„Linsenstraße - eine Straße voller Künstler: Eigenbrötler, Schmarotzer und Träumer. Genies und Wahnsinnige, Underdogs, Anarchisten und Alkoholiker. Sie alle setzen mit Fantasie, List, Lust und Frust ihr Leben außerhalb der Norm durch…“ – so wurde die erste Folge unserer Kreuzberg-Soap auf einem selbstgebastelten Flyer angekündigt, ehe sie November 1994 im Kino Eiszeit vor ca. 30 Leuten Premiere feierte. Halb dokumentarisch, halb fiktiv erzählten die 'Linsenstraßenbewohner' aus dem Graefekiez von ihrem Leben als (vogel-)freie Künstler - mit Witz, Verve und einer gehörigen Portion Chuzpe.
Mittelpunkt der Linsenstraße war neben dem Trödel das kleine Schauplatz-Theater. Dort versucht die erfolglose Schauspielerin Marlene (Christiane Nalezinski), ihre singende Transenfreundin Juwelia Soraya (Stefan Stricker) und deren Lebenspartner Lothar (Lothar Wiese) eine 60er-Jahre-Show auf die Beine zu stellen, während der arrogante Möchtegern-Starregisseur Hanns-Joerg Bercht-Holde (Hans-Jörg Berchtold) das Theater nur als Sprungbrett zum Berliner Ensemble nutzen will: Mit der intriganten Carmen Livera (Viola Livera) plant er eine experimentelle Maria Stuart frei nach Schiller. Marlene bewirbt sich für eine Rolle, aber Bercht-Holde lässt sie abblitzen. Sie sinnt auf Rache. Da kommen ihr die Performancekünstlerinnen Gabo (Gabi Schmalz) und Gudrun Guglhupf (Christiane von Brehmer) gerade recht…
Als 1997 nach 8 Folgen Linsenstraße das Schauplatz-Theater geschlossen wurde, bedeutete das zwar das Aus für die Serie, nicht aber für das Projekt. Ich filmte den Auszug aus dem Schauplatz-Theater und die Schließung des Trödels ebenso, wie die Arbeit und Bühnenauftritte meiner ehemaligen charismatischen Protagonisten. Wann genau die Idee entstand aus dem Material eine Langzeitdokumentation zu machen, weiß ich nicht mehr, aber die Anregung von Ulli Maass vom Filmfest München, aus dem Stoff einen Film zu machen, war sicher ein wichtiger Auslöser.
Im Sommer 2004 fragte ich dann meine ungewöhnlichen ‚Serienstars‘, was aus ihren Plänen und Träumen geworden war? Hatte sich ihr Leben verändert? Wie vertrugen sich ihre kreativen Ambitionen mit den Veränderungen in einem Kiez, in dem das Wort Gentrifizierung plötzlich kein Fremdwort mehr war und das Berliner Stadtmagazin Zitty titelte: Meine Armut kotzt mich an!
20 Jahre später habe ich noch einmal nachgehakt. Schlüsselszenen aus der Linsenstraße, die schon damals Lust und Frust unserer 'prekären' Künstlerexistenzen auf die Schippe nahmen, dienen als Aufhänger für die Frage: Ist jeder seines Glückes Schmied? In aktuellen Tiefeninterviews will ich von den charismatischen Einzelkämpfern wissen, wie sie den Spagat zwischen Kunst und Kommerz, Dilettant und Profi, Sein und Schein, Hollywood und Harz IV hinbekommen. Stimmt es, dass man seine Träume begraben muss, um sie zu verwirklichen? Wie hängen Biografie, Berufswunsch und Erfolg zusammen?
Der Wert künstlerischer Arbeit wird ebenso thematisiert, wie Verweigerung, Einzelgängertum, Qualen der Anpassung, Erfolg und Scheitern. En passant wird aus dem sehr persönlichen Heimatfilm mit dem heimlichen Protagonisten Graefekiez eine subtile Bestandsaufnahme des Mythos Kreuzberg, der immer noch wie kein anderer Stadtteil für Kreativität, alternative Lebensformen und Widerstandskultur steht.
