Kennst du das auch?
Du bist hoffnungslos gefangen. Nicht in einem engen Kerker, nein, in einem unendlichen System, das dir keine Chance auf ein freies Leben lässt. Hast du das auch schon mal geträumt? "Der lange Gang" ist ein Song, den wir schon lange Zeit mit uns herumschleppen.
Wir haben ihn schon mal aufgenommen. Auf unserem ersten Album "Brave Mädchen wollen böse Buben", das als Langspielplatte (LP) in Vinyl erschien. Aber wir waren nicht zufrieden damit. Dann haben wir es wieder versucht, als wir mit unserem Produzenten Martin Bleich das Album "Jawoll falsch" im Kellerstudio von Michi Rau (Zorn-Studio) aufnahmen.
Das Haupt-Gitarrenriff von Christian und der Bass von Matthias standen zwar und die Drums dazu hatte Yogi auch schon super reingeklopft, aber wir hatten am Schluss nicht mehr die Energie um "Der lange Gang" mit diversen Soundeffekten und mit meiner Stimme endgültig so aufzunehmen, wie er für uns klingen sollte.
"Der lange Gang" ist eine Szenerie wie von Kafka, wenn er einen sinnlosen Albtraum voller unbeantworteter Fragen beschreiben würde: Endlose Gänge, von denen man nicht weiß, wo sie enden. Irgendeine Gefahr scheint in ihnen zu lauern.
Das Monster Platzangst steckt hinter einer der unzähligen Türen, von denen man nicht weiß, ob man sie öffnen soll, weil sie den erhofften Ausweg bieten könnten.
Ihr kennt alle diese Gänge aus Schulen, Ämtern, Flughäfen, Bahnhöfen, Bunkern, Unterführungen oder Krankenhäusern.
Im Studio von Harry Kulzer haben wir es endlich geschafft "Der lange Gang"so aufzunehmen, wie wir es uns gedacht haben. Mit dieser monotonen aber auch aggressiven Stimmung, die auch die Atmosphäre der Grundfurcht ausstrahlt.
"Der la la lange Gang, der ma ma macht so bang". Ein bisschen singen und ein bisschen nach der Mutter rufen, so versucht man die Angst zu bekämpfen.
Zu Kafka kann ich noch erzählen, dass ich mal als Veranstalter mit meinen Künstler-Freunden Marcello Santos (Tanz, Choreographie), Christian Stock (Kontrabass) und Wolfhard Sitter (Erzähler) in einem Prager Theater, nicht weit vom Kafka-Buchladen entfernt (früher das Geschäft von Kafkas Eltern), die Erzählung "Die Verwandlung" mit Tanz, Musik und Sprecher aufgeführt habe. Diese Kafka-Geschichte hat mich schon immer fasziniert. Kafka ließ den Erzähler nicht aus einem bösen Traum aufwachen, in dem er ein Käfer ist, sondern zog die Story konsequent durch, bis zum Tod seines Helden Gregor Samsa, der an einem Morgen verwandelt aufwacht.
Das ist der blanke Horror.
"Die Angst zwängt sich her zu mir, wie eine augenloses Höhlentier", heißt es bei uns in "Der lange Gang". Schon wieder ein Tier.