Drei ganz bezaubernde Frauen. Teil 3
Mein Name ist Anne, ich bin 33 Jahre alt und wohne mit meinem Freund und unseren beiden Kindern (das Mädchen ist 3 Jahre, der Junge ist 3 Monate alt) in Halle/Saale – der Stadt, in der auch die Räuberbande mit ihren schönen Sachen beheimatet ist. Für Räubersachen übernehme ich verschiedene Näharbeiten, z. B. ersetze ich ausgeleierte Hosenbündchen oder durchlöcherte Fußteile der Ganzkörperbodys. Bei meinen Reparaturen entstehen keine Kunstwerke, aber ich finde sie gelungen, wenn meine Arbeit für den Betrachter gar nicht ins Auge fällt, weil ich den Sachen nicht nur ihre Funktionalität, sondern möglichst auch ihr ursprüngliches Aussehen zurückgebe und sie dann wieder bereit sind, von weiteren Kindern getragen zu werden.
Ich bin mit dem Rattern einer Nähmaschine aufgewachsen, denn meine Mutter hat den Großteil ihrer Kleidung und der von uns drei Kindern selbst genäht. Trotzdem hat mich in meiner Kindheit nie das Nähfieber gepackt, ich habe mir lieber von meiner Oma das Stricken, Häkeln und Sticken beibringen lassen. Erst als ich zuhause ausgezogen bin, habe ich von meiner Mutter eine alte Nähmaschine geerbt und angefangen, Taschen für mich und meine Freundinnen zu nähen (und ich freue mich jedes Mal total, wenn ich nach so vielen Jahren wieder eine zu Gesicht bekomme!). Als dann die ersten Babys im Freundeskreis geboren wurden, gab es kein Halten mehr und mittlerweile sind ungezählte Pumphosen, Kleidchen, Mützen, Utensilos und andere kleine Sachen entstanden.
Natürlich habe ich in meiner ersten Schwangerschaft vor vier Jahren die Nadel glühen lassen und für den kleinen Bauchzwerg, dessen Geschlecht wir nicht kannten, große Teile der Garderobe selbst genäht. Dafür habe ich nur wenig Stoff neu gekauft, denn meistens habe ich aussortierte Kleidung upgecycelt und aus großen Sachen kleine gemacht. Kleidung dafür habe ich zuhauf aus dem Freundes- und Familienkreis bekommen und so trug unsere Tochter dann Sachen, die bereits Geschichte hatten (die meisten waren übrigens gestreift – und Streifen finden sich bis heute viele in ihrem Kleiderschrank). Das Upcycling hat sich bis heute bewährt, auch wenn es langsam kniffliger wird, je größer die Schnitte werden (und ja, ich habe darüber hinaus auch manchmal Stoffkaufzwang. Es gibt einfach so ein riesiges, auch GOTS-zertifiziertes Angebot an schönen Stoffen...). Über Schadstoffe in der Kleidung müssen wir uns auf diese Art keine Gedanken machen, denn die sind im Zweifel ausgewaschen und ich achte auch darauf, nur Baumwoll-, Leinen- oder Wollsachen wiederzuverwerten und keine synthetischen Fasern.
Eine Freundin lieh mir dann zur Geburt unserer Tochter kleine Wolle-Seide-Bodys und Schurwollhosen und ich konnte mir für unser Baby, das im März 2013 bei Eis und Schnee zur Welt kam, nichts Besseres wünschen. In unserer mit Öfen beheizten Altbauwohnung war das die ideale Kleidung für unser zartes Kind – auch heute noch trägt sie eine Hälfte des Jahres wollseidene Unterhemden und lange Unterhosen.
Als ich gerade mit unserem zweiten Kind schwanger war, hat mich Astrid gefragt, ob ich für Räubersachen ein paar Reparaturarbeiten übernehmen kann. Das mache ich gerne, nicht nur weil ich Freude am Nähen habe, sondern auch, weil ich das ganze Konzept von Räubersachen so toll finde. Ökologische Kleidung für alle (auch mit kleinem Geldbeutel!), die unter nachhaltigen und fairen Bedingungen hergestellt wird und das alles realisiert von Menschen, die so viel Herzblut reinstecken und ihr Projekt mit Liebe zum Detail voranbringen...
Die Freundin, von der ich damals die ersten Wolle-Seide-Bodys geliehen habe, hat gerade ihr drittes Kind bekommen und braucht diese daher selbst. Deshalb trägt unser Babyjunge jetzt neben den von der großen Schwester geerbten Kleidungsstücken auch schöne wollseidene Teile von Räubersachen. Mit drei Monaten ist er bereits bei Größe 68 angelangt – was mir wieder zeigt, dass sich der Kauf der Sachen gar nicht rentiert hätte, weil die Kleinen einfach so schnell aus ihnen heraus wachsen.
Übrigens wurde ich schon oft gefragt, ob ich das Nähen von Kindersachen nicht gewerblich machen möchte. Über die Gründe warum nicht, könnte ich jetzt Romane schreiben, aber kurz zusammengefasst kann man sagen, dass das bei den auf den einschlägigen Handmade-Verkaufsportalen diktierten Preisen schlicht Selbstausbeutung wäre. Dagegen wird die Arbeit bei Räubersachen fair bezahlt und mit der Realisierung des Reparaturfonds müsste sie nicht auf die Mietgebühren für die Eltern umgelegt werden. Und damit bringt der Fonds allen einen Gewinn – den Eltern, die die Kleidung mieten, uns Reparateurinnen und durch die Ressourcenschonung natürlich auch unserer Umwelt, die wir nicht zuletzt unseren Kindern zuliebe schützen sollten.