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Veränderungen bei Behörden, Justiz und Politik - welche wir Alle wollen und welche uns Allen nützen - beenden Defizite, welche uns Alle belasten!

Das Maler- und Galeristen-Ehepaar Evelyn und José Ocón (Kontraste, Erwitte) und die Nürnberger Textildesign-| Streetart-Künstlerin Jutta M. Leykauff - als zudem überzeugt engagierte Aktivisten - starten diese Kampagne für die Arbeit des freien investigativen Journalisten Erich Neumann, koordiniert über jurawatch e. V.! Sie wollen wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind, wie Käthe Kollwitz einst sagte: Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat!
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01.05.2022

Maßstab für jurawatch e. V.: das Vermächtnis von Fritz Bauer!

Jutta M. Leykauff
Jutta M. Leykauff8 min Lesezeit

jurawatch e. V. sieht sich in seinem Selbstverständnis einigen Persönlichkeiten verpflichtet, orientiert sich in seinem Handeln an deren Vermächtnis und stellt sie Ihnen vor.

Fritz Bauer (* 16. Juli 1903 in Stuttgart; † 1. Juli 1968 in Frankfurt am Main).
Mit dem Namen und Wirken als Generalstaatsanwalt in Hessen von 1956 bis 1968 verbinden sich die Entführung Adolf Eichmanns nach Israel, die positive Neubewertung der Widerstandskämpfer des 20. Juli von 1944 und die Frankfurter Auschwitz-Prozesse.
Dieser Ausnahme-Jurist wurde als Sohn liberaler jüdischer Eltern geboren, verstand sich selbst aber als bekennender Atheist. Sein Vater Ludwig war Textilgroßhändler, seine Mutter Ella Bauer, geb. Hirsch.
In Stuttgart und Tübingen wuchs Bauer mit seiner drei Jahre jüngeren Schwester Margot] in gutbürgerlichen Verhältnissen auf und studierte nach dem Besuch des Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums Rechtswissenschaft in Heidelberg, München und Tübingen. Während seiner Studienzeit engagierte er sich in einer liberalen jüdischen Studentenverbindung, vor allem in politischen Debatten.
Nach seiner Promotion Die rechtliche Struktur der Truste zum Dr. jur. bei Karl Geiler war seine erste Station 1928 Gerichtsassessor beim Amtsgericht Stuttgart und bereits zwei Jahre später fungierte er als jüngster Amtsrichter in der Weimarer Republik.
Von früh an politisch aktiv, war Bauer Mitgründer des Republikanischen Richterbundes in Württemberg und trat bereits 1920 der SPD bei, übernahm 1931 den Vorsitz der Ortsgruppe Stuttgart des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Im Zusammenhang mit Planungen zu einem gegen die Machtergreifung der Nationalsozialisten gerichteten Generalstreik wurde Bauer am 23. März 1933 festgenommen, 8 Monate im KZ Heuberg und im KZ Oberer Kuhberg inhaftiert und Ende 1933 wieder entlassen.
Die württembergischen NS-Machthaber veröffentlichten in mehreren Zeitungen ein angeblich von 8 Sozialdemokraten unterzeichnetes Treuebekenntnis, darunter ein Fritz Hauer. Ein Sozialdemokrat namens Fritz Hauer ist unbekannt, ebenso wie ein Insasse des KZ Oberer Kuhberg mit diesem Namen. Vermutlich handelt es sich in der Veröffentlichung des Treuebekenntnisses um einen Druck- bzw. Setzfehler, weshalb angenommen wird, dass der vorgebliche Unterzeichner der Häftling Fritz Bauer ist.
Bei der Haftentlassung aus den frühen KZ zwangen SS-, SA- und andere Stellen den zur Entlassung vorgesehenen Häftlingen eine Loyalitätserklärung – einen Revers – ab.
Dies wird auch im Falle Fritz Bauers und seiner mitinhaftierten Genossen angenommen, wobei der Wortlaut der abverlangten Erklärung selbstredend nicht bekannt ist. Die Nationalsozialisten machten aus dem Vorgang zu propagandistischen Zwecken ein Treuebekenntnis einstiger Sozialdemokraten, um ihre politischen Gegner zu entehren. Aus dem Staatsdienst wurde er auf der Basis des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen.
1936 emigrierte Bauer nach Dänemark. Nach der deutschen Besetzung entzogen ihm die dänischen Behörden im April 1940 die Aufenthaltsbewilligung und internierten ihn für 3 Monate in einem Lager.
Zu seinem Schutz heiratete er im Juni 1943 formal die dänische Kindergärtnerin Anna Maria geb. Petersen.
Im Oktober 1943, als die Nationalsozialisten mit der Deportation der dänischen Juden in das KZ Theresienstadt begannen, tauchte er unter und wurde im Rahmen der Rettung der dänischen Juden mit Unterstützung einheimischer Helfer nach Schweden übergesetzt.
