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Ein Roman über den Kunststudenten Siyah, der in zwei Welten gefangen ist - die Trostlosigkeit der schwarzen Realität und die weiße Welt der Träume.

Ein Kurzroman über den jungen Kunststudenten und Lebenskünstler Siyah, der in zwei Welten gefangen ist: die Trostlosigkeit der schwarzen Realität und die weiße Welt der Träume.
Finanzierungszeitraum
27.06.16 - 20.08.16
Realisierungszeitraum
Oktober 2016
Mindestbetrag (Startlevel): €
3.900 €
Stadt
Freiburg im Breisgau
Kategorie
Literatur
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22.07.2016

Leseprobe No. 2: weißes Kapitel

Jonas Navid Mehrabanian Al-Nemri
Jonas Navid Mehrabanian Al-Nemri14 min Lesezeit

Ganz stolz präsentieren wir Euch eine weitere Leseprobe aus Ein Leben in Schwarz und Weiß


***
Langsam öffnete er die Augen oder welches Organ er auch immer fürs Sehen benutzte.
Frisch aus dem Schlaf erwacht, lag er zusammengerollt zwischen den Gräsern. Er war klitzeklein, gar mickrig. Nur ein einsamer kleiner Schatten - mehr war Siyah nicht. Sein Körper war dunkel und durchsichtig und seine Bewegungen erinnerten an graue Farbe in einem Glas Wasser. Alles worauf er sich legte, wurde etwas dunkler. Deshalb stieg Frust in ihm auf. Er wollte mehr verändern, als alles nur etwas dunkler zu machen. Was konnte er auf diese Weise denn erreichen?
Im Gegensatz zu den vielen anderen Existenzformen herzlich wenig. Die anderen Existenzen, die Nichtschatten hatten so viele Möglichkeiten und so viel Freiheit. Sie konnten mehr als Siyah verändern. Die ganze Welt verändern!
Und das wollten sie auch. Denn alle Individuen versuchten, etwas in ihrer Umwelt zu ihren Gunsten zu verändern. Sie wollten Spuren hinterlassen und etwas bewirken. Ganz egal was es war. Nur irgendwas sollte es sein. Irgendwas das bewies, dass sie existiert hatten. Wenn auch nur kurz.
Er aber lag nur so da, wurde langsam wach und rotierte ein wenig. Ein rotierender kleiner Schatten im Gras. Bemitleidenswert, fand er. Wie ein kleines Tier das nichts anderes tat, als sich mit sich selbst zu beschäftigen. Als renne es seiner Rute hinterher. Jedoch nicht, weil es das tun wollte, sondern weil es keine andere Wahl hatte.
Was hatte die Welt nur aus Siyah gemacht, diesem kleinen Schatten? Diesem Hauch von Nichts. Das Nichts, welches das Geheimnis des Lebens, nämlich die Liebe, in sich trug. Behutsam. Wie eine goldene Bohne zwischen kleinen schwarzen Affenhändchen. Was könnte so ein kleiner Schatten denn schon bewirken? Er hörte auf sich zu drehen.
Naja, dachte er, im ersten Schritt kann ich mich erheben.
Als Siyah sich aufrichtete, wirkte sein Handeln auch sofort. Er wuchs zu einer angsteinjagenden Figur. Wahlweise sah er wie ein Mensch mit Stacheln aus und wahlweise wie ein Loderfeuer. Er konnte seine Form unabhängig von Größe verändern und dunkler oder heller werden.
Ich bin doch etwas.
Dunkel und stachelig, wirkte er wie ein bedrohlicher Schatten. Hell und glatt hingegen wie die sanfte Ruhe in Person. Die Zweifel des Wachwerdens waren vergangen und beim Anblick seines Potenzials erblühte der Schatten förmlich. Pinselstrichartig wechselte er die Form und bewegte sich blitzschnell zwischen Boden und Baum. Dann drehte er sich wieder, spielte mit dem Wind und zog sich zu seiner kleinen gewohnten Murmeltierfigur zwischen dem Gras zusammen. Fast als ob sich eine Katze zusammenrollte. Für einen Moment war er stark gewesen, glücklich, doch dann waren ihm wieder die Zweifel und seine Pflichten eingefallen. Denn es war nicht einfach, zu sein, was Siyah war.
Ein Schatten musste immer seinem Besitzer hinterherrennen - unermüdlich musste er sein, unerschütterlich. Wenn der Besitzer sich kurz ausruhte, musste der Schatten ebenso ruhen. Wenn er sich plötzlich in Bewegung setzte, musste er darauf gefasst sein. Genauso aber, durfte der müde Schatten niemals einnicken, wenn sein Besitzer sich dazu entschloss, sich länger nicht zu bewegen, und dann musste er aus dem plötzlichen Nichts wieder aufspringen. Der Schatten war völlig unterworfen und durfte nicht reden oder etwas Ungewöhnliches tun. Wenn man auf ihn zu rannte, musste er weglaufen, wenn man weglief, musste er hinterherrennen - ein grauenvolles Schicksal. Nie durfte er sich anmerken lassen einen eigenen Willen zu haben. Denn das war die Todsünde und überhaupt die einzige Sünde im Gesetzbuch der Schatten. Doch glücklicherweise gab es auch einige wenige Momente im Leben eines Schattens, die es lebenswert machten.
