Crowdfunding für Festivals - Retten, Ermöglichen, Vergrößern
Startnext ist schon immer Anlaufstelle für kleinere Festivals, die ihre Finanzierung über Crowdfunding sichern wollen. In diesem Beitrag geht es darum, warum sie das tun und welche Erfolge sie dabei feiern. Außerdem geb ich euch ein paar Gedanken zur Kommunikation eines Crowdfundings mit.
Auf Festivals feiern Menschen die Gemeinschaft, nehmen sich Zeit füreinander und genießen das Leben. Wenn ich an Festivals denke, dann habe ich Kunstinstallationen, neue Musik, Performances, Arthaus-Filme, selbstgebaute Dörfer, viel Schlamm, Zeltlager und vor allem Spaß vor Augen. Auf Festivals wird kultureller Zusammenhalt gelebt. Für viele, insbesondere Jugendliche, sind Festivals das oder die Highlights des Jahres.
Corona hat die Branche stark beeinflusst. Ebenso sind Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Awareness-Programme zu riesigen Themen geworden. Das Ganze kostet viel Geld und davon haben die meisten Menschen immer weniger. Insbesondere zugewanderte Menschen finden wir auf Festivals kaum vertreten. Die Branche ist sich dessen bewusst, wie ich zuletzt auf dem Reeperbahn-Festival hören durfte.
Mir fallen auf einen Schlag 3-4 Festivals ein, die ich gerne auf Startnext gesehen habe und die in mir im Moment des Kontaktes eine Art Sommerwärme und Vorfreude geweckt haben. Eine Romantik, die ich mit Festivals verbinde und die ich mir auch in diesem Jahr auf dem MS Dockville in Hamburg selbst erfüllt habe. In Festivals steckt Lebensfreude - äußerst wichtig in Zeiten wie diesen. Auerworld Festival, Golden Leaves Festival, Appletree Garden Festival oder PxP Festival sind Festivals, die zusammen mit ihrer Crowd eine transparente Entwicklung gemacht haben.
Fakten
Etwa 560 Projekte mit Festival-Kontext haben sich bisher auf Startnext mit fast 6 Millionen Euro erfolgreich finanzieren können. Etwa 100.000 Unterstützer:innen haben durch Spenden und den Kauf von Tickets, Merch und Original-Kunst die Festivals gefördert. Die Erfolgsquote liegt bei etwa 67%. Das bedeutet gleichermaßen auch, dass Finanzierungsvorhaben scheitern - scheitern ohne finanziellen Schaden. Das schützt Projektinitiator:innen vor Fehlannahmen und ist deshalb äußerst hilfreich.
Vorfinanzieren
Kerngedanke beim Crowdfunding ist es, eine Finanzierung vorab zu sichern, indem man die Crowd zum frühzeitigen Zahlen von Tickets oder anderem motiviert. Der Finanzierungsbedarf lässt sich meist genau beziffern und setzt sich zum Beispiel aus Vorreservierungskosten, Personalkosten, Miete und Materialkosten zusammen.
Es muss nicht ein ganzes Festival über die Crowd finanziert werden. Es ist schon sinnvoll, dass alle Kosten, die entstehen, damit ein Festival überhaupt organisiert werden kann, gesichert sind. Selbst für das Stellen von Förderanträgen braucht es Geld für Personal. Dieses Geld kann gecrowdfunded werden. Auch das Anwerben von Freiwilligen und sämtliche andere Orga kostet Geld im Vorfeld. Für all dies kann die Crowd mit ins Risiko genommen werden, denn es gibt ihn, den harten Kern, die Superfans eines Festivals; die, die immer kommen wollen, aber nicht mitorganisieren können. Diese Menschen sind bereit, sehr früh mit ins Risiko zu gehen und auch unabhängig von einem Line-up zu buchen. Dieses Geld kann frühzeitig helfen.
Die Vorfinanzierung wird also beziffert und bekommt eine Deadline. Denn es ist so, dass ein Festival eben nur stattfinden kann, wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dieses Geld liquide vorliegt.
Geld aus Crowdfunding wird als Eigenmittel gewertet. Das heißt auch für Kredite und Förderungen ist dieses Geld eine sinnvolle Absicherung.
Crowdfunding Varianten
Startnext bietet inzwischen nicht mehr nur die Variante „Alles-oder-nichts“ an, welche bedeutet, dass das Geld nur ausgezahlt wird, wenn der Mindestbetrag von z.B. 30.000€ erreicht worden ist. In flexiblen Kampagnen ist es auch möglich das Geld „mitzunehmen“ selbst wenn das Ziel nicht erreicht wurde. Eine flexible Kampagne erzeugt zwar nicht den gleichen Zugzwang wie eine Kampagne mit Mindestbetrag, aber es bleibt dennoch ein transparenter Vorgang, der der Crowd gegenüber Fairness und Nähe suggeriert. Crowdfunding ist auch eine Mitmach-Option.
