WoMan Force - Gründerin Anela Kaurinovic über Männer und Frauen
Liebe Anela!
Deine Fashion & Design Brand heißt WoMan Force und steht für Kleidung, die die Mission verfolgt Geschlechterungleichheit zu bekämpfen. Wie kamst du zu dieser Idee?
Als ich klein war, hat mich meine Mutter zu Familienbesuchen geschleppt. Das waren meistens Frauen-Treffen und da habe ich die ersten Einblicke ins Leben dieser Frauen und in das System, in dem sie gelebt haben, bekommen. Es war ein kroatisches Dorf, in dem ich groß wurde. Das ist ein hartes patriarchales System, in dem ein Mann alles ist, und eine Frau keinen Wert hat. Es ist ein System, in dem Frauen respektlos behandelt, unterdrückt und missbraucht werden. Für diese Frauen gab es keinen Weg raus, weil sie keine Ressourcen hatten und, weil sie sich überhaupt nicht fragen durften, ob sie ein besseres Leben verdient haben. Das würde sofort als Undankbarkeit und Sakrileg bezeichnet.
Durch dieses System wurden bei mir sehr früh Wut, Enttäuschung und Angst geboren.
Wut, weil ich als Mädchen nicht weniger wert sein wollte.
Enttäuschung, weil ich an Menschen glaubte und nicht verstehen konnte, dass das, was diesen Frauen passiert, unsichtbar ist.
Und Angst, weil ich mir noch nicht sicher war, ob eine Frau ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben führen kann.
Als richtiger Widder habe ich meine prägenden Jahre mit der Bekämpfung dieser Angst verbracht. Heute weiß ich ganz genau, dass ich alles kann und dass mein Platz da ist, WO ICH ES WILL.
Aber ich will, dass so viele Mädchen und Frauen wie möglich die Chance haben, das gleiche zu entdecken. Deswegen habe ich vor ein paar Jahren angefangen für die Schulische Bildung von zwei Mädchen in Kenia zu spenden. Die ganze Zeit hatte ich aber den Gedanken: „Was, wenn ich noch mehr machen könnte?“.
Und so kam ich auf die Idee für WoMan Force. Mit „WoMan Force“ möchte ich für die Gleichstellung der Geschlechter kämpfen und dazu beitragen, dass wir eine harmonische, menschliche Gesellschaft aufbauen und stärken können. Ich möchte Frauen und Männern zeigen, dass sie Verbündete sein können, die eine Atmosphäre des Dialogs und der Unterstützung schaffen können.
Dementsprechend ist meine Strategie, das Bewusstsein für Geschlechterstereotypen und ihre negativen Auswirkungen zu stärken. Dies wird hauptsächlich durch Illustrationen und entsprechende Slogans auf T-Shirts geschehen. Jedes T-Shirt Design soll dazu beitragen einen bestimmten Stereotypen zu entmystifizieren und eine bestimmte Organisation, die für Gleichheit steht, mit einer Spende zu unterstützen.
Was haben Emotionen und soziale Normen mit Geschlechterungleichheit zu tun?
Werden “boys” zu “boys” erzogen oder sogar trainiert?
Alles! Seit Kindheit lernen wir, was wir als Mädchen und Jungs reden, machen, fühlen und anziehen dürfen. So werden bestimmte Rollen aufgebaut, in die wir reinpassen müssen. Jeder der da nicht hinein passt wird von der Gesellschaft bestraft. Und so sind die Ungleichheiten geboren.
Wir erziehen Jungs dazu, dass sie keine Emotionen zeigen und nicht nach Hilfe fragen dürfen. Warum? Was und wen sollen sie unter Kontrolle haben? Und als Endeffekt haben sie doch keine Kontrolle über ihre eigenen Leben. Diese Kontrolle führt zu Einsamkeit, Selbstmord, Alkoholismus, Drogenkonsum und Gewalt. Und dann sagen wir noch: „boys will be boys“! Nein, 'boys will be', was wir aus ihnen machen. Gerade sind das nicht wenige Monster und Psychopathen.
Andererseits, mir als einer Frau wurden in der Kindheit keine Märchen erzählt, sondern zahlreiche Geschichten von Frauen, die auf dem Weg nach Hause vergewaltigt wurden. So früh wurde mir Angst vor den „bösen“ Jungs installiert. So früh nehmen wir Mädchen elementare Menschenrechte, ihre Freiheit. Jetzt frage ich mich, was kann aus so einem Kreis von negativen Emotionen anderes herauskommen als eine Gesellschaft der Ungleichheit und Unmenschlichkeit?
Was heißt für dich Männlichkeit?
Was heißt für dich Weiblichkeit?
Männlichkeit ist mutig, stark, selbstbewusst und entschlossen und Weiblichkeit fürsorglich, mitfühlend, neugierig, intuitiv… Das sind zwei Energien, die sich nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Anders gesagt, das sind menschliche Eigenschaften und als solche können sie nicht einem bestimmten Geschlecht gehören, so wie das gerade in unserer Gesellschaft potenziert ist.
Was können wir, abgesehen vom Kaufen deiner T-Shirts, noch tun, um mehr Gleichheit (oder sagen wir lieber “Ebenbürtigkeit”) unter den Geschlechtern zu schaffen?
Ich denke, was viele denken ist, dass sie auf die Straßen marschieren oder Kampagnen anfangen müssen. Das wäre super, aber das muss nicht jeder. Was aber jeder für den Anfang machen könnte, und das nicht nur im Kontext von Gleichheit, sondern allgemein, um tiefere Beziehungen mit unseren Mitmenschen zu haben und ein erfülltes Leben zu leben, ist folgendes:
Sich informieren, sich selbst reflektieren, mit unseren Mitmenschen offen und verständnisvoll reden. Männer, wisst ihr wie die Frauen leben, was für Sorgen und Problemen sie haben? Frauen, wisst ihr was für eine emotionale Last die Männer tragen?
