Zurück in Deutschland / Endspurt der Kampagne
Liebe Freunde, liebe „Mach dir ein Bild“-Wegbegleiter,
ich bin wieder zurück in Deutschland und wir brauchen jetzt dringend eure Hilfe.
Viel Arbeit liegt hinter mir und all den Helfern von „Mach dir ein Bild“. Wir schaffen den Rest des Weges nicht ohne euch!
Die Zeit in Rwanda war großartig, überwältigend, traurig, spannend und wunderschön.
Es fällt mir sehr schwer mal eben kurz zu beschreiben, was ich in den letzten drei Monaten erlebt habe. Von Afrika lernen war mein eigenes Ziel. Mit zurück nach Deutschland habe ich einen Rucksack voll Erfahrungen gebracht, die es mir ermöglichen, das Land Rwanda und seine Bewohner nun besser zu kennen. Ich möchte euch nun von Herzen daran teilhaben lassen.
Vor 20 Jahren erlebte Rwanda den schrecklichen Genozid. Sehr viel hat sich seither verändert, sehr viel wurde aufgearbeitet, Rwanda ist eines der sich am schnellsten entwickelnden Ländern Afrikas.
Ziel des Projektes von „Mach dir ein Bild“ war es, neue Bilder zu schaffen, die die Sicht auf Rwanda verändern. Dies stellte für mich in den gesamten drei Monaten eine große Herausforderung dar. Wie lernt man ein Land kennen, das durch sein Erlebtes sehr in sich gekehrt ist, wie schafft man einen Zugang zu den Menschen, die alle ihre eigenen schrecklichen Geschichten mit sich tragen? Wie wird man Teil einer Gesellschaft die nicht vergessen kann und will? Wir lernt man eine Kultur kennen, die der Eigenen so fremd ist?
In den ersten Tagen nach meiner Ankunft schaute ich mir das Land an und war fasziniert von seiner unglaublichen Schönheit. Grüne Hügel, Wälder und Seen. Menschen die emsig daran arbeiten, ihr eigenes Land zu gestalten, um nach Außen mit aller Kraft zu zeigen, wie sich dieses Land so wunderbar entwickelt hat.
Geprägt hat mich die Schönheit des Landes, aber auch die allgegenwärtige Paranoia die in den Köpfen der Rwanda festsitzt. In vielen Gesprächen mit Künstlern kristallisierte sich der dringende Wunsch heraus, mittels der Kunst frei denken und handeln zu dürfen. Doch einzig und allein das große Thema der Aufarbeitung des Genozids und der Vergebung der beiden Volksgruppen Hutu und Tutsi erlangen Aufmerksamkeit außerhalb des Landes.
Programme und Projekte zur Versöhnung untereinander liegen hoch im Kurs. Diese Themen werden aber oft von Außen an die Rwanda herangetragen. Viele westliche Religionsgruppen haben sich nach 1994 in Rwanda niedergelassen, um genau diese Thematik immer wieder aufs Neue zu fokussieren.
Der dringende Wunsch der Rwanda ist meiner Meinung nach, nicht immer auf den Genozid und auf das 'Danach' reduziert zu werden. Sich zu versöhnen ist wahrscheinlich ein guter Weg, doch niemand kann meiner Meinung nach einen Menschen dazu zwingen, zu verzeihen. Und wenn ein Mensch nicht verzeihen kann, macht es diesen nicht zu einem schlechten Menschen.
Der Rwanda ist nicht nur ein Opfer oder ein Täter, der Rwanda ist ein Mensch mit all den Bedürfnissen, Wünschen, Hoffnungen und Träumen, die wir alle haben.
Ich habe großartige Menschen kennenlernen dürfen, ich habe von 120 Kindern über 30.000 neue Bilder geschenkt bekommen, ich habe persönlichen Geschichten und Schicksalen lauschen dürfen, habe mit den Menschen gemeinsam getanzt, gelacht, geweint und habe miterleben dürfen, wie Kreativität durch Gemeinsamkeiten, durch Vertrauen und freies Denken, alles zum Leuchten bringen kann.
Doch auch jetzt beim Schreiben fällt es mir schwer, euch mein Bild über Rwanda näher zu bringen. Mir fällt es schwer zu beschreiben, wie es den Menschen in Rwanda wirklich geht und was sie sich wünschen. Die Sicht auf Rwanda hat sich in den meisten Köpfen seit 20 Jahre nicht verändert. Aus Ruanda kommt kaum einer aus eigener Kraft raus.
