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Ein Dokumentarfilm über Geschlechtergerechtigkeit und Prostitution in Deutschland, wie es bisher keinen gegeben hat.

AUFBRUCH wird ein Dokumentarfilm, der an die Wurzeln geht: Ronja (Studentin und Ex-Prostituierte) erzählt ihre Geschichte. Zuschauer:innen begleiten sie durch ihre Kindheit und Jugend bis ins Erwachsenenalter. International renommierte Expert:innen berichten über die Auswirkungen des Systems Prostitution. Welche Visionen haben wir für mehr Gerechtigkeit und einen liebevolleren Umgang miteinander? Musikalisch untermauert wird das Thema im Film mit einem Song der Liedermacherin Sarah Lesch.
Datenschutzhinweis
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Finanzierungszeitraum
31.01.22 - 13.03.22
Realisierungszeitraum
Anfang 2020 bis Mai 2022
Website & Social Media
Mindestbetrag (Startlevel): 5.000 €

Die Summe des Startlevels ist für den Feinschnitt und visuelle Optimierungen gedacht. (Zusammenarbeit von Cutter, Regie, Illustration)

Stadt
Wiesbaden
Kategorie
Film / Video
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Gefördert von
01.02.2022

Trauma - Resilienz - Therapie

Kristine Tauch
Kristine Tauch7 min Lesezeit

Hallo, heute schreibe ich den ersten Blogbeitrag. Weitere werden folgen, denn wir haben so viel zu berichten... Im Laufe der Recherchen durfte ich Anke Precht kennenlernen und das folgende Interview mit ihr führen:

Liebe Frau Precht,
Sie sind als Psychologin und Autorin mit verschiedensten Angeboten breit aufgestellt: Resilienztraining, Führungskräfte-Coaching, Traumatherapie… Zudem betreiben Sie einen Blog, auf dem Sie vor einigen Jahren auch über Prostitution geschrieben haben.

Wie sind Sie zum Thema Prostitution gekommen?
Recht unerwartet. Ich hatte im Lauf der Jahre mehrere Klientinnen, die sich früher einmal prostituiert hatten. Eine davon aus eigenem Antrieb, weil sie Schulden hatte und dachte, sich zu prostituieren sei eine gute Möglichkeit, schnell zu Geld zu kommen. Zwei weitere aus Liebe, um ihrem Freund einen Gefallen zu tun, ihrem Zuhälter. Erst viel später hatten sie verstanden, dass das keine Liebe war. Eine, die unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden und in die Prostitution verkauft worden war. Alle diese Frauen litten unter komplexen Traumafolgestörungen, wie ich sie bisher nur aus Beschreibungen von Kriegsopfern kannte, und aus der Behandlung von Menschen, die schwere Misshandlungen in der Kindheit überlebt hatten. Außerdem hatte ich mit Menschen zu tun, die als Medizinerin bzw. Krankenschwester Prostituierte zusammengeflickt hatten und mit den Grausamkeiten, die sie gesehen hatten, nicht zurechtkamen, weil sie mehr und mehr verstanden, wie häufig diese waren. Keine Ausnahmen, sondern die Regel.

Was halten Sie vom Nordischen Modell, das Ausstiegshilfen für Menschen aus der Prostitution, ein Verbot von Sexkauf sowie Aufklärung der Bevölkerung und Bildungsmaßnahmen beinhaltet?
Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen als Therapeutin, der Erzählungen der ehemaligen Prostituierten, die ja viele andere Schicksale kannten, und aus dem, was erfahrene Ermittler in diesem Bereich berichten, ist es höchste Zeit für das Nordische Modell, auch bei uns. Prostitution und Gewalt sind untrennbar verbunden. Physische Gewalt, die die Frauen häufig für das ganze Leben zeichnen, verbale Gewalt durch wüste Beschimpfungen und Demütigungen, ein zerstörtes Selbstbild, Scham, die Folgen von Drogenkonsum, sekundäre Traumata… das alles nehmen wir in Kauf, wenn wir Prostitution erlauben oder gar behaupten, das sei ja ein ganz normaler Job. Da es nur dann einen Markt für die Ware Frau gibt, wenn auch eine Nachfrage besteht, muss diese reguliert werden.

Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft und der Politik in Deutschland in Bezug auf das System Prostitution?
Es braucht ehrliche und schonungslose Aufklärung über das, was Prostitution wirklich bedeutet, für die Frauen, die hineingeraten sind. Wir müssen wissen: Keine Frau macht das „freiwillig“ oder sogar „gern“. Prostitution ist kein Traumjob. Frauen entscheiden sich aus Not dafür, so sie sich überhaupt dafür entscheiden, und geraten dann extrem schnell in eine Abwärtsspirale, aus der sie sich kaum mehr befreien können. Aber die meisten Frauen sind nicht freiwillig in der Prostitution. Sie wurden hinein verkauft und von mafiösen Netzwerken bis nach Deutschland gebracht, wo sie nun für andere arbeiten. Diese Organisationen haben derzeit kaum etwas zu befürchten, sie zu ermitteln und strafrechtlich zu verfolgen, ist extrem aufwändig. Es braucht also auch mehr Mittel, um diese Netzwerke aufzudecken. Das geht aber nur, wenn klar ist: Frauenkauf ist in Deutschland verboten, genauso wie Sex mit Kindern.

Können Sie aus Ihrer Therapiepraxis und Erfahrung sagen, was den größten Leidensdruck für Menschen aus/in der Prostitution verursacht?
Eine komplexe Traumafolgestörung verursacht nicht den einen Leidensdruck. Sie müssen sich diese Frauen so vorstellen, dass sie wirklich zerstört aus der Prostitution kommen. Ihr Selbstbild liegt am Boden, sie trauen sich kaum etwas zu. Sie haben Erfahrungen gemacht, über die sie selbst in einer Therapie nicht sprechen wollen, weil sie nicht sicher sind, ob die Therapeutin das überhaupt aushält. Sie tun sich extrem schwer, Vertrauen aufzubauen, auch minimales, sie haben sich riskante Verhaltensweisen zugelegt, um die Prostitution zu überleben, viele nehmen Drogen oder trinken, sie leiden unter Schlafstörungen oder Panikattacken, und wenn sie Kinder haben, kommt es in der Erziehung zu Aggressionen oder Überbehütung, oder zu einer Mischung aus beidem. Dass das für die Kinder nicht gut ist, ist ihnen bewusst, das führt zu Schuldgefühlen oder Scham und weiterer Selbstabwertung. Frauen in Beziehungen ekeln sich häufig beim Sex, sie schaffen es nicht, das Bild des Partners von den Bildern der Freier zu trennen. Und nicht wenige Betroffene geraten wieder an Männer, die gewalttätig und abwertend sind. Einige haben Selbstmordgedanken. Ich denke, zusammengefasst kann man sagen: Den höchsten Leidensdruck erzeugt bei diesen Frauen das Bewusstsein, nie wieder ein normaler Teil der Gesellschaft zu werden. Sie sind durch ihre Vergangenheit stigmatisiert, verwundet und angeekelt und wissen: Diese Vergangenheit können sie nicht einfach so mit anderen Menschen teilen. Viele dieser Frauen müssen außerdem umziehen und in einer anderen Stadt noch einmal ganz neu anfangen, weil sie wissen: wenn ich mich hier auf einen Job bewerbe, war der Chef vielleicht ein Freier. Das geht nicht. Ich habe es zweimal erlebt, dass ich in einer Therapie erst nach einiger Zeit von dieser Vergangenheit erfahren habe. Die Frauen kamen mit gravierenden Störungen, aber sie haben mich erst einmal anderweitig auf Belastbarkeit getestet, bevor sie ihre Erfahrungen in der Prostitution thematisiert haben.

