Ein Blick ins Buch
Da ihr sicher neugierig seid, was bei Liselotte so passieren wird, hier zwei Fragmente aus dem Buch:
Peer und Mats rennen zum Gewächshaus. Als sie die Tür öffnen, kommt ihnen die warme, feuchte Luft entgegen. Sie treten ein. Hier ist es viel dunkler als draußen. Es gibt so viele Pflanzen, sie können gar nicht mehr rausschauen.
Sie gucken nach links, nach rechts und nach oben. Überall grüne Blätter, bis unters Dach. Und Tomaten. Ein Paradies voller Tomaten in rot, gelb, lila und orange. Mats und Peer sehen runde, knubbelige, ovale und längliche Früchte. „Puh, ist das heiß hier“, sagt Peer.
„Ja, wie im Dschungel.“
„Pass bloß auf, gleich kommt ein Puma! GGGRRRRR!“, albert Peer herum und formt die Hände zu Krallen. Die beiden fangen an zu lachen, da hören sie plötzlich ein Rascheln hinter den Pflanzen. Sie erschrecken sich. Etwas faucht an der Tür und dann sehen sie wildes rotes Haar.
„WWWWUUAAA!“ Jemand springt ins Gewächshaus hinein, um sie dann fest in die Arme zu nehmen. Es ist Liselotte, die sich mal wieder einen Spaß mit den Jungs erlaubt hat.
„Ach, du bist’s nur Liselotte“, ruft Mats erleichtert und lacht los.
Ob wohl jemand gemerkt hat, dass er kurz ein bisschen Schiss hatte?
Gemeinsam schauen sie sich um.
„Liselotte, was hast du bloß mit diesen ganzen Tomaten vor? So viele kannst du doch gar nicht essen!“
„Ach, Tomaten gehen immer“, sagt Liselotte „davon kann man gar nicht genug haben. Ich esse sie zum Beispiel als Salat, auf Brot, auf Pizza, zum Ei, als Spaghetti-Soße, als Suppe oder Ketchup.“
„Ohhh, Ketchup! Den mag ich auch“, sagt Mats.
„Na dann machen wir doch welchen“, schlägt Liselotte vor. „In welcher Farbe möchtest du ihn? Orange, grün, lila oder rot?“.
„Grün!“, rufen Mats und Peer im Chor. Da sind sie sich mal einig.
„Na gut, schaut mal her. Ich habe eine Sorte Tomaten, die grün bleibt, auch wenn die Früchte schon reif sind. Ihr sammelt einen großen Korb nur mit diesen Tomaten und ich fahre inzwischen schnell mit dem Rad ins Dorf, um noch Zucker und Essig zu kaufen. Das brauchen wir nämlich, um Ketchup zu kochen.“
Die Jungs beginnen, die grünen Tomaten von den kleinen Ästen abzusammeln. Liselotte steigt aus dem Gewächshaus und geht zum Schuppen, um ihr Fahrrad zu holen. Sie blickt nach oben. Die Wolken im Himmel sind schwer und grau geworden. Natürlich fängt es gleich wieder an zu regnen. Das ist immer so, wenn Liselotte mit dem Fahrrad fährt. Manchmal kommt der Regen wie bei anderen von oben, aber hier kommt er meistens von der Seite.
‚Naja, was soll´s‘, denkt sie, ‚ich bin ja nicht aus Zucker‘. Sie wirft sich noch schnell ihre gelbe Regenjacke über und radelt los, dem Wind und dem Regen entgegen, in Richtung Dorf.
Als sie zurückkommt, warten die Jungs schon mit einem großen Korb voller Tomaten auf sie. Auch Lene ist inzwischen da und füttert die Hühner mit dem Rest ihres Pausenbrots.
„Was habt ihr vor?“, fragt sie neugierig.
„Wir machen Ketchup.“
„Oh, lecker. Ich komm gleich nach. Ich möchte nur noch gucken, ob es Eier in den Nestern gibt.“
„Kein Problem“, sagt Liselotte und geht mit Mats und Peer schon vor in ihre gemütliche Küche.
Lene geht hinüber zum Hühnerstall und sammelt vorsichtig die Eier. Jedes Huhn hat ein kuscheliges Nest aus Heu. Ein paar Eier sind noch ganz warm, als Lene sie herausnimmt und in den Korb legt. Bevor sie den Stall verlässt, steckt sie ihrem Lieblingshuhn Josefine noch was Leckeres zu.
Sie schlendert durch den Garten in Richtung Haus und schaut dabei zufällig über den Gartenzaun. Sie bleibt stehen, denn dort hinten in der Ferne hat sie etwas entdeckt.
„Liselotte, Liselotte!“, ruft sie laut, „Komm schnell her, ich glaube du bekommst wieder Besuch!“
Liselotte und die Jungs eilen in den Garten. Alle vier stehen sie nun wie die Hühner auf der Stange vor dem Gartenzaun und schauen in die Ferne. Ja tatsächlich, da ist jemand auf dem Weg zu ihr.
„Wer kann das sein, Liselotte?“, fragt Lene aufgeregt.
