Guten Abend,
ich frage mich, wie Sie in der Lage sein wollen, zum einen Transparenz anzubieten, und zum anderen opak sind, wenn Sie ihre Berechnungen nicht veroeffentlichen.
Desweiteren sind Sie ja sicherlich nicht in der Lage eine LCA von allen Produkten durchzufuehren, was aber die einzige Moeglichkeit waere, die Wahrheit ihrer Daten zu gewaehrleisten. Wie wollen Sie dann die CO2 Kosten der Produkte bestimmen?
Es klingt von der Idee ja sehr nett, aber wirkt so als wuerden Sie dann auch (besonders da sie nicht die Algorithmen offenlegen wollen) einfach Schaetzwerte nehmen - und folglich nicht mehr als zusammentragen, was andere versucht haben zu schaetzen (meist mehr schlecht als recht). Sie aeussern sich weder hier noch auf Ihrer Webseite dazu, was Sie wirklich machen - ich waere Ihnen sehr verbunden, wenn sie offen kommunizieren koennten, was ihr Geschaeftskonzept ist (da jeder sagen kann, das und jenes sind die wahren CO2-Kosten - bei jedem Produkt kursieren momentan viele sehr unterschiedliche Werte im Internet und statistischen Stellen).
Wie koennen Sie sich dann hinstellen und sagen, dass Ihre CO2-Daten dann der Wahrheit entsprechen?
Hochachtungsvoll
Hallo Herr Duesen,
vielen Dank für die Fragen. Diese sind recht Komplex und miteinander verzahnt.
Am besten fange ich bei den grundlegenden Daten an. Hierbei handelt es sich selbstverständlich um allgemeine Werte auf einem Produktgruppenniveau. Wir können natürlich nicht zig millionen Produkte sofort mit höchster Genauigkeit darstellen. Vorerst kann man nur ein generisches Produkt von Klasse A mit Klasse B vergleichen, bspw. Huhn mit Rind mit Apfel mit einer Busfahrt. Aber daraus lassen sich schon sehr viele Handlungsänderungen herbeiführen.
Damit kommen wir dazu, dass die genauen Daten schützenswerte Informationen von Unternehmen sind bei denen sie bisher wenig Interesse haben sie zu veröffentlichen, sonst gäbe es so etwas wie unsere Idee oder ähnliches bereits mit viel besseren Details. Wir "erfinden" hiermit im endeffekt einen neuen Markt. Es ist in etwa vergleichbar damit als die Etiketten mit Nährwerten herauskamen und es jetzt Kalorienreduzierte Produkte etc. gibt. Nur durch diesen "Markt" wird es für Unternehmen interessant, und durch die Vergleichsmöglichkeit sinnvoll, eine Angabe über einen CO2-Wert berechnen und veröffentlichen zu lassen.
Da sind wir bei der nächsten Schwierigkeit: Die Daten auf denen die Berechnungen beruhen sind für Unternehmen höchst schützenswert, so etwa wie das Geheimrezept eines Kochs. Wenn wir also als Bedingung für eine Berechnung die Veröffentlichung der Daten machen, dann wird dem kaum eine Firma zustimmen.
Kommen wir zum letzten Punkt, die Schwierigkeiten im Bereich LCA. Wenn wir darauf warten bis sich alle darauf geeinigt haben was wo der absolut genaue Wert ist könnten wir es an der Stelle abbrechen, denn irgendwer wird immer eine andere Meinung haben, vor allem bei den besagten millionen von Produkten. Die eine Wahrheit kann sich daher auch niemand auf die Fahne schreiben!
Wir haben langjährige Erfahrung im Bereich Kostenkalkulation und Technologieberatung und ein großes Netzwerk an Profis, die sich mit jedem Detail in den Produktionsketten auskennen, . Mit dem Wuppertal Institut haben wir einen der weltbesten wissenschaftlichen Partner aus dem Bereich der Umweltkalkulation. Daher trauen wir uns eine belastbare Aussage zu. Uns ist das Klima sehr wichtig und eine qualitative schlechte Kalkulation richtet mehr schaden an als sie hilft!