An einer Hand kann man Künstler abzählen, die es mit ihren künstlerischen Arbeit raus aus Ruanda geschafft haben. Kinder hier denken in Rwanda ist immer noch Krieg und Kinder in Rwanda denken immer noch, dass wir die weißen Götter sind. Wie also ein Bild verändern, das so festgefahren ist? Wie ein Bild verändern, wenn man das Gefühl hat, das kaum jemand aus der westlichen Welt Interesse daran hat?
Ruanda ist der Sündenbock für alles was in Ost-Afrika schief läuft, Rwanda kommt von seinem Image nicht los und an uns heftet das Image des Weißen Gottes. Wer und was muss sich also verändern, damit wir unser Bild verändern, damit wir gemeinsam etwas schaffen können, damit wir von einander lernen können, ohne an den Stereotypen heften zu bleiben?
Und genau diese Thematik hat mich in den letzten drei Monaten an den Rand der Verzweiflung gebracht. Solange westliche Menschen nach Rwanda reisen, in Safari-Autos durch die Dörfer fahren und Haribos und Reis verteilen, wenn weiße Menschen nicht aufhören, Gott zu spielen, werden die nächsten rwandischen Generationen ihren Kindern weiter erzählen, dass man versuchen muss, den weißen Menschen so oft wie möglich anzufassen, um selbst weiß zu werden. Wenn wir nicht aufhören, immer gut sein zu wollen, immer helfen zu wollen, immer besser sein zu wollen, wird sich aus meiner Sicht nichts verändern.
Muzungu (Sprache: Suaheli, bezeichnug einer weißen Person)
The God of Africa is the white Man, because he changed everything. Her changed our Religion, changed our live, changed our food, he build schools, so we always try to make this God happy. But this God don’t like us, because we can not make it right for him.
I can promise you, that before the Muzungu came, we had our own God, we had our own way of Live. Now we don’t now how we have to be, to make it right.
(K.Castello, Rwanda 2014)
Es gibt so viel Großartiges in Rwanda zu entdecken, es gibt tolle Filmemacher, Musiker, Tänzer. Es gibt so viele Kinder mit unglaublich kreativem Potential. Ich wünsche mir, dass Rwanda das erkennt und seine Kinder fördert und ich wünsche mir, das die westliche Welt ihre Sicht auf Rwanda verändert und bereit ist, von den Menschen aus Rwanda zu lernen. Ich denke, dass wir in der westlichen Welt mit unserer Kreativität langsam an unsere Grenzen kommen. Künstler hier erlebe ich oft haltlos, überfordert, ruhelos, überreizt, muselos, leer. Ich wünsche mir einen Raum, in dem wir uns gemeinsam begegnen, in dem es wieder eine Muse gibt, in dem alle frei denken, frei handeln und frei leben können, um von einander zu lernen. Wie können wir sonst der Frage nach unserer eigenen Identität näher kommen? Immer höre ich „Die Afrikaner können doch nicht ohne uns“, können wir denn ohne die Afrikaner?
Gemeinsam mit den Rwanda möchten wir jetzt einen Bildband mit den Bildern der Kinder aus Rwanda gestalten, wir möchten eine Ausstellung in Rwanda machen, die dann auch in Deutschland gezeigt werden soll, wir möchten diesen Prozess dokumentieren, um euch an all dem teilhaben lassen zu können.
Die Rwanda versuchen jetzt aus eigener Kraft das Projekt zu verstetigen. Das überwältigt mich und doch weiß ich, dass dies nur für einige Wochen möglich ist. Wir wollen aber alle mehr. Wir wollen, dass die Kinder mit der Fotografie groß werden. Wir wollen nicht nur heute daran teilnehmen, sondern auch noch in fünf Jahren.
Wir haben alle sehr viel Energie in dieses Projekt investiert, haben viel Energie zurückbekommen, aber das Geld um weiterzumachen können wir nicht aus eigener Kraft aufbringen. Wir bekommen so viel gute Resonanz. Das tut gut.
Um wirklich weiter machen zu können, brauchen wir jedoch dringend eure Hilfe.
Unterstützt uns jetzt bei StartNext!
Ich danke euch für eure Hilfe.
Zurück in Deutschland
Marie Köhler