Dort arbeitete er als Archivgehilfe und gründete mit Willy Brandt und anderen die Zeitschrift Sozialistische Tribüne.
Die dänische Fremdenpolizei verdächtigte Bauer, mit männlichen Prostituierten Umgang zu haben, was in einer Ausstellung des Fritz-Bauer-Instituts thematisiert wurde, die erstmals 2014 im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main zu sehen war. Seitdem wird Bauer als Homosexueller kategorisiert, obwohl er sich weder dazu bekannt hat noch eindeutige Belege hierfür vorliegen.
1949 kehrte Bauer nach Deutschland zurück, wurde Landgerichtsdirektor am Landgericht Braunschweig und 1950 Generalstaatsanwalt beim dortigen Oberlandesgericht. 1956 wurde er auf Initiative des Ministerpräsidenten Georg-August Zinn in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts mit Sitz in Frankfurt am Main berufen, das er bis zu seinem Tod 1968 innehatte.
Einer seiner ersten Fälle als Generalstaatsanwalt in Braunschweig machte ihn auch außerhalb Deutschlands bekannt: 1952 war er der Ankläger im sogenannten Remer-Prozess. Bauer prägte dabei den Satz: Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr. Infolge dieses Prozesses wurden die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 rehabilitiert und ihr Versuch, Hitler zu töten, legitimiert. Das Gericht schloss sich Bauers Auffassung in seinem Plädoyer an, der NS-Staat sei kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat gewesen.
Im Jahr 1957 informierte Fritz Bauer den Leiter der Israel-Mission in Köln, und damit den israelischen Geheimdienst Mossad, über den Wohnort Adolf Eichmanns in Argentinien, nachdem er diesen von dem in Argentinien lebenden ehemaligen KZ-Häftling Lothar Hermann erfahren hatte.
Bauer misstraute der deutschen Justiz und Polizei – er befürchtete, man werde Eichmann von dort aus warnen – und wandte sich früh direkt an Israel.
Der israelische Fotograf und Mossadagent Michael Maor fotografierte 1960 heimlich die Unterlagen von Bauer.
Diese Mitteilung war ein wichtiger erster Anstoß für Eichmanns Ergreifung 1960. Zum Hintergrund dieses Vorgangs gehört, dass Bauers Antrag, die deutsche Bundesregierung möge sich um die Auslieferung Eichmanns in die Bundesrepublik bemühen, von der Regierung sofort abgelehnt worden war.
Der entscheidende Hinweis samt Belegen auf Eichmanns Aufenthaltsort in Buenos Aires, der durch Bauers Vermittlung den Zugriff des Mossad auslöste, stammte indessen von dem deutschen Geologen und Historiker Gerhard Klammer, dem Adolf Eichmann zwischen 1950 und 1953 bei einer Baufirma in der Provinz Tucumán im Nordwesten Argentiniens als Landvermesse zugearbeitet hatte.
Bei einem weiteren Argentinien-Aufenthalt Klammers im Herbst 1959 kam es zu einer Zufallsbegegnung mit Eichmann an dessen neuer Wirkungsstätte in Buenos Aires, bei der Klammer Kenntnis von Eichmanns genauem Aufenthaltsort erlangte.
Unter Mitwirkung von Göttinger Studienfreunden und des ersten evangelischen Militärbischofs der Bundeswehr Hermann Kunst gelangte diese Information samt Belegen im November 1959 an Fritz Bauer. Als Bauer dem Mossad im Dezember 1959 in Jerusalem Klammers Belege übermittelte, ohne seinen Informanten preiszugeben, ordnete Ben Gurion kurz darauf die Ergreifung Eichmanns an.
Im Jahr 1958 wurde auf seine Initiative hin ein Konvolut von 100 000 Fahndungsakten nicht ans Bundesarchiv, sondern an die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen übergeben.
Die Vereinten Nationen (UNO) übergaben dorthin eine Fahndungsliste mit 30 000 neuen Tatverdächtigen.
1959 erreichte Bauer, dass der Bundesgerichtshof die Untersuchung und Entscheidung in der Strafsache gegen Auschwitz-Täter dem Landgericht Frankfurt am Main übertrug.
Auf Weisung Bauers leitete die dortige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen vormalige Angehörige und Führer der SS-Wachmannschaft des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz ein.
Der erste Auschwitzprozess in Westdeutschland, die Strafsache gegen Mulka u. A., wurde schließlich im Dezember 1963 gegen 22 Angeklagte vor dem Landgericht Frankfurt eröffnet.
Innerhalb der bundesdeutschen Nachkriegsjustiz war Bauer wegen seines Engagements umstritten, hatten doch die meisten damaligen Juristen in der Zeit zuvor schon der NS-Diktatur gedient. Er selbst soll einmal gesagt haben: In der Justiz lebe ich wie im Exil.