Man sieht also man wird bei dem Thema nicht mit 100% der Produkte und 100% Genauigkeit durchstarten können und es auch noch allen recht machen. Aller Anfang ist schwer und irgendwo muss auch irgendjemand anfangen. Im Moment ist die Genauigkeit und das Wissen über den genauen eigenen CO2-Fußabdruck bei nahezu 0%. Jedes bisschen Steigerung hilft hierbei. Stellen Sie sich vor sie müssten eine Buchhaltung machen die weder das eigene Bankkonto noch überhaupt einen einzigen Preis auf der Erde kennt. Da wären Sie doch froh über etwas das Ihnen zumindest eine Richtlinie geben kann!
Wir sind überzeugt wir haben eine Kombination die bisher einmalig in Deutschland, wenn nicht Weltweit, ist und scheuen diesen Anfang nicht.
Bitte bedenken Sie auch wir stehen noch relativ am Anfang des ganzen. Wie wir genau mit der Veröffentlichung von Informationen nachher umgehen ist noch sehr offen. Es ist ein sehr schmaler Grat zwischen zu wenig Information preis geben und damit das Vertrauen der User zu verlieren und zuviel preis zu geben und damit das Vertrauen der Firmen zu verlieren.
Ich hoffe ich konnte die Fragen einigermaßen beantworten oder zumindest bedenken ein wenig zu zersteuen damit wir das Thema später genauer angehen können!
Liebe Grüße,
Jonas Scheyrer
Hallo Herr Scheyrer, vielen Dank fuer die lange Antwort.
Ihren Aussagen entnehme ich, dass Sie Ihre Informationen von den Unternehmen teils selbst beziehen? Wie koennen Sie da sicherstellen, dass diese Ihnen wahrheitsgemaesse Daten liefern? Natuerlich haben alle Unternehmen Anreize sich selbst in ein besseres - sprich grueneres - Licht zu stellen! Es scheint sehr naiv von Ihnen anzunehmen, dass die Unternehmen Ihnen bereitwillig hohe CO2 Ausstoesse mitteilen - und fuer mich als potentiellen User daher noch schwerer den von Ihnen vermittelten Zahlen zu vertrauen (gerade ob Ihrer Opazitaet).
Desweiteren haben Sie leider keine Aussage bezueglich Ihrer Methodologie gemacht. Sie machen keine LCA oder doch? (Wenn man die Kosten von LCA bedenkt, schwer vorstellbar.)
Wenn Sie zumindest mitteilen, nach welcher Methodik Sie vorgehen, waere es fuer User zu gewissem Grade nachvollziehbar oder abschaetzbar, ob man den Zahlen vertrauen kann. Ein blosser Verweis auf Ihre Expertise, oder ein Netzwerk, oder eine Partnerschaft mit einem ThinkTank, ist hierfuer leider nicht hilfreich.
Ich waere Ihnen sehr verbunden, wenn Sie hierzu ein paar Informationen preisgeben, wenn Ihnen das Thema so am Herzen liegt, um das Vertrauen fuer potentielle User oder Investoren zu erhalten. Ansonsten befuerchtet man als User doch, dass da wieder jemand versucht mit den eigenen Aengsten und Sorgen um die Umwelt Profit zu machen (eine Tendenz, welche ja heutzutage sehr an den aus dem Boden spriessenden Angeboten der Kompensation ("Baeume pflanzen") zu ersehen ist).
Hochachtungsvoll!
Hallo Herr Duesen,
leider wurde ich nicht über Ihre Antwort informiert, daher bitte ich die verspätete Antwort zu entschuldigen.
Um Ihre Fragen zu beantworten: Wir bieten eine CO2-Berechnung der Produkt selbst an. Produktspezifische Daten werden nur dann in der App erscheinen wenn sie von uns selbst berechnet wurden. Wir würden nur die Aussage einer Firma über ihren Product Carbon Footprint nicht einfach vertrauen aus dem von Ihnen genannten Gründen. Wir müssen aber dabei natürlich mit den Unternehmen zusammenarbeiten da wir ihre Lieferketten nicht kennen können. Eine Berechnung wäre ohne die Zusammenarbeit des jeweiligen Unternehmen geraten und damit zum einen genau so falsch wie eine Angabe einfach zu übernehmen, außerdem würden wir uns dann für alle möglichen Klagen öffnen wenn wir Behauptungen über Produkte aufstellen. Allerdings durch unsere Expertise im Bereich Costing können wir Falschbehauptungen von Unternehmen recht schnell erkennen.
