Ich gebe nicht auf!
Warum ich mir meinen Wurzeltraum nicht von Corona zerstören lasse!
Der eine oder andere weiß ja wie die Wurzel entstanden ist und für alle anderen mal ein paar Worte zu meinem persönlichen Wurzeltraum.
Ich habe ja in meinem Leben schon so einige Jobs gemacht, von sicheren Beamtenstatus bis hin zum Hermes Paketboten. Irgendwie habe ich mich aber nirgendwo so richtig wohl gefühlt und habe es nie so richtig lange ausgehalten. Meistens habe ich so nach 3-5 Jahren den Job geschmissen.
Irgendwann bin in dann im sozialen Netz( Hartz 4) gelandet und hatte auf nichts mehr so wirklich Bock. Durch Freunde bin ich damals an Türjobs bei Veranstaltungen gekommen und lernte dadurch auch eine Menge über die Durchführung von Veranstaltungen. Ich sah die positiven aber auch die negativen Seiten der Veranstaltunsszene in Berlin.
Ich sah wie sich langsam eine Art Szene ausbildete, in der nicht mehr jeder im Club oder bei Partys willkommen war. Plötzlich wurde an Berliner Türen selektiert und dabei ging es nicht wirklich darum aggressive oder Besoffene draußen zu lassen. Es wurde nur eingelassen wer zu der augenscheinlich "coolen" Szene gehörte. Wie jetzt falsche Frisur, falsche Klamotten oder eventuell regelmässig Gast im Fitnessstudio? Sorry, komm mal morgen wieder!
Dass Morgen Montag ist und der Club nicht offen, wen interessiert das schon :-) Vorreiter dieser "tollen" Selektion waren Läden wir Kater Holzig und ähnliche. Das hat mich irgendwann ziemlich angekotzt und ich dachte mir ok, ich mache Veranstaltungen wie früher, wo jeder willkommen ist.
Mit den Gedanken im Kopf und einige eigene Clubveranstaltungen später, traf ich Christian Reckmann und mit ihm glücklicherweise einen gleichgesinnten. Auch er hatte keinen Bock mehr auf die üblichen Clubveranstaltungen.
So entwickelten wir die ersten gemeinsamen Veranstaltungen unter dem Namen "Verzauberte Traumwelten". Diese fanden meisten Sonnabend in Berliner Clubs statt. Meistens haben wir nur Läden bekommen, die schon nicht mehr so gut liefen und es war ein Kraftakt diese zu füllen :-)
Bekanntermassen ist ja in den Clubs meistens Morgens Feierabend und die Gäste müssen raus. Das fanden wir doof und um mit unseren Gästen weitere Stunden verbringen zu können, bastelten wir direkt nach dem Club eine illegale Open Air Veranstaltung irgendwo in Berlin.
Man war das anstrengend, nach etlichen Stunden im Club nochmal weiter und Anlage / Bar und Deko aufbauen :-) Trotzdem hatten wir Spaß und von den Gästen kam echt richtig viel zurück.
Der Name "Zurück zu den Wurzeln Free Open Air" war geboren und es war echt mega. Wir hatten keine Secu und keine Gesichtskontrolle, aber teilweise bis 5000 Gäste. Alles lief immer friedlich und freundlich ab und selbst die böse AuflösePolizei war entspannt und nett.
Ich kann mit Stolz sagen, dass unser längstes Open Air( mitten in Berlin) 72 Stunden lief, bis Team Blau Weiß uns endlich gefunden hatte :-) Übrigens, egal ob die Polizei uns aufgelöst hat oder das Open Air durchlief, zum Feierabend haben wirklich alle mitangepackt und aufgeräumt. Es geht als auch ohne Müllpfand :-)
Aus diesen Open Airs entstand der Wunsch länger zu feiern, also so richtig mit Festivalspirit und 2014 war es dann soweit unser erstes Zurück zu den Wurzeln Festival fand mitten in Berlin statt.
Oh man, Oh man was wurden wir damals von anderen Veranstaltern mit Dreck beworfen. 4 Tage Festival mit internationalen Lineup für 20 Euro Eintritt, war denen irgendwie mega kapitalistisch. Inzwischen nehmen die gleichen Veranstalter 25 Euro für eine Nacht im Club mit regionalen Lineup :-)
Zu den Anekdoten aus der damaligen Zeit muss man auch sagen, dass der Clubbetreiber rumgenervt hat, weil die 2500 Festivalgäste ihm zu wenig getrunken haben. Das sich die leeren Kästen meterhoch gestapelt haben und er in seinem Laden noch nie 2500 Gäste hatte, war dabei egal :-)
Das Festival war rundherum wirklich schön, na ja außer finanziell denn wirklich hängen geblieben ist nichts bei uns.
