Wendezeit und Zeitenwende
"1987 im Osten geboren worden zu sein heißt: Ich war Kleinkind, als all die Erwachsenen ihre Arbeit verloren. Ich war Grundschüler, als ich erstmals bewusst die Ruinen einiger Gebäude im Ort wahrnahm, in denen mal der volkseigene Molkereibetrieb oder die kleine Schuhfabrik existiert hatten Es war völlig normal für mich, dass es in jedem Dorf einen Dorfkonsum gab, vor dem Gruppen mittelalter Männer standen und tranken bis Mann für Mann verschwand. Ich ging aufs Gymnasium als ich lernte, wohin sie verschwunden waren, was“death of despair" heißt, Tod aus Verzweiflung – durch Suizid, Alkohol, Drogen."
So beginnt unser Herausgeber und Autor Marius einen von zwei sehr persönlichen Texten im neuen transform Magazin, unserer Nummer 10. (Das du bereits vorbestellt hat. Danke, danke danke!) Er zeichnet den Weg von den 1990ern in die 2020er, von Butterfly-Messern zu AfD-Kubotans, von der Wendzeit zur Zeitenwende. Und endet mit der Erkenntnis: "Wer also die Ablehnung pluraler Gesellschaften und die unfreien Gesellschaftsentwürfe zurückdrängen will, muss dafür sorgen, dass die Voraussetzungen, Freiheiten zu nutzen, gerecht verteilt sind."
Selten, vielleicht nie, sind wir mit unserem Schwerpunktthema näher an der Gegenwart gewesen. Normalerweise versuchen wir ihr ein Stück voraus zu sein. Als wir vor uns vor einem Jahr noch reichlich abstrakt für "demokratische Kultur" als neuen Schwerpunkt entschieden haben, hatten wir nur ein vages Gefühl, dass etwas ziemlich kaputt ist in Art und Tonfall unserer Debatten, dass die Energie weg, die Luft raus ist.
Tja, die Gegenwart hat uns eingeholt, positiv wie negativ. Einerseits waren da die historischen Proteste von Millionen Menschen gegen die AfD. Andererseits hat diese Partei gerade bei drei Landtagswahlen abgeräumt, in Thüringen und Brandenburg sogar Sperrminoritäten in den neuen Landtagen erreicht. Und was uns am Ergebnis der Brandenburgwahl besonders sorgt: Nur bei den über 60-jährigen ist die AfD in Brandenburg nicht stärkste Kraft geworden, bei allen Jüngeren schon. Für die Zukunft ist das eine ganz schlechte Statistik.
Wie wenden wir den weiteren Aufstieg der Rechten ab, wie drehen wir ihn zurück? Unsere Antwort mit transform No 10: Indem wir Demokratiekritik nicht den Rechten überlassen, sondern uns selbst darin üben. Nicht um die Demokratie auszuhölen, sondern sie zu schützen und besser zu machen. Mit weniger Sparpolitik, Migrationsangst, Lobbies, mit mehr lokalen Räumen, Räten, Allianzen.
Der Titel unserer Jubiläumsausgabe: Demokratie ankratzen! Damit sie glänzt.
Damit wir das Magazin drucken könnten, brauchen wir weitere Vorbestellungen. Dank euch, haben wir bereits mehr als die Hälfte zusammen, 6.000 von 10.000 Euro, die wir für den Druck brauchen. Aber auch die Hälfte der Laufzeit der Kampagne ist erreicht. Ab jetzt, so unsere Erfahrung der letzten Jahre, wird es zäher. Die Vorbestellungen werden weniger, das Tal der Tränen tiefer.
Hilf uns heute, die Kampagne zu wuppen und den Druck möglich zu machen: Erzähle Freund und Feind von der neuen transform-Ausgabe!
Herzlichst,
Jonas von transform