Einblicke in den Entwurf des Schriftsatzes
Liebe Leute,
gute Nachrichten. Seit dem 21. August 2022 liegt nun endlich, nach durchaus zermürbenden Verzögerungen, die allerdings nicht vermeidbar waren, seitens Rechtsanwalt Günther ein Entwurf des Schriftsatzes für die Verfassungsbeschwerde vor. Dazu einige erste kurze Anmerkungen.
Der Entwurf wird selbstverständlich zunächst sorgfältig gegengelesen. Sowohl von den Beschwerdeführern, als auch vom Fachkollegium. Dazu betone ich, dass wir jederzeit konstruktive Anmerkungen und Anregungen sehr ernsthaft zur Kenntnis genommen haben und alle für die Argumentation relevanten Aspekte mit berücksichtigen. An dieser Stelle herzlichen Dank für jeden Hinweis und erneut für die notwendige Geduld.
Wir können den Entwurf aus nachvollziehbaren Gründen nicht vollumfänglich öffentlich machen, jedenfalls nicht zum aktuellen Stand und Zeitpunkt. Zur gegebenen Zeit wird es weiterreichende Einblicke geben, aktuell kann ich zum heutigen Tag, auch schlicht aus zeitlichen Gründen, nur ausgewählte Punkte herausgreifen oder zitieren.
Einblicke in den Entwurf
1. Luftreiniger
Ein ganz zentraler Punkt wird die Forderung nach einer verpflichtenden Installation von Luftreinigern sein, insbesondere in Kitas, Kindergärten und Schulen. Der Schutz der Kinder und Jugendlichen ist uns ein herausragendes Anliegen.
Die Forderung nach einer Pflicht ist juristisch gesehen durchaus ein sehr starker Ansatz, der entsprechend sorgfältig begründet werden muss und wird. Es reicht dabei bei weitem nicht aus, lediglich zu konstatieren »dass der Staat seiner grundsätzlich aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit nachzukommen habe«, vielmehr erfordert es eine sehr gründliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen, »die das Bundesverfassungsgericht zu solchen staatlichen Schutzpflichten entwickelt hat« und eine gehaltvolle Erörterung, »inwiefern der Gesetzgeber in concreto seinen anerkannt weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsraum überhaupt überschritten haben könnte.«
Diese beiden Punkte, die Forderung einer Pflicht und die dafür notwendige, sehr anspruchsvolle Argumentation, bilden eine gewichtige Grundlage und den folgenreichen Kern der Verfassungsbeschwerde, auf den sich viele weitere Aspekte beziehen lassen.
Da die Forderung nach einer Pflicht juristisch einen sehr anspruchsvollen Akt darstellt, ist es strategisch gesehen hierbei besonders wichtig, dass mit einer Installation von Luftreinigern keinerlei Grundrechtseingriff verbunden wäre.
Auch wenn wir von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer allgemeinen Impfpflicht überzeugt sind, würde eine Forderung danach zum jetzigen Zeitpunkt erhebliche Probleme unterschiedlichster Art mit sich bringen, die wir jedenfalls in dieser Verfassungsbeschwerde aus diversen Gesichtspunkten heraus vermeiden müssen. Vielmehr nehmen wir die Tatsache, dass es derzeit keinen Schutz durch eine allgemeine Impfpflicht gibt (aus was für Gründen auch immer), als Ausgangspunkt, um angesichts dieser fehlenden Schutzmaßnahme für die daraus resultierende, zwingende Verpflichtung auf andere Maßnahmen zu argumentieren.
2. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
Selbstverständlich hat sich Herr Günther aufgrund seiner besonderen beruflichen Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden mit den notwendigen Begründungsvoraussetzungen auseinandergesetzt. Dazu zählen, kurz aufgeführt etwa:
i) »Die Beschwerdeführer wenden sich unmittelbar gegen ein Bundesgesetz. Dass eine Verfassungsbeschwerde gegen ein solches Gesetz grundsätzlich statthaft ist, ergibt sich aus § 93 Abs. 3 BVerfGG. Die in jener Vorschrift bestimmte Frist von einem Jahr ab Inkrafttreten des angegriffenen Gesetzes ist ersichtlich eingehalten.«
ii) »Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz nur erheben, wer von diesem Gesetz selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist. Ein Beschwerdeführer darf sich also nicht zum Sachwalter fremder Interessen machen, er darf nicht auf erst in der Zukunft liegende Grundrechtseingriffe rekurrieren und es muss zudem so sein, dass das Gesetz ihn unvermittelt betrifft, ohne dass es eines weiteren, das Gesetz auf den Einzelfall anwendenden Umsetzungsakts bedarf. So liegt es hier.«
iii) »Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, so steht dem Beschwerdeführer ein Rechtsweg zu den Fachgerichten nicht offen. Gleichwohl kann auch in dieser Konstellation unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde eine Pflicht bestehen, vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts um fachgerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss zur einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – Randnummer 103, 104 und ebenso im Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. – unter Randnummer 103 betont hat. Indes wäre es den Beschwerdeführern nicht zuzumuten, jeweils für sich individuell die Gerichte anzurufen. Die Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren sind nicht weniger als die Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 2649/21 darauf angewiesen, eine rasche Klärung auf verfassungsrechtlicher Ebene zu erreichen, die eine übergreifende Wirkung erzielt. Man kann es nicht genug betonen: Im Moment ist jede und jeder von uns dem Risiko ausgesetzt, sich mit dem SARS-CoV-2-Virus (erstmals oder erneut) zu infizieren und dann nicht nur selbst zu erkranken, sondern das Virus noch weiter zu verbreiten. Wenn dem Einzelnen angesonnen würde, sich zunächst an die Fachgerichte zu wenden, um die Verpflichtung einzelner Hoheitsträger oder sonstiger öffentlicher Einrichtung zu verbesserten Schutzmaßnahmen zu erreichen, die dem Kläger, aber auch der Gesellschaft nützen, würde absehbar sehr viel Zeit vergehen, bis er sich schlussendlich an das Bundesverfassungsgericht wenden könnte – Zeit, in der eine Vielzahl von vermeidbaren Infektionen stattfinden würden mit allen Folgen, die sich daraus möglicherweise ergeben. Gerade die besondere Situation der Pandemie, in der sich wie unter dem Brennglas zeigt, dass die Beschwerdeführer zwar Individuen, aber auch Teil der Gesellschaft sind, die als ganze von der Pandemie betroffen ist, verlangt nach einer frühzeitigen und grundsätzlichen Klärung offener Rechtsfragen durch das Bundesverfassungsgericht.«
Soweit die ersten Einblicke. Zum Abschluss noch Auszüge aus dem Anfangsteil des Schriftsatzes:
»Verfassungsbeschwerde
gegen § 28a des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18. März 2022, Bundesgesetzblatt Teil I Seite 466.
Namens und im Auftrag der Beschwerdeführer erhebe ich Verfassungsbeschwerde gegen die vorgenannte Vorschrift und beantrage,
1. festzustellen,
dass § 28a des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18. März 2022, Bundesgesetzblatt Teil I Seite 466 mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar ist.
2. den Gesetzgeber zu verpflichten, eine Regelung zu treffen, die die Träger der jeweiligen Einrichtung zur Ausstattung von Klassenzimmern in Schulen und den einzelnen Räumen in Kindertagesstätten mit Luftreinigern verpflichtet (…).«
Ausblick
Spätestens, sobald wir Rückmeldungen zum Entwurf haben und Herr Günther aus seinem lange geplanten und wohlverdienten Urlaub zurück ist, gibt es weitere Einblicke und Informationen zur Einreichung.
Erneut müssen wir um Geduld bitten.
Letztlich argumentieren wir für einen sehr grundlegenden und weitreichenden Perspektivenwechsel hinsichtlich der Pandemie, der die nächsten Jahre und für kommende Generationen tragfähig sein muss, das erfordert entsprechenden Vorlauf und Sorgfalt. Die Einreichung liegt in jedem Fall in Sichtweite.
Mit besten Grüßen, guten Gedanken und lieben saluti,
Sensei Anon Rōnin