Das ist Kalba
Auf der roten Sandpiste aus Richtung Tuna fahrend gibt es nichts, das den Anschein erweckt, man sei bald angekommen: kein Straßenschild, keine geografische Besonderheit. Die Landschaft ist flach und soweit das Auge reicht, gibt es zwischen den Bäumen der Savanne nur ungewöhnliche, aus Lehm gebaute Farmhäuser mit Wellblechdächern. Es scheint kein natürliches Motiv zu existieren, warum Kalba genau dort liegt, wo es ist. Es vermag keinen ursprünglichen Siedlungsgrund zu geben; kein Steinbruch, keine Mine und der nächste Bach – einen Kilometer vor der Ortsgrenze – ist offenbar nicht der Anziehungspunkt der Bewohner Kalbas.
In der Tat könnte man es einem nachsehen, geglaubt zu haben, dass es eines der Satelliten-Dörfer entlang der Straße sei, würde nicht die Hauptstraße schmaler werden und gleichzeitig einen rauen, steinigen Untergrund aufweisen, während die Lehmhütten nun mit Beton verschmelzen und immer dichter zusammen stehen. Die Straße nach Süden in Richtung Saru ist zwischen Bäumen versteckt und die Straße Richtung Norden nach Wa, der Hauptstadt der Region des Nordwestens, ist für das ungeübte Auge fast nicht von den von Ziegen ausgetretenen Wegen zu unterscheiden, die die Häuser verbinden.
Doch wenn man anfängt sich auf den kleinen Pfaden zu orientieren und sich von Baum zu Baum hangelt, um sich vor der Mittags-Sonne zu schützen, beginnt man zu realisieren, dass – wenn auch anders als in Europäischen Siedlungen, die aufgrund von geografischen Gegebenheiten oder ehemaligen, militärischen Festungen gebaut wurden – mehr an Kalba dran ist, als auf den ersten Blick erkennbar.
Es ist ein Zentrum. Ein Zentrum für alles. Und im Zentrum von Kalba, physisch, metaphysisch und wortwörtlich am Ende der Straße liegt der Markt. Alle 5 Tage wird dieser Mischmasch aus krummen Baumstamm-Pfosten-Verkaufsläden und den mit großen, leuchtenden Decken ausgelegten Verkaufsflächen nicht nur zu hörbarem, sondern zu fast sichtbarem Lärm. Die Menschen verkaufen hier alles, von alten Schuhen bis zur Kräutermedizin. Sie sitzen Schulter an Schulter mit Metzgern, Stoffverkäufern und an Pito-Ständen – den lokalen Bier-Bars – wo immer sich Platz finden lässt. Während man sich durch die schmalen Gassen schlängelt, laden die Händler ein, ihre Waren zu betrachten, während andere lachen und in der typischen, überschwänglichen ghanaischen Art Witze machen.
Dann, wenn die Straßen sich öffnen, das Gelächter und die Geräusche leiser werden und die Häuser mehr und mehr Platz zwischen sich lassen, findet man sich im Außenbereich wieder. Weniger geschäftig, aber nicht weniger wichtig ist Kalba von dem umgeben, was es ausmacht. Im Osten die Kirche, ein großes Gebäude in einem ruhigen Teil des Ortes, ein Zentrum für sich selber, für Hochzeiten und Todesfeiern, aber auch für das Zusammenkommen, die Gemeinschaft, für Feierlichkeiten… und Fußball. Südöstlich der großen Kreuzung sind die Schulen mit vier Schulgebäuden für Kinder von 4-16 Jahren mit zwei großen Plätzen nackter Erde als Trainingsplatz für das lokale Fußballteam. Im Süden liegt die Klinik und von dort zurück zur Kirche liegen die Farmen, welche die Menschen versorgen, nur geteilt durch die Straßen, die vom Zentrum in die umliegenden Dörfer führen.
Was Kalba so wichtigmacht, ist nicht das, was man an der Oberfläche sieht. Es sind die Menschen und deren Leben. Es ist der Markt, auf dem sie kaufen und verkaufen, und dies mit einem Termin in der Krankenstation kombinieren, um den Tag bestmöglich zu nutzen. Es ist eine Außenstelle des Krankenhauses in Wa und ein Weg in eine bessere Ausbildung. Es ist ein Ort um zu arbeiten, um zu spielen, ein Platz des Schmerzes, des Glücks, ein Ort der Hoffnung und des Leids, des Lebens und des Todes. Es ist alles, was man kennt. Und es ist nichts, was man bisher erlebt hat.
All‘ das ist Kalba.