Was ist eigentlich so schlecht am Profiling?
Was ist denn eigentlich so schlimm an diesem Profiling, dem Speichern, Verknüpfen und Auswerten riesiger Datenmengen durch multinationale Internet-Konzerne und Marketingagenturen? „Das hat doch auch viele Vorteile für mich als Kunden“, hören wir immer wieder. Auf den ersten Blick stimmt das vielleicht sogar. Je mehr ein Unternehmen über mich und meine Wünsche als Kunde Bescheid weiß, desto besser kann es doch seine Produkte für meinen Bedarf optimieren und Innovationen entwickeln.
Auch bekommen wir durch das individuelle Profiling natürlich vor allem die Werbung angezeigt, die uns interessiert. „Wenn ich Single bin, gerne Hörbücher höre und mich für die Börse interessiere, dann will ich schließlich erstmal kein Familienauto kaufen, Liebesromane lesen oder etwas über den neuesten Klatsch und Tratsch erfahren!“
Für die Unternehmen hat das Profiling viele Vorteile, vor allem, wenn es um Kosten für Produktentwicklung und Marketing geht. Wer weiß, was Bestandskunden heute wollen und wonach potenzielle Kunden im Internet suchen, kann viel gezielter Angebote machen und Streuverluste bei den Werbekosten vermeiden. Schließlich geht es vor allem im Massengeschäft oft immer noch um Gewinnmaximierung.
Persönliche Vorlieben, Sorgen und Nöte können erfasst werden
Demgegenüber gibt es eine Menge gewichtiger Nachteile, die jedoch erst auf den zweiten Blick so richtig sichtbar werden. So kann unser Surf-Verhalten nicht nur unsere Konsumgewohnheiten offenbaren, sondern auch viel über uns persönlich und über unser Leben aussagen. Das schließt Interessen, Vorlieben, Sorgen und Nöte mit ein. Es gilt also: „Zeige mir, wo Du klickst, und ich sage Dir, wer Du bist.“
Hier ein paar Beispiele, warum Profiling so problematisch ist:
- Wenn Angebote vor allem aufgrund unseres Surf-Profils individuell erstellt und präsentiert werden, sind auch die Preise nicht mehr fix. Wer von einem Apple-Gerät bestellt, hat wohl mehr Geld zur Verfügung als einer, der von einem anderen Computer kommt, so die Logik der Profiling-Unternehmen. Dieser Kundin werden also die teuren Produkte präsentiert, schließlich könnte bei ihr mehr zu holen sein.
- Wer aufgrund seiner im Internet hinterlassenen Spur von Finanzinstituten als „größeres Risiko“ eingestuft wird, weil er vielleicht öfter mal nach Angeboten jenseits des Mainstreams gesucht hat, muss unter Umständen mit höheren Zinsen rechnen. Oder er bekommt als potenzieller Kunde ein schlechteres „Rating“, nur weil seine IP-Adresse auf einen Standort hindeutet, der als sozialer Brennpunkt angesehen wird – selbst wenn er dort eine teure Eigentumswohnung hat. Auch die Entscheidungen über Kredite oder neue Mobilfunk-Verträge werden so getroffen.
- Schließlich wissen wir aus eigener Erfahrung, was passieren kann, wenn man immer wieder auf ein Angebot klickt und sich zu lange unentschlossen zeigt: Wir müssen unter Umständen damit rechnen, dass Produkte oder Leistungen plötzlich immer teurer werden, um in der Marketing-Fachsprache einen sogenannten „Closer“ zu setzen, also den Druck auf uns zu erhöhen, damit wir endlich kaufen.
Wir können manipuliert werden
Diese und noch viele andere Gründe machen das Profiling schon hochproblematisch, einfach weil wir viel leichter in unserem Verhalten manipuliert werden können, wenn das werbende Unternehmen unsere Wünsche und Ängste „kennt“. Wenn solche Manipulationen uns selbst nicht bewusst sind, führen sie schließlich zu einer Art Fremdsteuerung. Wir sind nicht mehr Herr unserer Entscheidungen.
Das Schlimmste aber ist: Wir wissen gar nicht, welche unserer persönlichen Daten die Unternehmen nutzen, wie sie im Profiling zusammengeführt werden und an wen sie weitergegeben werden. Auch kennen wir die Kriterien nicht, nach denen wir beurteilt und in Kategorien eingeteilt werden. So kann es passieren, dass im Profil ein völlig verzerrtes Bild von uns steht – vor allem auch, weil die Daten aus unterschiedlichen Quellen und vielleicht über längere Zeit zusammengeführt wurden.
Außerdem ist eines klar: Dass wir uns in der Vergangenheit auf eine bestimmte Art und Weise verhalten haben, dies und jenes gekauft oder in einem sozialen Netzwerk geliked haben, sagt rein gar nichts über unsere Gegenwart und noch viel weniger über die Zukunft aus. Wir können unsere Präferenzen und unser Verhalten schließlich auch ändern. Im Profil aber bleiben wir quasi immer die Alten.
Änderungen und Korrekturen unmöglich?
Als normale Bürger haben wir im Moment keine Chance, diese Details zu erfahren, geschweige denn sie zu ändern. Die zusammengeführten Daten werden uns nicht offengelegt. Auch ein gesetzlicher Auskunftsanspruch nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hilft hier normalerweise nicht weiter. Und was wir nicht kennen, können wir auch nicht korrigieren oder aktualisieren.
Mit unserer Initiative Your Digital Profile wollen wir das ändern – wenn Du uns dabei unterstützt.