Unser erster Drehtag - Wie eine kuriose Kreuzfahrtgesellschaft zum Eisbrecher wurde
Es ist ein lauer Sommerabend, in den hippen Bars um die Plaza Francia entspannen sich die Porteños (die Bewohner von Buenos Aires) vom Arbeitstag. Doch wir sind ganz und gar nicht in Feierabendstimmung. Wir haben das Gefühl, es steht einer der wichtigsten Momente unseres Projekts bevor: die Begegnung mit Catalina. Wir kennen ihr Gesicht von einem Video der "Großmütter der Plaza de Mayo" - sie erzählt darin zum ersten Mal öffentlich etwas über ihre Geschichte, wirkt matt und mitgenommen.
Die Catalina, die schließlich auf uns zukommt, erscheint uns ganz anders: eine junge Frau mit neugierigem Blick, Sommerbräune, einer bunten Kette um den Hals. Sie möchte im hinteren Teil des Cafés Platz nehmen, wo wenig Trubel herrscht: Menschen an Nebentischen sollen nicht unbedingt von unserer Unterhaltung mitbekommen. Anfangs betont sie, dass ihre Kräfte so kurz vor dem Gerichtsprozess schwanken - dass sie nicht weiß, wie weit sie mit uns gehen kann. Je länger wir zuhören, desto tiefer geht Catalina darauf ein.
Wir erfahren, wie schockierend sie es empfand, als sie ihrem Ziehvater unvermittelt auf der Straße begegnete. Vor dem Prozess wurde er unter Hausarrest gestellt, Catalina fühlte sich eigentlich "sicher" vor ihm. Wir erfahren, was für Catalina ein wichtiger Teil ihres "neuen" Lebens ist: zusammen mit den Großmüttern der Plaza de Mayo aufzuklären und dafür zu kämpfen, dass sich noch mehr verschwundene Enkel ihrer Geschichte stellen. Nur einen Tag nach unserem Treffen finden wir eine Einladung in unserem Mail-Postfach. Catalina wird mit einigen Großmüttern vor einer japanischen Delegation sprechen. Ob wir mit der Kamera dabei sein wollen?
Ein japanisches Spektakel, das verbindet
So brechen wir wenig später zu unserem ersten "richtigen" Drehtag auf. Wir sind gespannt auf das rätselhafte "Peace Boat", mit dem die japanische Reisegruppe in Buenos Aires Station macht - und gespannt auf die Großmütter der Plaza de Mayo, die wir an diesem Tag zum ersten Mal in versammelter Runde erleben würden. Der Schauplatz scheint uns ideal, um Aufnahmen für ein paar geschichtliche Hintergründe mitzunehmen: das Gelände der ehemaligen Militärschule "Escuela Superior de Mecánica de la Armada" (ESMA). Während der Diktatur war hier das größte geheime Folterzentrum des Landes untergebracht, viele der geraubten Kinder kamen dort zur Welt. Inzwischen ist die ESMA eine Gedenkstätte, in der zahlreiche Menschenrechtsorganisationen Raum gefunden haben.
Atemberaubendes Drehmaterial für den Film bringen wir an diesem Tag nicht in den Kasten. Die Delegation des japanischen "Peace Boat" entpuppt sich als kuriose Kreuzfahrtgesellschaft, die nicht nur zu den gewöhnlichen Sehenswürdigkeiten geschleust wird, sondern auch zu sozialen oder ökologischen Projekten. Und so sind unsere Aufnahmen dieses Spektakels durchzogen von der durchdringenden Stimme der japanischen Übersetzerin und vom Klicken der Fotokameras. Auch Catalina und die Großmütter sind offensichtlich überrascht, wo sie da hinein geraten sind.
Am Ende des Tages klingeln uns die Ohren von japanischem Stimmengewirr. Und das gedrehte Material können wir wohl allenfalls fürs Making Of unseres Films verwenden. Aber gerade weil er so skurril war, wird dieser Drehtag ein entscheidendes Erlebnis mit Catalina. Beim nächsten Telefonat mit ihr ist die Peace Boat-Aktion Gesprächsthema Nummer eins. Und auch später kommen wir mit Catalina immer wieder auf die Klischees zurück, die wir an diesem Tag erlebt haben. Eins steht fest: Die Japaner haben das Eis gebrochen!