REPORTAGE DER HESSENSCHAU ONLINE
Liebe Unterstützerinnen, liebe Unterstützer,
die Onlineredaktion der Hessenschau war zu Besuch bei uns und hat eine Reportage über ADELHEID, KORNELIUS & DIE TÖDE geschrieben.
Viel Spaß beim Lesen und ein schönes Wochenende!
Kirstin und Maren
Langzeit-Doku über Gelnhäuser Paar
Wie Adelheid und Kornelius dem Tod ins Auge sehen
Veröffentlicht am 22.03.18 um 11:45 Uhr
Es ist eine romantische Vorstellung: Verliebt, verlobt, verheiratet - und dann gemeinsam alt werden. Wie aber gehen Paare damit um, wenn ein Partner in absehbarer Zeit stirbt? Zwei Dokumentarfilmerinnen aus Gelnhausen haben ein ganz besonderes Paar begleitet.
Von Sonja Fouraté
Adelheid ist sauer. Ihr Kornelius hat eine Holzschnitzerei mit Ente angeschleppt und will sie an die Wohnzimmerwand nageln. "Wir haben doch genug Zeugs da hängen", schimpft sie. "Die tun wir in den Mülleimer." Ihr Mann aber will die Ente behalten, so viel Platz brauche die doch gar nicht. Adelheid beendet die Diskussion: "Wenn du tot bist, schmeiße ich das Zeugs eh fort!"
Der Gelnhäuser Kornelius Ihlefeld, 81, hat Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium. Behandeln lassen will er ihn nicht. Es sieht aus, als würde seine Frau Adelheid, 79, ihn überleben. Wie das Paar mit dem anstehenden endgültigen Abschied umgeht erzählt der Film "Adelheid, Kornelius & die Töde" - Töde als falscher Plural von Tod.
Zum ersten Mal allein
Die beiden Filmemacherinnen Kirstin und Maren Schmitt begleiten das Paar seit sieben Jahren. Sie sind mit der Kamera dabei, als es Kornelius Ihlefeld nicht fassen kann, dass er nach einem Schwächeanfall das Bett hüten muss. Oder als seine Frau im Wartezimmer sitzt, während er an der Prostata notoperiert wird. Zum ersten Mal seit Jahren ist sie allein und sinniert: "Mir hat das immer gefallen, was er so alles angeordnet hat." Grinsend fügt sie hinzu: "Eine andere wäre sicherlich nicht mit ihm klargekommen."
Adelheid, Kornelius & die Töde
Die Ihlefelds bei einem Tänzchen. Ihre große Liebe begann übrigens im Frankfurt der 1960er Jahre: "Sie war Zahnarzthelferin, ich hatte faule Zähne", scherzt Kornelius Ihlefeld. Bild © Kirstin Schmitt, Sailor's Yarn
Seit 53 Jahren sind die beiden verheiratet, mit klar verteilten Rollen: Adelheid Ihlefeld gab ihren Job als Zahnarzthelferin auf, kümmerte sich um die drei Kinder, den Mann und das Haus. Der inzwischen pensionierte Oberstudienrat Kornelius Ihlefeld bestimmte, wohin die Familie zum Wandern fuhr, dass es nach Malaga oder Fuerteventura in den Urlaub ging, welches Buch gelesen wurde.
Stadtbekannte Paradiesvögel
Und Adelheid Ihlefeld eignete sich die ganz spezielle Weltsicht ihres Mannes an: Obst und Gemüse werden im Garten angebaut, das Klo mit Regenwasser gespült, Hosen oder Jacken aus Altkleidern selbst genäht. Jeden Tag steht exzessiver Sport auf dem Programm - gleich morgens auf dem Ergometer, während im Fernsehen Euronews auf Englisch oder Französisch läuft.