Trotzdem waren wir so von der Festivalidee inspiriert, dass wir beschlossen ein richtiges Festival auf die Beine zu stellen. Also richtig mit Zelten und alles was dazu gehört.
In den nächsten Jahren wuchs die Wurzel und trotz einiger Rückschläge( z.B: Veranstaltungsabsage auf unseren eigenen Gelände in Tessin), konnten wir mit Hilfe hunderter Unterstützer unseren Traum leben.
An dieser Stelle muss ich einfach auch mal anmerken, dass alle die ersten Jahre umsonst für das Wurzelfestival gearbeitet haben. Das betrifft jetzt nicht nur die Supporter, sondern auch das Kernteam. Irgendwie war nie wirklich Geld da um Arbeitsplätze zu schaffen.
Dafür haben wir aber auch nie Kredite aufgenommen und immer nur das Geld in den Aufbau gesteckt, was auch wirklich da war. Das Wurzelfestival wuchs also weiter und etablierte sich auf dem Markt.
Irgendwann begriffen wir dann, dass zu einer gewissen Professionalisierung auch feste Mitarbeiter gehören. Wir fingen als an Arbeitsplätze für uns und unsere Unterstützer zu schaffen. Übrigens, war das schon ein gutes Gefühl nicht mehr auf Hartz zu sein.
Auch wenn unsere Löhne auf Mindestlohnniveau sind, ist es trotzdem schon irgendwie cool nicht mehr zum Amt zu rennen. Und an dieser Stelle mal ein Wort zum Wurzelteam, also zu meinen Kollegen...
Es ist nicht normal Menschen zu finden die unsere Vision teilen und dafür auf Kohle verzichten. Wir haben im Team Akademiker und Handwerker, die in anderen Firmen weitaus mehr verdienen könnten. Trotzdem bleiben sie bei uns, weil der Wurzelgedanke sie angesteckt hat!
Oh man, wenn ich manchmal an die endlosen Debatten denke, weil wir doch wieder zu viel Kohle in das Festival gesteckt haben, oder wenn sich immer neue tolle Projekte bei uns bewerben...
Inzwischen habe ich mich damit abgefunden, dass unser Festival anders ist und wir weitaus mehr Geld in den Aufbau und das Wohlbefinden der Gäste stecken, als vergleichbare Mitbewerber.
Das hat natürlich auch den Vorteil das wir keinen doofen Headlinerwettbewerb mitmachen brauchen um unsere Gäste zum kommen zu bewegen. Und ja ich habe mich inzwischen auch damit abgefunden, dass ich mit der Wurzel nicht reich werde. Aber ganz ehrlich, dafür bin ich mega stolz was aus einer Idee inzwischen gewachsen ist.
Jetzt sind wir wie alle anderen Veranstalter, dank Corona wieder in einer bescheuerten Lage. Die enormen Vorrauszahlungen die wir für unser Festival geleistet haben, sind unwiederruflich verloren.
Irgendwie dachten wir ja mal, wenn wir alle immer im Vorraus bezahlen, freut sich jeder darüber. Das ist in guten Zeiten auch mega gut, fällt uns jetzt aber auf die Füße. Unser Team ist freiwillig in Kurzarbeit gegangen, arbeitet aber trotzdem weiter. Wie es dem Team bei 60% Kurzarbeitergeld finanziell geht, könnt ihr euch sicher denken.
Meine Freundin die jedes Jahr unseren Marktplatz organisiert mussten wir auch erstmal rausnehmen, weil selbst die 400 Euro/ monatlich müssen wir jetzt sparen. Eine Sache ist für mich völlig klar, auch wenn ich die nächsten Monate nur Nudeln essen muss, ach nein Nudeln sind ja gerade Mangelware, ich lasse mir den Wurzeltraum nicht kaputt machen!
Sobald wir wieder dürfen feiern wir wieder.
Natürlich kann es sein, dass die Wurzel 2021 wieder so wird wie am Anfang und wir euch aufrufen mit uns ein paar Wochenende beim Aufbau zu verbringen.
Natürlich kann es ein, dass ich mir meine Musikantenwünsche mal ein Jahr spare und wir wirklich nur Freunde musizieren lassen. Wer weiß schon was kommt, aber eine Sache weiß ich genau...die Wurzel kommt wieder!
Eine Sache noch, natürlich weiß ich das viele meiner Freunde derzeit auch in Kurzarbeit sind und finanziell nicht vollstecken.
Deshalb habe ich mir auch die Spendenaufrufe gekniffen. Für alle meine Freunde die keinen Euro übrig haben, bitte teilt unsere Crowdfundingkampagne! So erreichen wir mehr Menschen und vielleicht hat ja einer der neu erreichten noch einen oder zwei Euro übrig..
Danke, für die Aufmerksamkeit und sorry für den meterlangen Beitrag...
Dragan MitBegründer und krassester Verfechter