Was die Methodik angeht halten wir uns da an den gleichen Standard der sich in Branche der Berechnung durchgesetzt hat, dies ist vor allem die ISO 14040-44.
Als nähere Erläuterung zu der Systematik, sie ist an die MIPS Logik des Wuppertal Instituts angelehnt. Der Grundgedanke dabei ist, dass nach der Produktion der Schaden durch die Ressourcenentnahme (oder bei CO2 eben die Emission) zum Zeitpunkt der Produktion bereits geschehen ist. Wir berücksichtigen daher die Entsorgung nicht, sondern nur die Herstellung und die Nutzung. Es fliesst nur in so weit die Entsorgung rein wie z.B. Recyclingprodukt bei der Herstellung verwendet werden.
Das bedeutet zum Beispiel auch, dass selbst wenn ein Unternehmen Maßnahmen trifft um die CO2-Emission ihrer Produkte auszugleichen, z.B. durch das erwähnte Bäum pflanzen, würde dies die CO2-Bilanz des Produkte nicht weiter beeinflussen. Wir wollen immerhin erreichen das die Produktion grüner wird und nicht einfach nur mehr Kompensation betrieben wird.
Ich hoffe die Information hilf weiter. Wenn Sie noch mehr Fragen haben beantworte ich sie gerne, sagen Sie mir bescheid das ich es nicht nochmals übersehe.
Mit freundlichen Grüßen,
Jonas Scheyrer
Vielen Dank fuer die spaete Antwort.
Leider erschliesst sich mir Ihre Methodik noch nicht wirklich. Sie verweisen zum einen auf die ISO Standards bezueglich LCA Analysis, jedoch sagen Sie 3 Saetze weiter, dass sie Entsorgung nicht beruecksichtigen. Es ist doch gerade Teil der Life-Cycle-Analysis, dass die Entsorgung mit einbezogen wird. Daher widersprechen Sie sich da.
Ich persoenlich kenne MIPS nicht, es scheint auf den ersten Blick eine LCA-light Version zu sein (nicht falsch verstehen, dass meine ich positiv). Koennen Sie mir sagen, wie MIPS mit intermediate goods umgeht? Das Problem ist ja, dass (leider aus Statistikersicht) heutzutage der Grossteil der Wertschoepfungskette eines Produkts (und daher auch der CO2 Emissionen) nicht mehr innerhalb eines Unternehmens oder gar Landes stattfindet.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde das Thema hoechst relevant, und daher es einfach extrem wichtig, dass so eine App wie Sie vorhaben auch richtig umgesetzt wird. (Um ehrlich zu sein, ist es LAECHERLICH dass ein Staat wie Deutschland solch eine wichtige Aufgabe in die Haende von der Privatwirtschaft legt, welche letzten Endes natuerlich - wie von Ihnen selbst zugestanden - auf Profit aus ist. Ansonsten wuerden Sie ja auch open source machen... Einfach nur ignorantes Marktdenken vom Staat ohne die Anreize von Firmen verstanden zu haben)
Und sind wir ehrlich, bei tausenden von Produkten, von tausenden von Unternehmen, bei einem Flugzeug sogar Millionen von Kleinteilen, welche von unterschiedlichen Firmen hergestellt werden - ist Ihre Aussge dass durch Ihre Expertise im Bereich Costing sie Falschbehauptungen erkennen koennen entweder nicht wirklich durchdacht und ernst gemeint, oder mehr ein Marketingspruch ;)
Leider gibt es im Moment auf der Welt keinen einzigen Oekonometriker, Professor, oder aehnliches, der auch nur annaehernd dieses Wissen besitzt.
Zum Abschluss noch eine Frage: Wie stellen Sie sicher, dass die Gesamtheit der von Ihnen kalkulierten CO2 Emissionen dem Total der deutschen CO2 Emissionen entspricht?
Ich bin gespannt wann ihre App herauskommt, und ob Sie da an die 10 Tonnen pro Kopf CO2 Konsum der Deutschen herankommen ;))
Mit freundlichen Gruessen!
Hallo Herr Duesen,
freut mich das sie meinem Beitrag doch noch gesehen haben.