„Hmm, ich glaube, es ist ein Mann“, sagt Peer.
„Ja, das glaube ich auch“, murmelt Liselotte nachdenklich zurück und guckt weiter über die flachen Wiesen Nordfrieslands, die so flach sind, dass Liselotte und die Kinder heute schon sehen können, wer morgen zu Besuch kommt.
Dann plötzlich hat sie den Mann erkannt und freut sich laut: „Nein! Das kann doch nicht sein. Er hätte doch anrufen können!“
Sie lacht los: „Ein Glück, dass wir hier heute schon sehen können, wer morgen zu Besuch kommt!“
„Wer ist es denn, Liselotte. Erzähl doch mal!“
„Wenn ich mich nicht irre, ist es ein alter Freund aus Chile. Chile ist ein ganz langes Land in Südamerika, in dem ich mal vor langer Zeit gelebt habe“, beginnt Liselotte zu erzählen.
„Und wie heißt er?“, fragt Lene.
„Er heißt Nahuel Pangi. Er ist ein Mapuche Indianer.“
[Ein paar Seiten weiter. Nahuel ist inzwischen angekommen und die beiden erzählen den Kindern, was sie damals in Chile erlebt haben. Dabei verlassen sie in Gedanken das Haus und reisen nach Chile.
Sie befinden sich in einer Ruka, in der Nahuel mit seiner Familie lebt…]
„Komm Lisa Lotta, wir zeigen dir unseren Schmuck und unsere Kleider“, luden mich Lihuen und Aneley ein und wir setzten uns ans Feuer, um sie zu betrachten.
Doch plötzlich hörten wir ein tiefes Dröhnen. Alles um uns herum fing an zu zittern und zu vibrieren. Sogar der Boden unter meinen Füßen wackelte.
„Was ist das?“, fragte ich mich und dachte zuerst an einen Zug oder schweren Lastwagen, der vorbeifährt. Doch dann fiel mir ein, dass wir am Rande eines kleinen Dorfes waren, es gab keine Züge, keine großen Straßen.
Dann muss es ein Erdbeben sein!!
„Lisa Lotta, Lisa Lotta, raus mit dir!“, hörte ich zwischen dem Getöse. Ich schaute mich um. Ich war allein. Nahuel war schon mit seiner Familie aus der Tür, um sich in Sicherheit zu bringen.
Aber ich war so erschrocken und blieb einfach sitzen.
Das Erdbeben war schnell vorbei und Nahuel kam wieder zurück in die Ruka.
„Liselotte, wenn es anfängt zu wackeln und wir in einem Haus sind, müssen wir es schnell verlassen, damit uns nichts auf den Kopf fällt. Zum Glück ist nichts passiert.“
„Wieso bebt denn die Erde in Chile überhaupt?“, fragte ich Nahuel.
„Die Mapuche erzählen sich, es sei Trentren-Vilu, der manchmal aufwacht und sich schüttelt“.
„Trentren-Vilu, wer ist denn das?“, wunderte ich mich und Nahuel erzählte mir eine Geschichte.
Die zwei Schlangenwesen
„Vor langer, langer Zeit schickten unsere Götter zwei riesig große schlangenartige Wesen auf die Welt hinab. Trentren-Vilu war Beschützer der Erde mit seinen Menschen und Tieren. Caicai-Vilu, das andere Wesen lebte im Meer und beschütze dort die Pflanzen und Meerestiere. Doch die Menschen aus Trentren-Vilus Reich behandelten das Meer nicht gut. Sie waren undankbar für den Fisch, den sie fingen, die Abkühlung, die das Meer ihnen im Sommer schenkte. Weder die Perlen, noch die schönsten Muscheln und Seesterne ehrten sie. Stattdessen warfen sie ihren Abfall hinein und nahmen sich mehr als sie sollten. Das verärgerte Caicai-Vilu so sehr, dass er Sturmfluten, ja richtige Tsunamis provozierte, um das Erdreich von Trentren-Vilu zu überschwemmen. Dieser musste die Tiere und Menschen auf der Erde beschützen und ließ so die Berge wachsen und brachte so viele wie nur möglich auf seinem Rücken in die sicheren Höhen. Einige von ihnen verwandelte er in Vögel, damit sie den Fluten entkommen konnten, Tiere und Menschen, die schon vom Wasser ergriffen wurden, rettete Trentren-Vilu vor dem Ertrinken, indem er sie in Meerestiere und wunderschöne Steine verwandelte. Trentren-Vilu konnte das Leid, das Caicai-Vilu seinen Schützlingen antat, nicht ertragen und verteidigte sein Land. Über viele, viele Jahre kämpften die beiden Schlangenwesen und erschufen dabei ein einzigartiges Land, das wir heute Chile nennen…
Ich war begeistert von der Geschichte und bat Nahuel, mir doch dieses Chile und die Wunder der Mutternatur zu zeigen.
Nahuel hatte sowieso gerade Schulferien und fand das eine großartige Idee.
„Super“, sagte er, „wir müssen dann allerdings noch zwei Rucksäcke packen und feste Wanderstiefel anziehen. Du kannst was von uns leihen, wir haben genug.“