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Das Maler- und Galeristen-Ehepaar Evelyn und José Ocón (Kontraste, Erwitte) und die Nürnberger Textildesign-| Streetart-Künstlerin Jutta M. Leykauff - als zudem überzeugt engagierte Aktivisten - starten diese Kampagne für die Arbeit des freien investigativen Journalisten Erich Neumann, koordiniert über jurawatch e. V.! Sie wollen wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind, wie Käthe Kollwitz einst sagte: Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat!
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29.04.2022

12 Artikel Memmingen 1525: Maßstab und Richtschnur gerade für heute!

Jutta M. Leykauff
Jutta M. Leykauff8 min Lesezeit

Das Geschehen in der Ukraine zeigt überdeutlich auf: nicht das Warten auf Eine(n) – egal ob Nation oder Person, die/der es schon richten wird – gäbe es sie/ihn, wäre sie, egal woher kommend, wieder kein(e) Gute(r)! – ist der Ansatz, sondern nur die solidarische an Gemeinsinn und Gemeinwohl ausgerichtete Handlungsweise.

Die 12 Artikel von Memmingen 1525 – in Bälde bereits 500 Jahre – sind hervorgegangen aus dem Bauernkrieg und leider in jedem Geschichtsunterricht so gut, als vergessen – eine Richtschnur dafür.

Jetzt ebenso, als seinerzeit zur Abkehr von der Feudalherrschaft.

Sie gelten als erste Niederschrift von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa, und die zu ihnen führenden Versammlungen als erste verfassungsgebende Versammlung auf deutschem Boden.

Auch 12 Artikel der Bauernschaft oder 12 Artikel der Bauernschaft in Schwaben genannt, gehören sie zu den Forderungen, welche die Bauern im deutschen Bauernkrieg 1525 in Memmingen gegenüber dem Schwäbischen Bund erhoben. Sie gelten nach der Magna Carta von 1215 als eine der ersten niedergeschriebenen Forderungen nach Menschen- und Freiheitsrechten in Europa, und die zu den Zwölf Artikeln führenden Versammlungen sind als eine Art verfassungsgebende Versammlung bezeichnet worden, die, wenn auch nur in Grundzügen, die politische Macht bestimmten Institutionen zuschrieb.