Die ISO 14040 sagt recht eindeutig das man sein Ziel und dazugehörigen Untersuchungsrahmen sowie passende Systemgrenzen selbst definieren muss. Es macht ja wenig Sinn, wenn ich eine sehr spezielle Fragestellung habe wie z.B. "wie könnte ich meine Logistik verbessern" anzufangen in die Rechnung die Verbrennung von Müll mit einzukalkulieren... Ja eine voll umfängliche Ökobilanz wäre mit Entsorgung, das bedeutet aber nicht, dass wenn man diese weglässt, dass es dann nicht mehr gemäß der Methodik ist.
Und Müll ist nunmal sehr problematisch! Es wäre für die CO2 Bilanz sehr viel besser ich schmeisse die Plastikflasche ins Meer oder in den Wald als sie verbrennen oder einzuschmelzen und wiederzuverwenden. Wie berechne ich mit ein, dass man E-Autobatterien bisher schlicht nicht recyclen KANN sondern eigentlich nur endlagern? Wir belohnen ja Unternehmen die Recyclingmaterial als Input verwenden durch den Input. Wenn jeder z.B. nur Primärressourcen verwendet sein Produkt aber THEORETISCH recyclebar ist, diese Ressource aber niemand verwendet, was bringt uns das?
MIPS kann man sich verkürzt vorstellen wie die Berechnung der Verbrauchs um überhaupt den Input zu haben für Produkte. LCA dagegen ist was durch den Input hinten an schäden rauskommt. Vereinfachtes Beispiel: 1 kg Stück Holz zu Fuss aus dem Wald hat LCA 0 Einfluss, MIPS aber 1 Kilo. Sagen es ist 100% Kohlenstoff und wir zum verbennen braucht man 2 Kilo O2. Dann hätte es nach dem Verbrennen 3 KG CO2 als Einfluss auf den LCA und 3 Kilo (davon 1 Kohlenstoff und 2 Sauerstoff) Einfluss auf MIPS.
Zum Staat: Ich wünschte ich könnte einfach Angestellter in einer Firma sein der Ökobilanzen macht weil das vom Staat für jedes Produkt, genau so wie die Nährwerttabelle, gefordert wird. Aber nein, damit Verbraucher an Infos kommen, um die Welt nicht ausversehen zu zerstören, muss man das schon selbst machen!
Zum Thema Falschbehauptung:
Natürlich gibt es nicht die EINE Person die das alles weiss. Aber in der Summe über unser Netzwerk würde ich bei sehr vielen Sektoren sagen, dass wir wirklich eklatante Falschbehauptungen entdecken würden. Wenn Teile ein deutlich falsches Gewicht haben, man den Herstellungsprozess und Ort kennt und dann steht "aus Indien" aber fast 0 CO2-Equivalent und solche Sachen dann fällt das sehr schnell auf. Ich kenne Kalkulatoren, die nehmen ein komplexes Teil in die Hand, schätzen "etwa 120 €" dann berechnen sie es ganz genau über einen Tag und kommen auf 116,32€. Wenn bei einem Flugzeug ein paar hundert Schrauben fehlen mag das nicht auffallen, das macht in der Bilanz aber auch so wenig aus, dass es irrelevant ist. Wenn bei ein paar Teilen ein bisschen das Gewicht abweicht genau so. Ich wüsste also nicht wo Firmen uns anlügen könnten ohne dass es eben recht schnell bei einen Überprüfung nicht auffällt.
Zur Abschluss frage: Ich könnte die Gegendfrage stellen, wie sicher sind Sie das das mit den 10 Tonnen stimmt und nicht unsere Berechnung? (Würde mich aber wundern wenn das passiert). Wenn wir bei 5 oder 20 Tonnen rauskommen bei Beispielrechnung für durchschnittlichen Verbrauch müssten wir eben mal nachschauen woher der Fehler kommt. Aber wir werden natürlich das Tool Test, hatten hier ja auch einen Perk z.B. für sowas. Das werden wir vermutlich mit Studien und anderen Rechner vergleichen, wenn wir ein solches Profil erstellen, wo landen wir, macht das Sinn, wo könnten Fehler sein etc.
Lieben Gruss,
Jonas Scheyrer