Mein persönlicher Antifaschismus
Es gibt viele Spezialist*innen, die über dieses weit gefächerte Thema wissenschaftlich fundierter schreiben können als ich. Antifaschismus und Antinazismus sind für mich jedoch eine persönliche Angelegenheit. Aufgewachsen in einem Milieu, in dem viele Überlebende des Holocaust und des Krieges mir nah und am nächsten waren, gefüttert mit ihren Geschichten, ist eine antifaschistische und antinazistische Haltung Teil meiner selbst. Dass Antisemitismus und Rassismus in diesem Land nie verschwunden waren, wurde mir früh bewusst. Die vornazistischen Strömungen erkannte ich erst später deutlich, als ich anfing, mich aus gegebenem Anlass erneut intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Als die braune Suppe wieder unverdeckt hochzukochen begann. Wie sich inzwischen ultrarechtes Gedankengut im öffentlichen Diskurs spreizt und rechte Attitüden und Meinungen in der Mitte der Gesellschaft, auch der bürgerlichen, diskutierbar geworden sind, diesen Horror habe ich, wie einige andere auch, lange vorausgesehen. Es war zu lesen. Vor 3, 4 Jahren, meinte meine jetzt 89-jährige Mutter, und wiederholte es des Öfteren: „Ich lese die schrecklichen Dinge in den Nachrichten. Aber: ich lese es nicht nur. Es fühlt sich wieder genauso an.“
Die Dynamik dieses braunen Stroms erstaunt mich nicht. Und der Schulterschluss mit anderen Bewegungen, die sich im deutschsprachigen Raum lange vor dem dritten Reich sehr breit machen konnten: die der Völkischen und der Esoteriker aller Couleur, gut durchgemischt. Eine Aufzählung der diversen Gruppierungen würde euch schwindeln lassen, das reicht von antisemitischen Frut-ariern bis zur Yoga praktizierenden SS-Elite. Das bräunt und dräut seit dem Ende des 19. Jhd. mal an der Oberfläche, mal ein bisschen im Untergrund. Aber weg war es nie. So wird alter Nazi-Boden, mit entsprechenden Nazi-Anwesen darauf, übergangslos von neuen Nazis besiedelt. In einem dieser Schlösser treffen sich dann auch mal die rechtsorientierten europäischen Intellektuellen zu einem Kongress. Schon ein paar
Jahre her. Es wird gesät und gepflanzt und gepflegt, das rechte Gedankengut. In die Mitte hinein. Es flirtet mit Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus, Antiziganismus, Homophobie und so weiter und so fort.
Ich saß vor einigen Jahren, da gab es schon Pegida, aber keine Querdenker, wie wir sie jetzt kennen, bei einem Vortrag, der fast ausschließlich von Pschychoanalytiker*innen besucht war. Nach dem ausgezeichneten Referat der Vortragenden über die psychologische Verfasstheit der Pegida-Bewegung entstand eine merkwürdige Atmosphäre und eine mich absurd anmutende Diskussion zwischen einigen männlichen Zuhörern, alle Koryphäen in ihrem Fach. Zunächst ging es um ihr Unverständnis dem Phänomen Pegida gegenüber, und um die bespöttelte Eingrenzung deren plebejischer Reichweite. Von da wandten sie sich in einem seltsamen Twist, einer schnellen Harke, einem
Übersprung, ihren Ängsten vor dem Islam zu. Als ob sie nur darauf warteten, es endlich loszuwerden, es herauszulassen. Mit zitternder Stimme, einer war den Tränen nahe. Tatsächlich. Diese hochgebildeten Männer fühlten sich bedroht. Also nicht vor islamistischen Bewegungen. Oder Terror. Nein, sie ängstigten sich vor dem Fremden. Ich brachte mein tiefes Befremden zum Ausdruck, war aber nicht erstaunt. Niemand muss sich darüber wundern, wo wir jetzt stehen. Und das ist erst der Anfang.
Hm, vielleicht sollte ich mich doch Cassandra nenne.
Aber: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Brecht natürlich. Ich könnte jetzt diesen Text einfach endlos weiter schreiben, aus Brechtzitaten zusammen collagieren. Mit Tucholsky, Mühsam, Kästner und Kaléko würzen. Aber die kennt ihr ja selbst. Ich wähle momentan noch die gleichen Waffen wie sie. Versuche, in Songs und Texten zu verdichten, was mich bewegt. Und damit alle aufzufordern: jagt die braune Raupe Nimmersatt! Mit welchen Mitteln auch immer. Ich bin dabei.