Am 06. März 1525 trafen sich in Memmingen etwa 50 Vertreter der oberschwäbischen Bauerngruppen, des Allgäuer-, Baltringer- und des Bodensee-Haufens, um sich über das gemeinsame Auftreten gegenüber dem Schwäbischen Bund zu beraten.
Nach schwierigen Verhandlungen verkündeten sie einen Tag später die Christliche Vereinigung der Bauern, auch oberschwäbische Eidgenossenschaft benannt.
Am 15. und am 20. März 1525 trafen sich die Bauern wieder in Memmingen und verabschiedeten nach weiteren Beratungen die 12 Artikel und die Bundesordnung.
Diese beiden sind die einzigen der vielen Programme des Bauernkrieges, die gedruckt wurden.
Besonders die 12 Artikel wurden innerhalb der nächsten 2 Monate mit einer für die damalige Zeit ungeheuren Auflage von insgesamt 25.000 Exemplaren gedruckt und verbreiteten sich im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches.
Da die beiden Texte im Laufe des Bauernkrieges nicht weiter entwickelt wurden, spricht der Historiker Peter Blickle von einer verfassungsgebenden Bauernversammlung in Memmingen.
Eine der Originalurkunden der 12 Artikel wird im Stadtarchiv Memmingen verwahrt.
Nachfolgend eine grobe Übertragung des Texts der 12 Artikel in heutiges Deutsch:
Jede Gemeinde soll das Recht haben, ihren Pfarrer zu wählen und ihn zu abzusetzen, wenn er sich ungebührlich verhält.
Der Pfarrer soll das Evangelium lauter und klar ohne allen menschlichen Zusatz predigen, da in der Schrift steht, dass wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen können.
Von dem großen Zehnten sollen die Pfarrer besoldet werden. Ein etwaiger Überschuss soll für die Dorfarmut und die Entrichtung der Kriegssteuer verwandt werden.
Der kleine Zehnt soll aufgegeben werden, da er von Menschen erdichtet ist, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen. Ist der Brauch bisher gewesen, dass man uns für Leibeigene gehalten hat, welches zu Erbarmen ist, angesehen, dass uns Christus alle mit seinen kostbarlichen Blutvergießen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich wie den Höchsten, keinen ausgenommen.
Darum erfindet sich mit der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen. Ist es unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß, dass der arme Mann nicht Gewalt hat, Wildbret, Geflügel und Fische zu fangen. Denn als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt über alle Tiere, den Vogel in der Luft und den Fisch im Wasser gegeben.
Haben sich die Herrschaften die Wälder alleine angeeignet. Wenn der arme Mann Etwas bedarf, muss er es um das doppelte Geld kaufen. Es sollen daher alle Hölzer, die nicht erkauft sind (die ehemaligen Gemeindewälder, die sich viele Herrscher angeeignet hatten), der Gemeinde wieder zurückgegeben werden, damit jeder seinen Bedarf an Bau- und Brennholz daraus decken kann.
Soll man die Frondienste, welche von Tag zu Tag gemehrt werden und täglich zunehmen, ziemlich reduzieren, wie unsere Eltern gedient haben, allein nach Laut des Wortes Gottes.
Soll die Herrschaft den Bauern die Dienste nicht über das bei der Verleihung festgesetzte Maß hinaus erhöhen. (Eine Anhebung der Fron ohne Vereinbarung war durchaus üblich.) Können viele Güter die Pachtabgabe nicht ertragen. Ehrbare Leute sollen diese Güter besichtigen und die Gült nach Billigkeit neu festsetzen, damit der Bauer seine Arbeit nicht umsonst tue, denn ein jeglicher Tagwerker ist seines Lohnes würdig.
Der großen Gerichtsbußen wegen werden stets neue Satzungen gemacht. Man straft nicht nach Gestalt der Sache, sondern nach Belieben (Erhöhungen von Strafen und Willkür bei der Verurteilung waren üblich). Ist unsere Meinung, uns bei alter geschriebener Strafe zu strafen, darnach die Sache gehandelt ist, und nicht nach Gunst.
Haben Etliche sich Wiesen und Äcker, die einer Gemeinde zugehören (Gemeindeland, das ursprünglich allen Mitgliedern zur Verfügung stand), angeeignet. Die wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.
Soll der Todfall (eine Art Erbschaftssteuer) ganz und gar abgetan werden, und nimmermehr sollen Witwen und Waisen also schändlich wider Gott und Ehre beraubt werden.
Ist unser Beschluss und endliche Meinung, wenn einer oder mehr der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären …, von denen wollen wir abstehen, wenn man es uns auf Grund der Schrift erklärt. Wenn man uns schon etliche Artikel jetzt zuließe und es befände sich hernach, dass sie Unrecht wären, so sollen sie von Stund an tot und ab sein. Desgleichen wollen wir uns aber auch vorbehalten haben, wenn man in der Schrift noch mehr Artikel fände, die wider Gott und eine Beschwernis des Nächsten wären.
