgen, Ängste, Bedürfnisse darüber vollständig zurückstellen, welches engelsgleiche Wesen kann das schon? Aber helfen soweit Du kannst - das kann doch eigentlich jeder. Was das für den Einzelnen bedeuted oder für eine Gemeinschaft, das ist aber nicht vordefiniert, sondern muss erst bestimmt werden. In einer demokratisch verfassten Gemeinschaft am besten im gemeinsamen Diskurs.
So kann man Schopenhauers ethischem Leitgedanken doch einiges abgewinnen, was uns an aktuellen Problemlagen in der Welt umtreibt. Aber auch hier ist Vorsicht geboten! Befasst man sich mit Schopenhauers Position, so wird man einem düsteren Schwarzmaler begegnen, der keinen allzu freudvollen Blick auf die Welt hatte. Und so dürfen dann die erwachsenen Leser ihre Gedanken noch einmal eine runde kreisen lassen. Welchen Aspekten aus Schopenhauers Philosophie kann ich zustimmen, wo möchte ich widersprechen?
Schopenhauers Gedankengebäude ist wahrlich kein flauschiger Ort. Gerade das macht ihn so herrlich unpassend für ein Kinderbuch und so wunderbar geeignet für "Philosophie in Geschichten".