Es gibt inzwischen auch die Option die beiden Varianten ohne Angabe von Finanzierungsstatistiken zu nutzen. In dem Fall wird der „Kontostand“ nicht angezeigt und die Crowd sieht lediglich einen Fundingbalken, der zeigt, wie weit man noch vom Ziel entfernt ist. Wir unterscheiden außerdem in gemeinnützige und nicht gemeinnützige Kampagnen. Das wird optisch (“rosa = gemeinnützig”) dargestellt und kann das Spendenverhalten beeinflussen. Außerdem bieten wir hin und wieder Rabatte bei den Zahlungskonditionen an, Cofunding für besondere Anlässe, wie z.B. bei den Corona-Hilfsaktionen 2020, wo Startnext über 500.000€ an die Branche gespendet hat.
Risiko minimieren
Je früher die Finanzen für ein Festival gesichert sind, desto besser. Ein Crowdfunding kann sogar schon gemacht werden, wenn der Festival-Verein oder die GmbH noch nicht einmal gegründet ist. Das Geld wird bis zu Auszahlung durch unseren Transaktionspartner Stripe verwahrt. Dadurch kann ein Festivalgedanke schon angetestet werden ohne dass überhaupt Strukturen dafür manifestiert sind. Ist das Funding erfolgreich, lassen sich die weiteren Schritte bequem mit Geld organisieren.
Risiken entstehen aber auch während der Umsetzung eines Festivals. Ungeplante Kosten durch einen Sturm, der alles niedermacht, durch allgemeinen Kostenanstieg, durch Ausfälle von Geldquellen … es gibt viele Möglichkeiten, wo Kostenfallen entstehen. Crowdfunding kann immer eine Lösung für ein Finanzproblem sein, wenn dies offen an die Crowd kommuniziert wird. Selbstausbeutung kann durch Crowdfunding vermieden werden. Eine gut angedockte Crowd und transparente Kommunikation erlauben es, Hilfe erwarten zu können.
Auszahlung und Kosten
Die Auszahlung erfolgt standardmäßig etwa 14 Tage nach Ende der Finanzierungskampagne. Es fallen die üblichen Transaktionskosten des Zahlungsanbieters Stripe an, derzeit 4%. Außerdem wird der freiwillige Beitrag des Projektstarters abgebucht, der bei etwa 3-6% der Fundingsumme liegt.
Wie schnell man also an das Geld kommt, liegt an der Kampagnenlaufzeit. Es wäre völlig legitim, mehrere Kampagnen nacheinander zu schalten, wenn es notwendig ist, Zwischenzahlungen zu erhalten. In Sonderfällen lassen sich aber auch Zahlungsziele gemeinsam mit Startnext planen. Das Projekt wird vor Auszahlung legitimiert, dabei kann eine Organisation des Festivals oder auch Einzelpersonen als Empfänger:innen autorisiert werden.
Auszahlungsbetrag mindestens 95%. Es ist völlig normal, dass es sogenannte Chargebacks gibt, also dass Lastschriften oder Kreditkartenzahlungen platzen. Startnext bietet immer die Option zum Ausgleich durch die Supporter und unterstützt sie dabei. Die Ausfallquote ist daher sehr gering und kann vernachlässigt werden.
Was Einzahlungen z.B. von Sponsoringpartnern betrifft, so sind diese limitiert, weil bei Summen über 10.000€ erweiterte Geldwäscheprüfungen stattfinden müssen.
Crowdbuilding
Bisher ging es in diesem Artikel nur um Geld. Das ist auch richtig, denn als Schmiermittel sichert uns Geld die soziale Plattform der Festivals, ohne geht es nicht. Crowdfunding kombiniert Geld und Crowdpower. Schauen wir uns also jetzt an, was die Crowdpower für ein Festival bedeuten kann.
Das Auerworld Festival hat vier Kampagnen bei Startnext gemacht und dabei fast immer 1.000 Unterstützer:innen aktiviert, die insgesamt ca. 210.000 € eingespielt haben. Das ist signifikant und zeigt, wie stark die Crowd hinter dem Auerworld ist. Mit diesen Zahlen kann das Festival erhobenen Hauptes in Verhandlungen mit öffentlichen Trägern gehen. Die Relevanz ist nachweisbar.
Grundsätzlich stellt sich heute die Frage, wie echtes Community Building außerhalb vom Festivalgelände oder im Vorfeld realisiert werden kann. Und ist es überhaupt nötig?
Ein Festival kann noch so gut vorbereitet werden, am Ende ist es die Crowd auf dem Festival, die ihm Leben einhaucht. Es ist nicht nur für die Betreiber:innen befriedigend zu sehen, dass es allen gut geht und dass auch wieder mal der Regen dem Spaß nichts anhaben kann.