Medien zitierten ihn ebenfalls mit dem Satz: Wenn ich mein [Dienst-]Zimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland.
Prägnant auch seine Aussagen: Ein Unrechtsstaat wie das Dritte Reich ist überhaupt nicht hochverratsfähig, oder Ich glaube, es ist eine traurige Wahrheit, dass wir unserem Affenzustand noch sehr nahe sind und dass die Zivilisation nur eine sehr dünne Decke ist, die sehr schnell abblättert.
Im August 1959 erhielt Fritz Bauer von Willy Rudolf Foerster Informationen über die Hinrichtung von Gefangenen auf deutschen Blockadebrechern während des Zweiten Weltkrieges. Diese seien in Japan mit Gewalt auf deutsche Schiffe gebracht und auf der Fahrt ohne Gerichtsurteil kaltblütig ermordet worden.
Zudem berichtete er Bauer von unwahren Zeugenaussagen ehemaliger deutscher Diplomaten vor Gericht. Diese hätten zum Ziel gehabt, eine ernsthafte und eingehende Untersuchung seines eigenen Falls zu verhindern.
Foerster hatte zusammen mit dem Jüdischen Hilfskomitee in Tokio einer beträchtlichen Anzahl von Juden zur Flucht nach Japan verholfen und sie in seinem Unternehmen beschäftigt. Hierfür war er 1943 verhaftet und gefoltert worden.
Fritz Bauer hielt 1960 vor Vertretern von Jugendverbänden das Referat Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns. Der Vorschlag des rheinland-pfälzischen Landesjugendrings, den Text Oberstufengymnasien und Berufsschulen als Broschüre zur Verfügung zu stellen, wurde vom Kultusministerium des Bundeslandes abgelehnt. Die Ablehnung wurde 1962 vom jungen CDU-Abgeordneten Helmut Kohl nassforsch begründet: Der zeitliche Abstand vom Nationalsozialismus sei zu gering, um sich darüber ein abschließendes Urteil bilden zu können.
Der Text, in dem Bauer Argumente dafür brachte, dass der NS-Staat kein Betriebsunfall der Geschichte war, erschien erst 1965 im Buchhandel. Die von Bauer begonnenen Ermittlungen gegen mutmaßliche Schreibtischtäter der Euthanasie wurden später eingestellt.
Fritz Bauers Werk galt dem Aufbau einer demokratischen Justiz, der konsequenten strafrechtlichen Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts und der Reform des Straf- und Strafvollzugsrechts.
Die Frankfurter Auschwitzprozesse (1963–1981) wären ohne Bauers hartnäckigen Einsatz wohl nicht zustande gekommen. Die Tatbeteiligten wurden größtenteils nur zu wenigen Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt, auch lehnten breite Schichten der Gesellschaft die Verfahren ab. Dennoch besteht das Verdienst Bauers darin, durch die von ihm angestrengten Prozesse ab Mitte der 1960er Jahre die öffentliche Auseinandersetzung mit der Holocaust-Thematik eingeleitet zu haben.
Von seinen Schriften gilt das 1957 erschienene Buch Das Verbrechen und die Gesellschaft als Hauptwerk. Darin zweifelt er die Annahme der Willensfreiheit als Grundlage des geltenden Schuldstrafrechts an und plädiert stattdessen anknüpfend an die Lehren von Franz von Liszt und Gustav Radbruch für ein Kriminalrecht, das – unter Verzicht auf Strafe – ausschließlich Maßnahmen resozialisierenden und sichernden Charakters kennt.
Fritz Bauer wurde am 01. Juli 1968 tot in der Badewanne seiner Wohnung in Frankfurt aufgefunden. Bei der von dem Frankfurter Gerichtsmediziner Joachim Gerchow vorgenommenen sogenannten Verwaltungssektion wurden eine Herzvorschädigung, eine schwere akute Bronchitis sowie die Einnahme eines Schlafmittels festgestellt. Es ergaben sich keinerlei Hinweise auf ein Fremdverschulden.
So vermutete Gerchow in seinem abschließenden Gutachten und späteren Äußerungen einen Suizid. Darauf hinweisende Verhaltensweisen Bauers vor seinem Tod fehlen indes.
Bauer wurde auf seinen Wunsch entgegen jüdischer Tradition eingeäschert.
Die Anweisung von Bauers Stellvertreter, eine gerichtliche Leichenöffnung zu beantragen, missachtete die dafür zuständige Frankfurter Staatsanwaltschaft aus heute unerkennbarem Grund und gab die Leiche sogleich – auch zur Feuerbestattung – frei.
Eine Verwaltungssektion fand statt, weil Angehörige Bauers in Skandinavien zustimmten, worum sich Bauers Stellvertreter bemüht hatte.
Fritz Bauers Urne wurde auf dem Friedhof Örgryte gamla kyrkogård in Göteborg beigesetzt.

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Postfach 1111
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