Wenn du informiert bist, kannst du in dich selbst eintauchen und dich fragen: Gab es Situationen, in denen ich zu diesen Problemen beigetragen habe? Wie fühlt es sich an, wenn ich in den Schuhen dieser anderen Person laufe?
Wenn unser Bewusstsein wach ist, dann sind wir bereit, sowohl für das Zuhören, als auch das Reden. Dann wird es immer mehr solcher Momente geben, in denen wir sagen: „Es tut mir leid, dass ich das nicht gesehen habe. Ich will besser verstehen, um dir helfen zu können.“
Wenn wir dieses „einfache“ Rezept perfektioniert haben, kommen wir auf das vorgeschrittene Niveau! Da geht es darum, Vorbild zu sein, bei jeder Ungleichheit reagieren zu können und letztendlich unsere Position zu nutzen, um Druck für Veränderungen des Systems ausüben.
Erzähl ein wenig mehr über die Herstellung der Design-T-Shirts - sie tragen ja nicht nur im Design, sondern auch im Material gewisse Werte…
Ja genau. Als ich mir überlegt habe, was für ein Produkt ich herstellen möchte, war klar, dass es gut für Menschen und unseren Planet sein soll. Es ergibt keinen Sinn für mich auf der einen Seite etwas Gutes zu tun und auf der anderen etwas komplett Falsches. Deswegen habe ich mich für T-Shirts mit GOTS Zertifizierung entschieden, weil dies die am meisten respektierte und strengste Zertifizierung ist. Dabei geht es nicht nur um Rohstoffe und Produktion, sondern auch um Arbeitsrechte, die Gesundheit und das Wohlergehen aller Beteiligten in der Lieferkette, die Wasseraufbereitung und den Einsatz von Chemikalien. Außerdem sind die T-Shirts als FAIR und VEGAN bezeichnet. Und bedruckt werden sie in einer kleinen Familien-Druckerei in Aschaffenburg, die auch mit GOTS zertifizierten Farben arbeitet.
Woher kommst du, wie bist du zur Unternehmerin geworden?
Als ich vor sieben Jahren nach Deutschland kam, habe ich von dem was ich heute mache nicht einmal geträumt. Ohne Deutschkenntnisse und nur mit dem kroatischen Masterabschluss in Politikwissenschaften hatte ich keine großen Hoffnungen. Nach einem Jahr Babysitten, Putzen und etwas Deutsch lernen, habe ich angefangen im Mode Einzelhandel zu arbeiten. Es war mir aber immer klar, falls ich etwas für mich Sinnvolles machen möchte, musste ich mir selbst einen Weg ausdenken. Und so kam das. Vor 6 Jahren hatte ich schon diese Idee, aber ich konnte mich nicht dafür entscheiden, bevor ich besser Deutsch konnte und mich mit dem bürokratischen System in Deutschland auseinandersetzte.
Wieso unterstützt du unser Projekt AUFBRUCH mit deinen T-Shirts?
Von Anfang an war meine Idee, dass ich kein reines „Business for Profit“ aufbauen möchte, sondern mit verschieden kreativen Menschen, Unternehmen oder Organisationen, mit einem ähnlichen Themenspektrum, den gesellschaftlich so wichtigen Austausch und Initiativen starten kann.
Da das System Prostitution so ein gutes Beispiel von harter Ungleichheit zwischen Männern und Frauen ist, konnte ich nicht anders als mit vollem Herzen meinen kleinen Beitrag für eure Engagement zu geben. Für mich ist vor allem wichtig und ermutigend zu wissen, dass es Menschen wie dich und Matthias gibt. Falls ich bei eurem Auftrag ein wenig unterstützen kann, dann ist das ein Erfolg in der schönsten Form.
Du hast zwei deiner Designs für unser Crowdfunding ausgewählt. Warum diese beiden, was sagen sie aus?
Zwei von meinen T-Shirts passen sehr gut zu eurer Kampagne, weil sie zeigen, dass es einen Weg aus der Ungleichheit gibt.
„Masculinity Means Caring.“
Männlichkeit neu definieren! Männer ermutigen, das anzunehmen, was den Kern ihres Wesens ausmacht, um die von der Gesellschaft geschaffenen Gefängnisse zu durchbrechen.
Das war die Absicht hinter der Gestaltung dieses T-Shirts.
Wir wollen uns weigern, das patriarchale Konstrukt des Mannes als ausschließlich aggressiv, kühn, rational, emotional nicht ausdrucksstark, kühl, unabhängig, objektiv, dominant, entschlossen, selbstbewusst und nicht fürsorglich zu akzeptieren.
Dieses Konstrukt ist viel zu schädlich, weil es Männern zeigt, dass sie nur dann Mann genug sind, wenn sie sich so verhalten.
Stattdessen glaube ich, dass Männer wie jeder andere Mensch, fürsorglich, mitfühlend, einfühlsam und verletzlich sind.
„Humanity is what unites us.”
Der Gedanke hinter diesem T-Shirt ist, dass wir alle gleich sind in dem, was das Schönste an uns ist, und das ist unsere Menschlichkeit! Wenn wir uns in erster Linie auf diese Tatsache konzentrieren, können wir eine Welt schaffen, in der alle Menschen sich entfalten und ihr einzigartiges Potenzial erreichen können.
Wir danken dir herzlich für dein Engagement, deine Ideen und deine Unterstützung!
Kristine