Ich beobachte, dass Festivals heute extrem kreative und einladende Internetauftritte haben. Außerdem ist derzeit Instagram das Mittel der Selbstdarstellung und Ankündigungen der Wahl. TikTok wird sich bei der Liveberichterstattung weiter etablieren können. Einen Ort für Engagement haben die meisten Festival jedoch noch nicht gefunden. Dabei sehe ich Festival überhaupt nicht als in sich geschlossene Systeme. Festivals leben vom Mitmachen.
Call-to-Action
Startnext ist eine Mitmachplattform. Die Interaktion zwischen den Nutzer:innen ist jederzeit möglich. Der Call to Action ist nicht: "Besuche unser Festival im nächsten Jahr!" sondern: "Mache unser Festival möglich! Erlaube uns, unser Festival größer zu machen! Erlaube uns, bessere sanitäre Anlagen zu bauen! Ermögliche uns die 4. Stage für FLINTA Newcomer …" Ein Crowdfunding ist dann sinnvoll, wenn ein expliziter Purpose als Antrieb und exklusive Gegenleistungen als Anreiz kombiniert werden.
Das klingt erstmal nach Mehraufwand. Ja. Das ist es auch, aber der Outcome spricht für sich, denn völlig unabhängig davon, ob ein Ziel erreicht worden ist - allein die Einbindung der Crowd stärkt die Festival-Marke und die Wahrnehmung als Ort der Augenhöhe. Im Wertekompass der meisten Festivals scheint mir das verankert.
Während im Kauf eines Tickets lediglich der Zugang zum Festival und damit eine kommerzielle Transaktion manifestiert wird, wird das Unterstützen des Festivals beim Crowdfunding mit einer eigenen Wirkssamkeitserfahrung für den Special Purpose aufgeladen. Diese Aufladung ist emotional und verstärkt die Bindung in einer Form, die es ausserhalb des Festivalgeländes sonst nicht gibt.
Ob ein Festival nun den Aufwand für Crowdfunding auf sich nehmen sollte, lässt sich vielleicht daran festmachen, ob eine engere Bindung zu den Fans aufgebaut werden soll. In schlechten Zeiten könnte diese ein Festival entscheidend stabilisieren. In guten Zeiten kann diese Crowd für Innovationen beim Festival sorgen.
Crowdpflege auf Startnext ist dadurch möglich, dass die Unterstützer:innen immer wieder auch ins nächste Projekt geholt werden können. Crowdaufbau auf Startnext passiert von ganz allein, wenn Crowdfunding immer wieder zum Einsatz kommt und dadurch die Unterstützer:innenzahl wächst.
Dualität der Plattformen
Kommunikationsmaßnahmen können nicht zwei Ziele gleichzeitig haben. Auf Instagram kommuniziert das Festival für Instagram, die Besucher werden nicht umgelenkt, sondern unterhalten.
Kommunikationsmaßnahmen, die auf die eigene Webseite lenken, wie z.B. Poster oder ggf. Spots und Ads, haben eher das Ziel, ganzheitlich zu informieren und ggf. Merch und Ticket-Sales zu forcieren. In der Zeit 1-2 Monate vor dem Festival mag das perfekt funktionieren, in der Zeit zwischen den Festivals jedoch kann es sinnvoll sein, die Kommunikation aus allen Kanälen Richtung Crowdfunding-Kampagne zu fokussieren. Als einziger Call-to-Action. Warum?
Es ist in meinen Augen absolut sinnvoll, dass die Festival-Homepage frei von Stress, Orgakram, Problemen und Sorgen ist. Das romantische Bild des Festivals ist wichtig für den Ticketsale, für die Vorfreude, für das Gefühl. Trotzdem gibt es aber all dieses Rauschen und die Lösungsbedarfe. Das Crowdfunding ist der perfekte und auch antizipierte Ort für die Arbeit, die noch zu tun ist. Warum nicht also Kommunikation in dieser Form splitten und richtig aufbereiten? Startnext kann also Clinic und Lab für Festivals zugleich sein. Die Festival Homepage ist der ungestörte Ort der Vorfreude.
Es gibt die Menschen, die Part of the Game sein wollen und es gibt die Menschen, die das Festival einfach nur konsumieren wollen. Startnext ist Deutschlands beliebteste und wirksamste Beteiligungsplattform und stärkt gesellschaftliches Miteinander seit 2010. Ich freue mich, wenn mehr Festivals den Mut zeigen, die Crowd mit einzubinden. Wir werden euch dabei mit unseren Formaten Office Hour, Academy, VIP Beratung und Launch Day Show unterstützen.
MS Dockville 24, ich komme ??