Lost And Found
TEXT VON THORSTEN (E-Gitarre)
Als ich an einem Sonntagabend im August das erste Mal die drei Aufnahmeräume zu Gesicht bekomme, ist nur eins von vielen Feinheiten der detaillierten Arbeit ein sehr ästhetisches: auf dem Boden unter Snare und Hihat liegen dunkelblaue Teller verschiedener Größe falsch herum auf dem Boden. Wieso das? Ich lerne, dass der Teppich in dem riesigen Zimmer vor allem die hohen Frequenzen dämpft, und das Geschirr wegen der Reflexionen die Snare besser klingen lässt.
Aber auch meine Gitarrenampsounds geht Julian mit mir ähnlich gründlich an. Den eingespielten Test hören wir gleich vierfach ab: denn vor dem Amp standen vier verschiedene Mikrofone. Nun ermitteln wir per Blindtest, welches in unseren Ohren am besten klingt. Vieles hören wir gleich, manche Nuance verschieden. Am Ende aber sind wir uns einig, welches Mikrofon es morgen bei der Aufnahme richten soll.
Am Montagmorgen zeigt die Sonne gerade ihre ersten Strahlen durch die Bäume, als Julian die Kaffeemaschine befüllt, Gesa im Garten frische Beeren für das Müsli sammelt, während wir anderen den Tisch decken.
Eins von vielen Ritualen, die die anderen vier (Gesa, Julian, Christoph und Massimo) seit einer Woche pflegen, in der sie schon fast alle Takes von Schlagzeug und Bass aufgenommen haben. Nun bin ich für drei Songs mit dabei und darf daran teilhaben.
Nach dem Frühstück das nächste Ritual: kurz das Radio an, und der eine Pop-Song den wir hören, wird dann mit seinen Stärken und Schwächen auf dem Weg zum Aufnahmeort diskutiert. Dort wird gleich beim ersten gemeinsamen Anspielen klar: ich komme in ein eingespieltes Team hinein, das einen eigenen Groove entwickelt hat.
Das Tagesritual sieht dann eine Mittagspause gegen zwei vor, 20 Minuten Ruhezeit nach dem Essen ist ein weiteres. (Die Schokoladenvorlieben zwischendurch lasse ich mal weg.)
Irgendwann gegen acht haben wir dann nach gut neun Stunden Proben- und Aufnahmearbeit für zwei weitere Songs Schlagzeug, Bass und Gitarre im Kasten. Zeit für die Abendrituale: als Abschluss eine Runde Hacky-Sack auf dem Rasen, bei der die letzten Sonnenstrahlen auf der gegenüberliegenden Straßenseite langsam versinken.
Etwas geschafft, aber glücklich über die erfolgreichen Aufnahmen, sehe ich Gesa zwei Wochen nach meiner kurzen Beteiligung in anderem Ambiente auf einem Gartenfest im Brandenburgischen wieder. Wir stehen zusammen auf der Bühne. Nach einem Bad im See singt Gesa erst Solo aus dem neuen Album (Spannend für mich, zwei E-Gitarrenparts aus dem Studio dazu einzustreuen.) Dann kommt die Band „airtime“ mit dazu. (Gesa hat bis vor 1 ½ Jahren bei uns gesungen, bevor es sie erst beruflich in den Süden, und nun musikalisch in den Norden gezogen hat.) Eine Frage beantwortet sich dabei von selbst: die Musik geht ab - einige Vorjahresplatten gehen über den Tresen und das Interesse an der neuen Scheibe ist groß.
Schade, dass Ihr nicht dabei wart!