10 Stunden Stille
Die CD Box "series invisible" basiert auf dem gleichnamigen Text- und Audioprojekt und enthält eine Sammlung sogenannter Löschnotate. Spezifische Orte und ihr Klang werden seit 2004 mittels eines Audiorekorders aufgezeichnet. Zu einem späteren Zeitpunkt werden die "Field Recordings" wieder gelöscht. Dieser Vorgang wird notiert und in Form von »Schrift« festgehalten. Das Ergebnis ist das notierte und in Schrift übersetzte Audioereignis.
Die Auswahl der Orte erfolgt rein subjektiv und ist an die konkreten und unterschiedlichen Lebenswege der beiden Autoren geknüpft.
Beispiel:
Wind (sanft)
Aufnahme: 8.8.2021, 15:24 Uhr, Mönbachtal Eifel, (D)
Gelöscht: 8.8.2021, 15:31 Uhr
Dauer der Aufnahme: 3´17´´
Für die CD Box werden zunächst alle seit 2004 erstellten Löschnotate im Wechsel von Caroline Junghanns und Ole Lagerpusch im Studio auf Deutsch gelesen und aufgezeichnet. Für diesen Produktionsschritt konnten wir den SWR (Redaktion und Dramaturgie: Manfred Hess) gewinnen.
Die in den Löschnotaten genannte "Dauer der Aufnahme" wird hier jeweils als Stille gehalten. So enstehen jeweils 10 CDs mit einer Spieldauer von ca. 10 Stunden.
Die 10er CD Box wird liebevoll vom wunderbaren Team der Agentur U9 visuelle Allianz aus Offenbach gestaltet und in einer streng limitierten Auflage auf dem Hanauer Label Gruenrekorder veröffentlicht.
Links und weitere Projekte:
Auf der Website www.series-invisible.de sind alle seit 2004 erstellten Löschnotate einer interessierten Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht worden.
Text von Georg Imdahl:
In der "Photographie", schreibt Roland Barthes, lasse sich "nicht leugnen, daß die Sache dagewesen ist". Den Protagonisten in "Austerlitz" lässt W.G. Sebald berichten, gerade wo er sich "mühe, mich zu erinnern", löse sich "das Dunkel nicht auf, sondern verdichtet sich bei dem Gedanken, wie wenig wir festhalten können, was alles und wieviel ständig in Vergessenheit gerät, mit jedem ausgelöschten Leben, wie sich die Welt sozusagen von selbst ausleert, indem die Geschichten, die an den ungezählten Orten und Gegenständen haften, welche selbst keine Fähigkeit zur Erinnerung haben, von niemandem je gehört, aufgezeichnet oder weitererzählt werden".
Die Protokolle des Aufzeichnens und Löschens der "series invisible" bezeugen in wenigen Daten – Location, Record, Delete, Duration –, dass etwas gewesen ist. Es sind Klänge, die aufgezeichnet und gelöscht wurden, nicht Bilder. Schlägt das Unsichtbare im Titel der Serie einen Bogen zur Photographie? Konkret erinnern die Notate an Orte, Personen, Ereignisse, nicht minder an die Selbstausleerung der Welt, an ausgelöschtes Leben, die Vergessenheit, die, partiell und paradigmatisch, ihrer selbst entrissen wird, an den Vorgang des Aufzeichnens und Löschens, an die Erinnerung selbst.
Text von Achim Wollscheid:
Erstaunt müssen wir feststellen, dass, je mehr Dinge wir haben, wir sie umso weniger haben. "Haben" im Sinne eines Wissens darüber was und wie sie sind – in Bezug auf andere Dinge und in Bezug auf uns und was sie in beiderlei Hinsicht bedeuten. Was ist das für ein Wissen, das wir sammeln? Gibt es irgendetwas außerhalb dieses Wissens das real ist? Was heißt es, zu wissen? Wissen – als Information, auf Daten-Trägern gesammelt, in Stein geritzt, als Buch gedruckt oder auf Hard-Disk gespeichert? Oder müssen wir Wissen als den unvermeidlichen Strom von Klang, Clips, Features und Nachrichten akzeptieren, der den Film des Tages ausmacht? Es scheint, dass je ungewisser die Gründe für unser Hiersein werden, es umso notwendiger die Begleitung durch gespeicherte oder flüchtige Daten braucht – als eine Art wachsendes Polster, damit wir uns selbst nicht zu fassen bekommen.
Können wir zu den Dingen zurück? Und zu uns? Ich denke nicht – denn an welcher Kurve sollten wir umkehren? Als Künstler entwickeln, erweitern und verfeinern wir unweigerlich den Symbolgebrauch – und deshalb helfen wir dieses Polster zu vergrößern – gleichzeitig als Täter und Opfer der jeweils angewandten Methode. Worin bestünde gegebenenfalls eine verantwortliche Maßnahme diese Methoden selbst-reflexiv werden zu lassen? Möglicherweise aus Löschvorgängen.
In den Jahren 2007 und 2013 wurden jeweils ein Buch mit einer Auswahl an Löschnotaten über die Audioverlage Selektion, Revolver und Gruenrekorder veröffentlicht.
series invisible - collection 1 (2007)
series invisible - collection 2 (2013)
Ein weiterer Schritt dieses Projekts war die performative Umsetzung mit dem Material.
Eine dreitägige Performance fand im Rahmen des Wandelweiser Festivals "Klangraum 2016" im Kunstraum Düsseldorf statt.
"series invisible" wurde 2008 für den französichen Klangkunstpreis Phonurgia Nova Award nominiert und erhielt eine besondere Erwähnung.
Am 25.3.2023 wird eine vierstündige Radioproduktion im SWR2 urgesendet.
Die Finanzierung einer limitierten CD Box mit 10 CDs und einem Booklet.
Die CD Box spricht alle Menschen an, die sich für die Kunst der Klänge, Text und Philosophie interessieren.
Nach 19 Jahren des aktiven Löschens und Dokumentierens der Künstler Christoph Korn und Lasse-Marc Riek würde ihr gemeinsames Projekt "series invisible" nun neben der Web-Version und Radioproduktion als eine Art haptisches und hörbares Gesamtkunstwerk in einer limitierten Auflage vorliegen und als ein klangliches Moment eingeschrieben werden.
Mit eurer Unterstützung können wir einen Teil der Produktionskosten der CD Box finanzieren. Dies beinhaltet sowohl das Mastering der 10 CDs als auch die Gestaltung der gesamten CD Box.
Die Audio- und Medienkünstler Christoph Korn und Lasse-Marc Riek, die seit 2004 kontinuierlich und gemeinsam an dem Löschprojekt "series invisible" arbeiten.
www.christophkorn.de
www.lasse-marc-riek.de
Das Label Gruenrekorder von Lasse-Marc Riek und Roland Etzin, auf dem die CD Box erscheinen wird.
Verlängerung der Finanzierungsphase
Liebe Unterstützer*innen,
das Projekt "series invisible" geht in die Verlängerung!
Wir hoffen, in dieser Zeit mit Eurer Hilfe das nächste Level zu erreichen, um einen größeren Teil der Produktionskosten finanzieren zu können.
Bis zur Radioproduktion, die am 25.03.2023 im SWR zum ersten Mal gesendet wird, kann das Projekt noch unterstützt werden.
Keep your ears open and spread the word!