12 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention
Am 26. März 2009, also heute vor 12 Jahren, trat Deutschland dem von den Vereinten Nationen 2006 verabschiedeten „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ bei. Das Übereinkommen, meist „kurz“ UN-Behindertenrechtskonvention genannt, ist seither geltendes Recht in Deutschland. Vereinfacht gesagt formuliert die Konvention keine „neuen“ Rechte, sondern konkretisiert die anerkannten allgemeinen Menschenrechte auf die Situationen von Menschen mit Behinderungen. In Artikel 1 der Konvention heißt es dazu:
„Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.“
Die Konvention steht symbolisch für einen Paradigmenwechsel in der Auffassung der Menschenrechte und speziell Stellung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft. Die Aktion Mensch schrieb dazu in einem Bericht zum 10-jährigen Jubiläum vor zwei Jahren:
„Eine Beeinträchtigung stellt nicht ein Defizit oder eine Abweichung dar, sondern ist Teil der Vielfalt menschlichen Lebens. Die eigentliche Behinderung entsteht aus dem Zusammenspiel von individueller Beeinträchtigung und äußeren Gegebenheiten, die dieser Person eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert. Menschen mit Behinderung sind keine Objekte gesellschaftlicher Fürsorge, sondern selbstbestimmte Bürgerinnen und Bürger.“
Obwohl seit 2009 einige Zeit, mehrere fachliche Prüfungen und politische Anstrengungen wie das Bundesteilhabegesetz von 2016 ins Land gezogen sind, kann noch lange nicht von einer vollständigen Umsetzung der Konvention in Deutschland gesprochen werden. Denn obwohl die Konvention die Vertragsstaaten ausdrücklich dazu verpflichtet,
"...die volle Verwirklichung aller Menschenrechte undGrundfrei heiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrundvon Behinderung zu gewährleisten und zu fördern"
und zwar insbesonder dazu,
"alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen"
erleben Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen der Gesellschaft nach wie vor strukturelle Diskriminierung. Das fängt an bei räumlichen Barrieren im öffentlichen Raum und geht eben bis hin zu rechtlichen Praktiken, die mitausgrenzender Rechtsauslegung im direkten Konflikt mit der Konvention und damit dem geltenden Recht in Deutschland stehen.
Eine dieser Praktiken ist unserer Ansicht nach die sogenannte Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), die den Anspruch auf Arbeitsassistenz von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelt. Darin werden die Vorgaben für die Genehmigung einer Arbeitsassistenz für Menschen einer körperlichen Beeinträchtigung aufgeführt. Diese werden in der Rechtsprechung auch auf Menschen mit kognitiver oder psychischer Beeinträchtigung angewandt – ohne der Situation dieser Menschen Rechnung zu tragen.
Diese Rechtsauffassung steht also dem geltenden Recht zum "gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen" grundsätzlich entgegen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, diesen Widerspruch vor Gericht zu thematisieren und somit bestenfalls nicht nur Edwin, sondern vielen Menschen mit kognitiven Behinderungen zukünftig eine selbstbestimmte Teilhabe an unserer Gesellschaft zu erleichtern.
Wir freuen uns, dass Ihr uns dabei unterstützt und bedanken uns dafür!!!!
Mit besten Grüßen,
euer Team Edwin