Auch die Bundesordnung erreichte hohe Auflagen und war wohl vor allem deshalb bei den Bauern populär, weil sie ein Modell für eine kommunale, föderative Gesellschaftsordnung bot.
Im Schwarzwald, im Elsass und in Franken lassen sich Bauernschaften nachweisen, die danach organisiert waren.
Auf welche Person die 12 Artikel zurückgehen, ist umstritten. Manche Quellen weisen sie dem Bauernkanzler Wendel Hipler zu. In der Regel rechnet man sie aber dem Memminger Sebastian Lotzer zu, der möglicherweise zusammen mit dem Reformator Christoph Schappeler schon bestehende Texte erweitert hat. Auch Johann Hüglin wurde als Helfer beim Verfassen der Artikel in Betracht gezogen. Zumindest gehörte seine angebliche Mithilfe zu den Anklagepunkten bei seinem Inquisitionsprozess, in dessen Folge er verbrannt wurde.
Am 16. Februar 1525 begehrten etwa 25 zu Memmingen gehörige Dörfer auf und forderten angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage und der allgemeinen politischen Situation beim Rat der Stadt deutliche Verbesserungen.
Die Beschwerden wurden in den Memminger Artikeln zusammengefasst. Sie berührten die Leibherrschaft, die Grundherrschaft, Nutzungsrechte am Wald und der Allmende sowie kirchliche Forderungen. Die Bauern wollten Reformen auf breiter Front. Die Stadt ließ einen Ausschuss der Dörfler bilden und rechnete mit einem langen Katalog an spezifischen Forderungen. Sehr unerwartet gaben die Bauern aber eine einheitliche grundsätzliche Erklärung ab, die aus 12 Artikeln bestand. Viele dieser Forderungen konnten im Rat in der Folge nicht durchgesetzt werden, aber es kann davon ausgegangen werden, dass die Artikel der Memminger Landschaft die Diskussionsgrundlage für die 12 Artikel der Oberschwäbischen Eidgenossenschaft vom 20. März 1525 waren.
Es ist gut möglich, dass auch die Forderungen von Joß Fritz, die dieser bei der Bundschuh-Verschwörung 1513 erhoben hatte, die Artikel der Memminger Landschaft und dadurch wiederum die 12 Artikel selbst beeinflusst haben.
Die Bauern trugen schwer unter den vielen ihnen auferlegten Lasten und sahen in den Standpunkten Luthers und der Reformation die Bestätigung, dass die meisten davon nach Gottes Willen nicht vorgesehen waren.
Luther aber war nicht erbaut über die Aufstände der Bauern und deren Berufung auf ihn. Möglicherweise sah er darin schädliche Folgen für die Sache der Reformation.
Er wandte sich an die Bauernschaft und ermahnte sie zum Frieden. Auch an die Herren schrieb er: Sie haben 12 Artikel aufgestellt, unter denen einige so gerecht sind, dass sie Euch vor Gott und der Welt zur Schande gereichen. Doch sie sind fast alle auf ihren Nutzen und ihnen zugut abgestellt und nicht aufs Beste ausgearbeitet. […] Nun ist’s ja auf die Dauer unerträglich, die Leute so zu besteuern und zu schinden.
Im Mai 1525 erschien Luthers Schrift Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern, in der er sich auf die Seite der Obrigkeit schlug und diese zur Vernichtung der Bauern aus Sorge um die gottgefügte Ordnung aufrief. Konkreter Anlass hierfür war die Weinsberger Bluttat, bei der die Bauern unter Jäcklein Rohrbach nach der Erstürmung von Stadt und Burg Weinsberg den Obervogt Graf Ludwig V. von Helfenstein-Wiesensteig mit seinen Gefolgsleuten töteten.

Die in den Forderungen niedergelegten Grundgedanken scheinen wesentlich länger überdauert zu haben als ihre führenden Vertreter und Kämpfer.
Ein Vergleich mit der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 liefert einige Entsprechungen in den Motiven und der Umsetzung im Text. Auch in den Ergebnissen der Französischen Revolution ab 1789 lassen sich Parallelen finden. In den folgenden drei Jahrhunderten der Frühen Neuzeit begehrten die Bauern kaum noch auf. Erst mit der Revolution 1848/49 konnten in den 12 Artikeln von 1525 genannte Ziele durchgesetzt werden.

Maßstab und Richtschnur: die 12 Artikel von Memmingen 1525 kamen von der Bevölkerung zum Nutzen der Bevölkerung, sind also gelebte Solidarität pur: Richtschur für das Einzige, was auch heute zählt und nützt!

© Bild: www.wikipedia.org CC

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