Wie können Sie Menschen mit Traumata therapeutisch helfen?
Während Traumata, die durch einmalige Erlebnisse, zum Beispiel eine Vergewaltigung oder ein schwerer Unfall, inzwischen recht gut kurzzeittherapeutisch behandelbar sind, braucht es für die Therapie von komplexen Traumafolgestörungen Zeit und Geduld und die Bereitschaft, auch mit Rückschlägen zurechtzukommen. Die Persönlichkeit ist in Mitleidenschaft gezogen, und bevor man die eigentlichen traumatischen Erfahrungen therapeutisch bearbeiten kann, braucht es im alltäglichen Leben eine gewisse Stabilität: Beziehungen, auf die man sich verlassen kann, die Fähigkeit, gut für sich zu sorgen, genug zu schlafen, einigermaßen gesund zu essen, Abstand von den alten Kontakten, die noch mit der Prostitution verbunden sind, die Fähigkeit, einen normalen Alltag zu organisieren, und natürlich ein Einkommen, von dem es sich zumindest einigermaßen leben lässt. Dann lassen sich die quälenden Erinnerungen nach und nach verarbeiten, so dass sie im aktuellen Leben immer weniger eine Rolle spielen. Man darf nicht vergessen: Diese Frauen haben häufig über viele Jahre kaum etwas anderes erlebt als Erniedrigung, sich verstellen, sich verkaufen, sich innerlich abschalten, um nichts zu spüren. Das wischt man nicht einfach so weg und geht zum Alltag über, den diese Frauen noch nie erlebt haben. Die Therapie dieser Frauen braucht Zeit und Ausdauer. Es ist ein langer Heilungsprozess.

Was bedeutet Resilienz im Zusammenhang mit Traumata?
Traumata können Menschen für immer belasten. Aber Menschen können auch an Traumata wachsen. In diesem Fall spricht man dann von posttraumatischem Wachstum. Menschen sind nach einem Trauma stärker als vorher. Resilienz als psychische Widerstandskraft bildet sich häufig an schweren Erfahrungen aus. Ein Leben in der Prostitution ist dafür aber meistens nicht so gut geeignet, weil die Erfahrungen zu schlimm sind und sich über Jahre wiederholen. Es ist also ein langer Weg bis in ein Leben, das wahrhaftige Stärke und Freiheit spüren lässt. Dabei hilft Therapie, Schreiben, manchmal auch der Einsatz für andere, die noch in der Prostitution sind. Was ich andererseits noch nicht erlebt habe, sind Frauen, die bereits als junge Frauen so resilient sind, dass sie die Prostitution unbeschadet auf die Dauer überstehen.

Haben Sie abschließend für unsere Leser:innen einen Tipp, wie man, vielleicht mit einer kleinen Übung, die eigene Resilienz im Alltag selbst stärken kann?
Resilienz besteht aus verschiedenen Puzzlesteinen. Einer davon ist eine gute Wahrnehmung, im Innen und im Außen – also die Fähigkeit, mitzubekommen, was gerade los ist. Wie riecht es hier, wie geht mein Atem, wie fühlt sich mein Körper an? Das hilft dabei, besser zu spüren, was gerade zu tun ist, was passt und was nicht, was mir gut tut und was nicht. Im Alltag lässt sich das gut trainieren, am besten mit einem Handywecker, der einmal in der Stunde erinnert kurz innezuhalten. Dann heißt es beobachten, was gerade los ist. Wie fühlt sich das Spülwasser an den Händen an, wie riecht es hier, welche Geräusche höre ich? Wie ist mein Herzschlag, ist mir warm oder kalt, und wie stehe ich auf dem Boden?
Je häufiger man sich dafür ein bisschen Zeit nimmt, umso besser kann man für sich selbst sorgen, aber auch für andere. Denn von denen bekommt man auch mehr mit.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
Kristine Tauch

Anke Prechts Buch kannst du hier im Crowdfunding bestellen! Du bekommst es signiert, plus eine Einladung zur Onlinepremiere unseres Films!

Impressum
Youth Power Germany e. V.
Kristine Tauch
Mittelstraße 39
56348 Dahlheim Deutschland

Ich handle stellvertretend und im Auftrag für den gemeinnützigen Verein Youth Power e.V., der unsere Projektgelder verwaltet.
Youth Power Germany e.V.
Frankfurter Allee 174
10365 Berlin

11.02.22 - Der FILM TRAILER ist da!...

Der FILM TRAILER ist da!
https://www.youtube.com/watch?v=Kx24s7j5zps

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