WIE WIR EINMAL FAST BERÜHMT WURDEN erzählt aber auch wie aus einem Traum Wirklichkeit wird. So hat zum Beispiel Stefan mit seinem Lebenspartner Lothar 2006 den Traum vom "eigenen Laden" im Szenebezirk Kreuzkölln verwirklicht. Jedes Wochenende steigt er als Trashy Dragqueen Juwelia auf die selbstgebastelte Bühne seiner Theatergalerie und bezaubert (oder verstört) Touristen aus aller Welt mit der Show "Die Las Vegas Furie". Auch seine Bilder verkaufen sich mittlerweile richtig gut.
Der Film ist also auch eine humorvoll-poetische Liebeserklärung an die Kreuzberger Originale und Querschläger, die aus ihrer Unmittelbarkeit und Unberechenbarkeit immer wieder genialische Funken schlagen. Da wird etwas sichtbar, das ihre Kunst ausmacht, etwas, nach dem wir uns alle sehnen: Spiel, Anarchie, (Zweck-)Freiheit und Selbstbestimmung.
Dieser Film ist für alle, die geniale Dilettanten lieben (im Vorfeld können sie sich schon einmal die Münchener Ausstel-lung Geniale Dilletanten* anschauen. Wolfgang Müller von der Tödlichen Doris ist auch dabei, wenn er nicht gerade in Juwelias Ladengalerie sitzt und eine neue Kunstaktion plant.
* absichtlich falsch geschrieben
Für alle, die echte Menschen in ungewöhnlichen Dokumentationen lieben und keine Lust haben, nur Leistungsträger, Helden oder arme Opfer zu sehen.
Für alle, die durch Kreuzberg laufen und dem Kult vergangener Zeiten nachspüren.
Für alle, die die Filme Oh Boy und Die Alptraumfrau mögen.
Für alle, die die Realität, aber kein Reality-TV mögen.
Für alle, die Tschechow, Don Quichotte, Kir Royale und Linsensuppe lieben.
Für alle, die solche Sprüche gut finden:
"Berlin nimmt die ganzen schrägen Vögel auf, dafür müsste der Bund eigentlich noch was draufzahlen!"
(Gerd S. aus Kreuzberg)
"Ach, Christiane, ich wollte auch mal Künstler werden. Bin ich bin froh, dass ich keiner geworden bin!"
(Matthias N., ehemals Kreuzberg, jetzt Potsdam)
"Die Taschen voller Träume und nix im Portemonnaie - das alte Lied!" (Die Ki-Ka-Königin von Pontenero)
"Früher war ich eine arme Schauspielerin. Jetzt bin ich eine arme Filmemacherin, warum eigentlich!?" (Christiane Nalezinski, Kreuzberg)
"Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern."
(Samuel Beckett)
Mit einem kreativen Schub fing alles an. Getrieben von heftiger künstlerischer Unzufriedenheit und einem Ich-steig-aus-und-mach’-ne-eigene-Show-Feeling wollte ich mir und den schillernden Leute aus meiner Umgebung eine Plattform bieten - schon allein deswegen, weil sie im ‚normalen’ Film einfach nicht vorkamen. Dabei hatte ich Billy Wilders Aufforderung im Kopf: Die Geschichten liegen auf der Straße - heb’ sie auf!
Eine wichtige Voraussetzung für die Linsenstraße war, dass wir keine Erwartungen erfüllen mussten (außer unseren eigenen - schwer genug!) und ohne Zeitdruck arbeiten konnten. So entwickelten sich unsere Geschichten gleichsam organisch - kleine Filmwunder inbegriffen. Wenn z.B. wieder einmal das ‚wahre Leben‘ in unsere Inszenierung einbrach und Stefan alias Juwelia vor dem Trödel aufs Übelste von einem schwulenfeindlichen Passanten beschimpft wurde und so schlagfertig und gewitzt reagierte, dass die ganze Straße lachte - und anschließend die Zuschauer im Kino! Street Credibility einmal ganz anders!
