Einblick & Ausblick: Abstract – Kernaspekte der Verfassungsbeschwerde
Liebe Leute,
Anbei ein Abstract – eine Kurzfassung zentraler Elemente der Verfassungsbeschwerde.
Achtung: Dieser Text wurde insbesondere als eigenständige Darstellung der Verfassungsbeschwerde für die Crowd, beziehungsweise, für die interessierte Öffentlichkeit verfasst.
Der eigentliche Schriftsatz wird noch weiter finalisiert, insbesondere die juristische Argumentation wird noch einmal von Fachkollegen gegengelesen. Aber die Argumentation steht und wurde bereits in früheren Stufen extern geprüft und bekräftigt. Wir scheinen jetzt wirklich auf der Zielgeraden zu sein.
Den im Abstract erwähnten »Goldstandard des Infektionsschutzes« werde ich in einem gesonderten Blogeintrag veröffentlichen.
Abstract – Kurzfassung zentraler Elemente der »Control-Covid« Verfassungsbeschwerde
Die Beschwerdeführer wenden sich an das Bundesverfassungsgericht, weil sie den Umgang des (Bundes-) Gesetzesgebers mit der andauernden Pandemie für verfassungswidrig unzureichend halten. Die Ausführungen gelten im übrigen gleichsam, sogar in besonderem Maße bei einem Eintreten in die sogenannte »Endemie«. Dieser Begriff wird oft in äußerst problematischer Weise missverstanden und entsprechend irreführend verwendet, indem etwa davon ausgegangen wird, dass die konkrete Gesundheitsgefährdung durch die Krankheit dann geringer wäre. Das ist falsch. Malaria beispielsweise ist auch endemisch, aber sicher nicht »mild«, ebensowenig wie SARS-Cov-2. Vielmehr bedeutet endemisch, dass Fälle einer Krankheit in einer umschriebenen Population oder begrenzten Region fortwährend gehäuft auftreten. Gerade das endemische, dauerhafte Auftreten von SARS-CoV-2 würde demnach in verstärktem Maße ein tragfähiges Schutzkonzept fordern, welches das Infektionsgeschehen nachhaltig eindämmt und kontrolliert (»Control-Covid«). Die Beschwerdeführer gehen für die notwendige Prognose zur Formulierung eines Schutzkonzeptes vom aktuellen Stand der Pandemie aus, wie er sich maßgeblich in den Lageberichten des Robert-Koch-Instituts und den Verlautbarungen des Bundesministeriums für Gesundheit abbildet. Weil die zur Verfügung stehenden Impfstoffe und ihre Inanspruchnahme die Risiken für Infizierte jedenfalls im Akutverlauf doch erheblich gesenkt haben, liegt ihr Fokus auf den langfristigen Gesundheitsrisiken im Nachgang zu einer durchgemachten Infektion. Wobei es aktuell und in absehbarer Zukunft immer noch ein Problem darstellt, dass die durch die irrationale und unverantwortliche Hochinzidenzideologie befeuerte Entstehung von immer neuen Varianten durch deren Immunflucht die Impfungen unterläuft und weder eine naiv herbeigesehnte »Herden-« noch »Hybridimmunität« unter den bisherigen Voraussetzungen jemals realistisch waren, wurden oder werden. Darüber hinaus zeigen aktuelle Studien in alarmierender und schwerwiegender Weise, dass sich die Gefahr von Folgeschäden bei Mehrfachinfektionen kumulativ erhöht. (Bowe et.al. 2022) Die sich aus dieser Studienlage ergebende Prognose hinsichtlich den – bei immer weiter abnehmendem Infektionsschutz – zu erwartenden gesamtgesellschaftlichen gesundheitlichen und damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Schäden sind dramatisch – und gewiss viel dramatischer, als es in der öffentlichen Wahrnehmung bisher durchgedrungen ist.
Internationale Studienlage
Wesentlicher Bestandteil des Vortrags ist eine wissenschaftlich untermauerte Gefährdungsbeurteilung, basierend auf einer von Fachleuten geprüften Sichtung der internationalen Studienlage, die sich in sachlicher Hinsicht auf das Phänomen Long COVID und seine realistisch zu erwartenden individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen und in persönlicher Hinsicht auf Kinder und Jugendliche konzentriert, weil diese noch immer die am wenigsten geschützte Personengruppe bilden, dabei aber im Zweifelsfall für die längste Zeit ihres Lebens mit den Folgen einer Erkrankung leben müssen. Vor diesem Hintergrund werden die Beschwerdeführer einen Katalog an Maßnahmen darlegen, gewissermaßen einen »Goldstandard des Infektionsschutzes«, den sie angesichts der Studienlage, Prognose und Vertretbarkeit für dringend geboten halten. Innerhalb dieses Katalogs erweist sich dann in der juristischen Argumentation die Forderung nach einer Luftreinigerpflicht (exemplarisch für einen Standard im Gesundheitsschutz durch Luftqualität) auch verfassungsrechtlich für unbedingt geboten.
Darüber hinaus soll die Verfassungsbeschwerde auch ein Zeichen setzen für eine politische, mediale und öffentliche Sensibilisierung hinsichtlich der Notwendigkeit einer nachhaltigen Zukunftsstrategie, ganz im Gegensatz zur weiter zunehmenden, gefährlichen Verharmlosung auf allen diesen Ebenen.
Es gilt für die Zukunft, die Zahl der Infektionen mit SARS-CoV-2 so weit wie irgend möglich zu reduzieren, da nur die Vermeidung einer Ansteckung sicheren Schutz vor den sonst drohenden Folgen bietet, solange keine wirksameren Impfstoffe entwickelt sind. Zudem erscheint im Lichte der sich verdichtenden Erkenntnisse zu den infektionsbedingten Langzeitfolgen eine Gleichstellung der Sars-CoV-2 Infektion mit anderen Infektionskrankheiten gemäß §34 IfSG mehr als geboten.
Prognoseproblem und Kontrollkompetenz des Verfassungsgerichts
Die Beschwerdeführer sind aus guten Gründen der Auffassung, dass die vom Bundesverfassungsgericht in aller Regel geübte Zurückhaltung gegenüber dem Gesetzgeber mit Blick auf dessen Einschätzungs-, Beurteilungs- und Regelungsprärogative in einer Sondersituation wie der derzeitigen eine Modifikation erfahren muss, soweit es um Maßnahmen geht, die mit keinen oder äußerst geringfügigen Grundrechtseingriffen verbunden sind. Wegweisend sind dabei unter anderem insbesondere die Entscheidungen zum Klimaschutz und zur Masernimpfpflicht. Namentlich geht es den Beschwerdeführern insoweit um einen flächendeckenden Einsatz von Luftreinigungsgeräten, weil diese einen enormen Beitrag zur Verringerung des Infektionsrisikos gerade in Schulen und Kindergärten leisten können.
Die Beschwerdeführer sind ergänzend der Auffassung, dass ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts auch deshalb zulässig und geboten ist, weil die politischen Entscheidungen, die zu der gegenwärtigen Rechtslage der Pandemiebekämpfung geführt haben, jedenfalls in Teilen schwerlich noch für sich in Anspruch nehmen können, von sachlichen Gründen getragen zu sein.
Bowe, B., Xie, Y. & Al-Aly, Z.: Acute and postacute sequelae associated with SARS-CoV-2 reinfection. Nat Med (2022). https://doi.org/10.1038/s41591-022-02051-3