Vom glücklichen Zufall einer Autopanne
Wir sitzen in einem kleinen weißen Ford Fiesta und verlassen Buenos Aires in südlicher Richtung. Unsere Freundin Magna hat uns ihr Auto nahezu für unseren gesamten Aufenthalt in Buenos Aires geliehen - schon in der Stadt eine enorme Erleichterung, mit dem schweren und sperrigen Filmequipment nicht auf die überfüllte Metro und stickige Busse angewiesen zu sein. Jetzt soll uns der kleine Flitzer zu Hilario bringen.
Wir wissen nicht viel über ihn. Lediglich, dass der Prozess gegen seine Zieheltern in wenigen Tagen eröffnet werden soll und seine Haltung gegensätzlich zu der von Catalina und den meisten anderen wiedergefundenen Enkeln ist. Auch, dass er den Kontakt zu Journalisten bisher fast gänzlich verweigert hat.
Aber da wir das Gefühl haben, dass seine Perspektive für unseren Film wichtig ist, sind wir fest entschlossen, ihn für unseren Film zu gewinnen. Deshalb machen wir uns auf den Weg in das Dorf, in dem Hilario angeblich leben soll: In einer Gegend an der argentinischen Küste, mehr als 400 Kilometer südlich von Buenos Aires entfernt.
Fastfood und Feiern zu Recherchezwecken
Der Asphalt auf der Ruta Nacional 2 flimmert in der Hitze. Mit unserer Kamerafrau Aline überlegen wir, wie wir uns zu Hilario durchfragen könnten. Auf einmal leuchtet das Batteriezeichen am Armaturenbrett auf. Das ignorieren wir zunächst - bis etwa 20 Kilometer vor dem Ort, an den wir wollen, der Motor ausgeht.
Glücklicherweise bleiben wir genau am Eingang eines Küstendorfes liegen. Schnell eilen Bewohner herbei und helfen uns. Von ihnen erfahren wir, dass wir unserem Ziel bereits näher sind, als wir vermutet hatten: Hilario wohnt nämlich hier!
In den kommenden Tagen lernen wir das halbe Dorf kennen, tanzen bis in die Morgenstunden auf einem Dorffest, zu dem Hilario angeblich kommen soll, finden seine Adresse heraus, hinterlassen ihm Nachrichten am Gartenzaun und essen immer wieder Fastfood bei seinem Kumpel Bucky, der einen Imbiss am Strand betreibt und uns unbedingt helfen möchte - aber wir hören und sehen nichts von Hilario. Von einem der Dorfbewohner kommt schließlich die Nachricht, dass Hilario nun zu Hause sei.
Nur wenig später sitzen wir im Garten von Hilario, der immer wieder grinsend den Kopf darüber schüttelt, dass drei junge deutsche Filmemacherinnen seit mehreren Tagen im Dorf unterwegs sind, um ihn zu finden. Wir erklären ihm, dass wir die Geschichte der geraubten Kinder in unserem Film nur dann wirklich erzählen können, wenn unterschiedliche Wahrheiten und Perspektiven darin vorkommen. Wir haben schnell das Gefühl, dass er nicht abgeneigt ist, mit uns zu drehen und sind uns sicher, dass er für unseren Film eine große Bereicherung werden wird!