#unFAQ2 - Die Erfindung des 5 Euro Shirts
Es mag überraschend klingen, aber es gab nicht schon immer T-Shirts zum Preis eines Soja Latte Macciatos. Doch seit wann ist das so? Und warum?
In den letzten 40 Jahren wurde die Textilindustrie umstrukturiert – und zwar komplett. In einem Ausmaß und einem Tempo, das nur schwer zu begreifen ist. Beginnend in den 1960ern und dann vor allem in den 1970ern wurden arbeitsintensive Produktionen, allen voran die Textilindustrie, ausgelagert in die Länder, die wir als “Billiglohnländer” kennen. Die Textilindustrie eignete sich dafür besonders gut: Einerseits ist sie die arbeitsintensivste Industrie überhaupt – in keinem anderen Bereich (außer der Landwirtschaft) wird so viel menschliche Arbeitskraft benötigt wie beim Fertigen von Kleidung. Andererseits ist sie wenig “kapitalintensiv”, soll heißen man benötigt eigentlich nur die relativ günstigen Nähmaschinen und keinerlei Technologie.
Race to the bottom
Es ist diese “Mobilität”, die der Textilindustrie ermöglicht, immer und immer günstiger zu produzieren und die es den Produktionsländern, die dringend auf die Arbeitsplätze angewiesen sind, fast unmöglich macht, bessere Bedingungen zu verhandeln. Als in China langsam Widerstand gegen diese Art der Ausbeutung erwachsen ist und die Löhne ein kleines bisschen gestiegen sind, sind die Firmen schwups - nach Bangladesh! Als sich nach dem Einsturz der Fabrik Rana Plaza die weltweite Aufmerksamkeit auf Bangladesh gerichtet hat und dort minimale Verbesserungen für die ArbeiterInnen erzielt werden konnten, setzte der große Umzug in das nahezu unreglementierte Myanmar ein.
Die totale Flexibilität
Diese Auslagerung, die “Globalisierung der Produktion”, ist aber nur ein (zugegeben zentraler) Teil dieser totalen Umstrukturierung, denn es geht nicht nur um die billigen Löhne oder die niedrigeren Umwelt- und ArbeitnehmerInnenstandards. Es geht vor allem um das Zauberwort: Flexibilität! Denn nur ein Bruchteil der Modeunternehmen, die ihren Sitz in den USA, Schweden, Irland oder Deutschland haben, bauen tatsächlich eine Werkstatt in Sri Lanka, China oder Bangladesch, um dort zu günstigen Löhnen ihre Kleidung produzieren zu lassen. Wäre das der Fall, könnte man die Unternehmen sehr viel leichter dazu bringen, bestimmte Standards einzuhalten und bessere Löhne zu zahlen. Stattdessen vergeben die Unternehmen aber Aufträge an lokale UnternehmerInnen – und zwar an den- und diejenigen der ihnen das günstigste Angebot macht. Diese Unternehmen lassen die in Auftrag gegebenen Kleidungsstücke dann entweder in ihrer Fabrik produzieren oder vergeben den Auftrag selbst wiederum weiter an noch kleinere Werkstätten oder ArbeiterInnen, die von zu Hause aus arbeiten. Natürlich wieder an den- oder diejenige, die es zum niedrigsten Preis macht. So sind die Modeunternehmen maximal flexibel: Sie schauen, wer ihnen das beste Angebot für Jeans macht, wo sie am billigsten Strickpullover herbekommen und wo die günstigsten T-Shirts. Sie gehen dabei keinerlei Verpflichtungen ein: Sie haben selbst keine Näherinnen angestellt, deren Rechte sie wahren müssten, keine Investitionen getätigt, die sich rechnen sollen. Und: Wie und wo ihre Kleidung dann letztendlich produziert wird, können – und wollen – die Konzerne dann letztlich oft gar nicht mehr wissen.