Die Autoren stellen sich vor! Heute: Dr. Frank Sowa
Dr. Frank Sowa ist Soziologe und promovierte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In seiner Dissertation untersuchte er die Durchsetzung des ökologischen Diskurses in einer postkolonialen Gesellschaft am Beispiel der grönländischen Inuit. Derzeit arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie als Lehrbeauftragter an der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm in Nürnberg und an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen. Seine Forschungsinteressen umfassen Kultursoziologie, kulturelle Identitätskonstruktionen in der Weltgesellschaft und qualitative Arbeitsverwaltungsforschung. Zu seinen aktuellen Veröffentlichungen zählen »Kalaalimernit: the Greenlandic taste of local foods in a globalised world« in der Zeitschrift Polar Record 51: 3, (2015); »Indigene Völker in der Weltgesellschaft. Die kulturelle Identität der grönländischen Inuit im Spannungsfeld von Natur und Kultur« (2014) und »Die Konstruktion von Indigenität am Beispiel des Internationalen Walfanges: Grönländische und japanische Walfänger im Streben nach Anerkennung«, Anthropos 108: 2 (2013).
Fragen an den Autor:
Woher kommt dein Interesse für Grönland?
Tja, das ist eine recht lange Geschichte. Ich hatte während meines Auslandssemesters in Aberdeen eine soziologische Vorlesung bei Mark Nuttall, einem arktischen Sozialwissenschaftler, der Ende der 1990er Jahren in Aberdeen lehrte. Er stellte damals in einer Sitzung die kulturellen Dimensionen von Globalisierungsprozessen am Beispiel der grönländischen Inuit dar, zeigte Dias von seinen Feldforschungen. Grönländer in Outdoorklamotten mit Schneemobil in einer schneebedeckten Landschaft. Das begeisterte mich so sehr, dass ich entschied, meine Magisterarbeit zu diesem Themengebiet zu schreiben. Daher ging ich an die grönländische Universität Ilisimatusarfik nach Nuuk, wo ich ein paar Monate im Studentenmilieu lebte. Es war eine sehr eindrucksvolle, intensive Zeit für mich. Die Begeisterung für Grönland blieb auch nach meinem Studium, so dass ich während der Promotion noch zweimal nach Grönland reiste. Spannend war für mich, ein wenig Licht auf eine paradoxe Situation zu werfen: Einerseits sind Grönländer als indigenes Volk anerkannt und indigene Völker nehmen ja im ökologischen Diskurs einen Sonderstatus ein. Ihnen wird zugeschrieben, dass sie einen ressourcenschonenden Umgang praktizieren, in Harmonie-mit-der-Natur-leben wenn man so will. Und andererseits gerät gerade diese Respektkultur eines indigenen Volkes in Konflikt mit dem globalen Umweltschutzregime, da von westlichen Naturwissenschaftlern und Umweltschutzaktivisten die mit der Jagd verbundene Lebensweise als Ursache für den wissenschaftlich festgestellten Rückgang einiger Tierarten in Grönland verantwortlich gemacht wird. Es ging mitunter in meiner Doktorarbeit um die Rekonstruktion dieser Fremd- und Selbstbilder, die in der heutigen Zeit nur vor dem Hintergrund einer globalen Weltgesellschaft, die beispielsweise die Kategorie der ‚indigenen Völker‘ ins Leben gerufen hat, nachvollziehbar sind.
Welche Forschungsergebnisse stellst Du in dem Grönlandbuch vor?
Das grönländische Fallbeispiel des Studentenmilieus in der Hauptstadt Nuuk verdeutlicht, wie junge, sehr gut qualifizierte Grönländerinnen und Grönländer mit dem Identifikationsangebot einer grönländischen Kollektividentität umgehen. In einer modernen, ausdifferenzierten grönländischen Gesellschaft sind sie Vertreter der grönländischen Elite aus dem urbanen Nuuk, die nur noch selten eigene Jagderfahrungen erleben, dafür als Studierende über Auslandserfahrungen verfügen und als junge Erwachsene im Studentenwohnheimen leben, lernen und feiern. Die Analyse der qualitativen Interviews zeigt, dass sie sich von der ›alten‹ grönländischen Kultur und Tradition emanzipieren, für sich selbst eine Anerkennung als Grönländer fordern, ohne dass sie Grönländisch sprechen oder selbst auf die Jagd gehen. Die Identitätskonstruktionen im grönländischen Studentenmilieu zeigen, dass sich junge Studierende für eine Re-Definition der grönländischen Kollektividentität einsetzen und ein alternatives Identitätsangebot einfordern.
Warum würdest Du jemandem den Sammelband empfehlen?
Der Band vereinigt erstmals die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das heutige Grönland für ein deutschsprachiges Publikum. Im Gegensatz zu früheren Forschungen über Grönland, wird das Schreiben über Grönländerinnen und Grönländer nicht ausschließlich von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem »Westen« vollzogen. Vielmehr kommen auch grönländische Forschende selbst zu Wort. In ihren Beiträgen stellen die Autorinnen und Autoren ihre Forschungen über das gegenwärtige Grönland dar und fokussieren sich dabei auf den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Dabei ist zu fragen, was im Leben der grönländischen Inuit beständig ist und was Re-Interpretationen und Veränderungen unterworfen ist. Zur Beantwortung dieser Fragen werden ganz unterschiedliche Themenfelder berücksichtigt und aufeinander bezogen. Der Sammelband bietet somit eine gute Möglichkeit, das heutige Grönland kennenzulernen!
So ist der Autor zu erreichen:
http://frank-sowa.de/