Der „deutsch-deutsche Schäferhund“ geistert seit dem Frühjahr 2016 durch Online-Medien und die deutsche Presse. Während die Wissenschaftsparodie von Alan Sokal vor 20 Jahren ausführliche Debatten nach sich zog, wie auch jüngst zum Science-Hoax von Peter Boghossian („The Conceptual Penis as a Social Construct“), hat der Hunde-Hoax, mit dem eine Gruppe anonymer Satiriker*innen auf einer Berliner Nachwuchstagung zu Human-Animal-Studies und in der Hauszeitschrift des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts reüssierte, innerhalb der Geschichtswissenschaft bislang auffällig wenig Resonanz gefunden. Das ist erstaunlich, fordert die frei erfundene Studie über Schäferhunde in NS-Konzentrationslagern, sowjetischen Speziallagern und an der innerdeutschen Grenze Historiker*innen und Geisteswissenschaftler*innen doch gleich in mehrfacher Hinsicht heraus: Auf dem Prüfstand stehen neben wissenschaftlichen Qualitätsstandards und kritischer Urteilskraft auch das Verhältnis der Geschichtswissenschaft zu ideologisierten Deutungen der Vergangenheit und die innerfachliche Debattenkultur.
Wir sind der Ansicht, dass hier noch vielmehr gesagt werden muss. Das Problem einer uferlosen Ausdifferenzierung der Sozial- und Geisteswissenschaften in teils merkwürdig anmutende Forschungsbereiche sollte grundsätzlich diskutiert werden. Der Schäferhund-Hoax zeigt schließlich strukturelle Probleme auf. Eben dieses wollen wir aufgreifen und den Hoax zum Anlass nehmen, für eine kritische Selbstbefragung auf epistemischer, wissenssoziologischer und inhaltlicher Ebene. Wir wollen kein Tribunal inszenieren, sondern den Raum für eine offene und kontroverse Debatte öffnen.
Das Ziel ist es, die Ergebnisse der Fachtagung vom Herbst 2016 in Buchform einem breiten interessierten Publikum zur Verfügung zu stellen. Zielgruppe sind alle, die sich für die gegenwärtige Situation der Geistes- und Kulturwissenschaften, für Human-Animal Studies, für Science-Hoaxes und deren Rezeption in Deutschland interessieren; kurzum: für alle, die meinen, dass den Fragen und Problemen, die dieser „Schäferhund-Hoax“ aufgeworfen hat, in Tiefe und Breite nachgegangen werden sollte.
Das Buch enthält Beiträge von Historikern, Soziologen, Kulturwissenschaftlern, Biologen und Künstlern, die eine spannende Betrachtung garantieren. Anstatt altbekannte Antworten wiederzukäuen, entwickeln sie (selbst)kritische Fragen und stellen sie zur Diskussion: Welche Bedeutung haben Relevanz und Plausibilität in einem Fachdiskurs, der in erster Linie auf Innovativität, Anschlussfähigkeit und Exzellenz in der Selbstdarstellung ausgerichtet ist? Was heißt wissenschaftliche Kritik, wie funktioniert kritische Wissenschaft in einem projektförmig organisierten und zunehmend prekarisierten akademischen Feld? Welche Chancen und Risiken sind mit neuen Zugängen wie den Human-Animal-Studies verbunden, und in welchem Verhältnis stehen diese zur Persistenz des Totalitarismusparadigmas? Warum überhaupt wurden die relativ neuen und stark boomenden Human-Animal Studies als Ziel einer solchen Parodie ausgewählt? Was also ist aus dem „Schäferhund-Hoax“ und den Human-Animal Studies zu lernen?
Mit der Unterstützung helft ihr mit, mehr Klarheit und Struktur in eine scheinbar unüberschaubar gewordene (akademische) Debattenkultur zu bringen, was insbesondere in Zeiten von „Fake-News“ und einer zunehmend emotionalisierten Diskurskultur von gesteigerter Bedeutung ist.
Das Geld soll verwendet werden für:
- Druckkosten
- Verschenken des Buches an ausgewählte öffentliche Bibliotheken
Dr. Enrico Heitzer und Dr. Sven Schultze. Die Tagung „Auf den Schäferhund gekommen? Ein Workshop zum ‚Schäferhund-Hoax‘, kritischer Geschichtswissenschaft und akademischem Trendsurfing“ fand im Oktober 2016 statt. Sie wurde Organisiert von Enrico Heitzer, Sven Schultze sowie Peter Ullrich und unterstützt vom Zentrum Technik und Gesellschaft/Bereich „Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte“ an der TU Berlin. Der Sammelband soll im Berliner Vergangenheitsverlag erscheinen.
Enrico Heitzer & Sven Schultze & Alexander Schug