So ziemlich jeder Gelnhäuser hat die beiden auch schon einmal auf ihrem Tandemfahrrad gesehen: Der eine fährt, die andere rezitiert die Bibel auf Spanisch. Oder beim Flaschensammeln mit dem Bollerwagen: Der eine zieht, die andere rezitiert Goethe. "Das gehört zu ihrem Fitnessprogramm", erklärt Kirstin Schmitt. "Und körperliche und geistige Fitness gehen bei ihnen immer zusammen."
"Welt aus spannender Perspektive gezeigt"
Adelheid, Kornelius & die Töde
Teure Klamotten sind nicht die Sache der Ihlefelds. Bild © Kirstin Schmitt, Sailor's Yarn
Der Tod sollte ursprünglich gar kein Thema des Films sein, sagt sie. Seit sie Regisseurin werden wollte, habe sie dieses Paar in einer Doku verewigen wollen. Die Unangepasstheit der beiden und dass sie sich gesucht und gefunden haben, fasziniere sie seit ihrer Schulzeit in den 1990ern. Kornelius Ihlefeld war damals Lehrer für Mathe, Physik und Englisch am Beruflichen Gymnasium, Kirstin Schmitt Schulsprecherin: "Kornelius hat mir die Welt immer aus einer neuen, spannenden Perspektive gezeigt", sagt sie.
In der Tat: Ein gut versorgter Oberstudienrat, der sich fit hält, indem er Pfandflaschen aus Mülleimern fischt? Dass das nicht jedem Gelnhäuser gefällt, amüsiert Kornelius Ihlefeld, schneeweißer Vollbart und eine Frisur, die an Doc Brown aus dem Film "Zurück in die Zukunft" erinnert: "Unser Stand macht so etwas nicht, sagte ein ehemaliger Kollege mal."
Dann blitzen seine stahlblauen Augen: "Ich aber verstehe nicht, warum Leute Pfandflaschen in den Dreckeimer werfen oder nach Düsseldorf fahren, um Luxuskleidung auf der Königsallee zu kaufen."
"Wir nehmen ein anonymes Grab"
Adelheid, Kornelius & die Töde
Auch moderne Möbel brauchen die Ihlefelds nicht. Sie fahren lieber zwei Mal im Jahr nach Spanien in den Urlaub. Bild © Kirstin Schmitt, Sailor's Yarn
Im Abschied vom Leben ist das Paar nun ähnlich konsequent: "Wir nehmen ein anonymes Grab", sagt Adelheid Ihlefeld. "Dann müssen unsere Kinder nicht aus München anreisen, um es zu pflegen." Überhaupt, die Kinder und die sieben Enkel: Ihnen will das Paar möglichst viel hinterlassen. Deswegen will Adelheid Ihlefeld auch im gemeinsamen Haus in Gelnhausen wohnen bleiben, bis sie selbst stirbt: "Sonst müssen meine Kinder so viele Steuern bezahlen."
Noch aber kämpft Kornelius Ihlefeld. Weder der Krebs noch ein schmerzhafter Sturz aufs Steißbein im August 2017 halten ihn davon ab, sich auf sein geliebtes Ergometer zu setzen. Sein Plan: dem Tod noch möglichst lange davon zu radeln.
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DIE FILMEMACHERINNEN
Die Dokumentarfilmerinnen Kirstin und Maren Schmitt haben ihr Abitur in Gelnhausen gemacht. Kirstin Schmitt studierte unter anderem in Frankfurt und Hamburg, Maren Schmitt in Marburg. Kirstin Schmitt hat sich auf Langzeitreportagen spezialisiert, seit 2006 lebt sie in Gelnhausen, Berlin und Havanna. Maren Schmitt produziert Lang- und Kurzfilme und lebt in Berlin und Gelnhausen. "Adelheid, Kornelius & die Töde" wurde unter anderem von HessenFilm gefördert. Für die Nachbearbeitung der 200 Stunden Filmmaterial haben die Schwestern eine Crowdfundingkampagne gestartet. 2019 feiert die 90-minütige Dokumentation Premiere.