Dass aus der Linsenstraße später mal eine Langzeitdokumentation werden würde, hätte sich damals keiner träumen lassen. Da wir uns alle kannten und ich als Regisseurin gleichzeitig Teil der Inszenierung war, sind Szenen von großer Ehrlichkeit, Intimität und Nähe entstanden.
Über 2 Jahrzehnte habe ich mit Leidenschaft und Engagement nahezu 350 Stunden Material produziert und alles privat finanziert. Nun soll daraus ein abendfüllender Film werden und ich komme als Einzelkämpferin nicht mehr weiter. Das heisst nicht, dass ich nicht versuchen werde, auch noch Finanzierung von staatlicher oder privater Seite zu bekommen. Indem ihr Fans des Projektes werdet, meinen Trailer seht oder mich finanziell unterstützt, wird deutlich, dass mein Anliegen, diesen Film zu machen, das Anliegen vieler ist. Ich danke Euch allen schon mal vorab für Euer Interesse an diesem Film und dass ihr bis hierher gelesen habt…
Mit der anvisierten Summe wird ermöglicht, den Film als Low-Budgetversion herzustellen (falls es mit zusätzlicher Finanzierung nicht klappt).
Die im Normalbudget kalkulierten Kosten liegen deutlich über dem Funding-Ziel, aber ich ha-be die Summe nicht zu hoch angesetzt, damit sie – realistisch gesehen - auch erreicht wer-den kann. D.h., auch wenn mehr als 10.000 € zusammen kommen würden, wäre dies keine Überfinanzierung. Jeder Euro, den wir auf Startnext zusammentragen fließt direkt in den Film.
Falls die 10.000 € überschritten werden (nach Abzug der Gebühren für die Startnext-Plattform, der Steuern und der Kosten für die ‚Dankeschöns‘ schrumpft die Summe sowieso schon) oder wir noch zusätzliche Gelder auftreiben, könnte ich noch fiktive Spielfilmszenen drehen, in der die ‚Stars aus der Linsenstraße‘ zeigen können, was in ihnen steckt: Da wäre z.B. ein Video-Clip mit Dirks hochaktuellem Eurosong (siehe Trailer!) und eine Chorszene im 60er-Jahre-Stil (Kostüm- und Maskenbildner, zwei Kameras und Tonmann müssten bezahlt werden). Film-Animationen, Gema-Gebühren und Kosten für Festivals kommen dazu - denn, man darf ja wohl träumen - der Film soll nach London, Paris, Madrid und New York!
Nach Magisterstudium und Schauspielschule in München arbeitete ich als Schauspielerin in Mainz, Konstanz, Zürich, München und Berlin (u.a. “Glasmenagerie“ mit Martin Semmelrogge und Lis Verhoeven, “Spiel’s nochmal, Sam“ mit Udo Wachtveitl). Mit Tourneetheater, Synchron und Rollen bei Film und Fernsehen (u.a. mit Regisseuren wie Hans W. Geissendörfer, K. Sabrautzky, Niklaus Schilling, Jo Baier) finanzierte ich schon damals meine eigen(willig)en Theaterproduktionen an randständigen Orten wie der Neuköllner Fleischerei “Fleisch & Lust“ oder der Kreuzberger Disco “Calypso“, aber auch im Spiegelzelt beim Berliner Theatertreffen.
Als aufmüpfige Marlene aus der Linsenstraße verarbeitete ich meine Erlebnisse als Provinzschauspielerin und wurde beim Schreiben, Inszenieren und Schneiden learning-by-doing zur Filmemacherin. 2007 gründete ich die Videoproduktion augapfel film und finanzierte mit Auftragsproduktionen eigene Independents wie “Warum muss der Sohn betteln“, “Wie im Traum“ oder “HollyGoesLightly“. “Frisch fromm fröhlich frei“ wurde zuletzt im Moviemento als Vorfilm zu Nana Rebhans Hasenheide gezeigt. In einem Interview in Bernd Sobollas Film “Auf der anderen Seite des Vorhangs – 100 Jahre Moviemento“ habe ich zum ersten Mal meine Langzeitdokumentation angekündigt, die 2016 unter dem Titel WIE WIR EINMAL (FAST) BERÜHMT WURDEN ins Kino kommen soll.