Wenn die Sonne weg war, konnten sich die Schatten von ihren Besitzern lösen und vom eigenen Willen Gebrauch machen. Jedoch nicht nachts. Denn überall wo ein Licht brennen konnte, musste der Schatten vor Ort und Stelle sein, und die Menschen hatten ihre Lampen und Kerzen. Kein Mensch spazierte nachts im Dunkeln, sodass ein Verschwinden des Schattens möglich war. Nun gut, solche Menschen gab es vielleicht, doch ihre Schatten kannte Siyah nicht. Sie waren so frei, dass ihnen ein Aufenthalt mit den anderen wohl gleichgültig war. Sie waren lebende Legenden unter den Schatten. Man beneidete sie und verachtete sie auch zugleich, zumal sie sich nicht an die Gesetze hielten, weil sie es auch nicht mussten.
Die Nachtschatten.
Die Freiheit von Schatten wie Siyah einer war, war also lediglich auf gleichmäßiges stumpfes Licht beschränkt. Wenn es bewölkt war, musste er schnell handeln und seinem Willen nachkommen. Denn sobald die Sonne wieder schärfer schien, musste er wieder dicht an seinem Besitzer sein.
Die Schatten hatten einen Geheimort ausgemacht, an dem sie sich trafen, sobald der Himmel bewölkt war. Hier konnten sie miteinander sprechen, Erfahrungen austauschen und Lasten teilen. Ein Ort der Erholung vom ewigen Lauf der Welt. Es war der Baum an dem Siyahs Schatten auch sehr gerne und oft alleine hinging. Dazu wartete er nicht mal darauf, dass die Sonne bedeckt war. Das war, was ihn von den anderen Schatten unterschied - dieser zu freie Willen.
Allerdings lebte er trotzdem in Angst, ertappt zu werden. Doch anscheinend fiel dem Besitzer die Abwesenheit seines Schattens kaum auf.
Für eine Weile konnte sich Siyah heimisch unter den anderen fühlen, unter seinesgleichen. Solange weder sein Besitzer noch die anderen Schatten von seinem übermäßig freien Willen wussten. Hier bei seinen Freunden fühlte er sich, allerdings auch nicht ganz verstanden. Aber immerhin besser als bei den Freunden in der schwarzen Welt. Dort hatte er sowieso kaum welche. Die schwarze Welt - diese harte rationale Welt der Ungerechten. Siyah hasste sie, auch wenn er an sie gebunden war. Doch das wahre Leben - so sehr er es sich auch wünschte - konnte nicht in der weißen Welt stattfinden. Die weiße Welt war, wie er sie nahm, eine Fluchtwelt, ein Ort der Irrationalität oder ein Messeraufstrich des Surrealen auf dem Brot des Lebens. Die Schatten dieser Welt, seine Freunde, waren in diesem Brot nicht aufzufinden, sondern lediglich im Aufstrich.
Den Zusammenhang zwischen schwarzer und weißer Welt konnte aber niemand richtig darstellen. Zumindest kannte Siyah niemanden, der über solch ein Wissen verfügte. Es gab anscheinend Gelehrte und Heermeister, die die Geheimnisse der weißen Welt teilweise kannten, aber weder ihre Existenz war gesichert, noch ihr vermeintliches Wissen.
Heute war es erneut bewölkt gewesen in der weißen Welt und Siyah, der nun wach war und ein großer dunkler Schatten, bemerkte, wie sich die anderen näherten. Alle Schatten kamen. Als wären sie gelöste Luftballons, flogen sie wild umher und trafen sich alle unter den schützenden Flügeln des großen Baumes, wo Siyah schon lange stand. Sie begrüßten sich und vereinten ihre Körper zu einer großen, dunklen Schattenblase. Für Fremde wäre dies wohl ein erschreckender Anblick gewesen. Ein großer grauwässriger Ball der zu pulsieren und leben schien. Aber nach der kurzen Begrüßungszeremonie löste sich die dunkle Masse und die Schatten begannen sich in Gruppen zu teilen und miteinander zu sprechen.
»Schade nur, dass die Sonne nicht scheint«, sagte ein Schatten ironisch zu Siyah, »wir müssen immer im Grauen schillern«.
Die anderen eilten gleich zu ihm und starrten neugierig auf die Formen, die er beim Erzählen machte. Wolken, Sonnen und am Ende ein trauriges und lächelndes Menschengesicht.
»Ja, klar«, entgegnete einer, »in der Sonne sind wir stark und dunkel. Wir sind völlig sichtbar und klar definiert. Wir sind wer wir sind. Und weißt du, wer wir sind?«
Der erste Schatten schien der eines Kindes zu sein, denn er antworte lediglich in Form eines traurigen Gesichts und zuckenden Schultern.
»Natürlich weißt du das, kleiner Schatten. Wir sind einfach Schatten, wir stehen immer im Schatten. Wir sind Diener, nein schlimmer, Sklaven!«
Siyah mischte sich gleich ein und tanzte um die beiden herum wie um ein Feuer.
»Aber wir können das Beste daraus machen, nicht? Ich meine natürlich, wenn wir das Gesetz der Schatten nicht brechen. Wir können es doch genießen der Schatten zu sein und keinerlei Verantwortung zeigen zu müssen? Nicht? Nicht, nicht, nicht?«
Dann formte sich Siyah wieder in ein Murmeltier und sah mit funkelnd schattigen Augen nach oben. Seine beiden Gesprächspartner formten sich zu großen Ungeheuern und legten die Hände an die Hüften um auf ihn herunterzulächeln. Ob sie seinen Gesetzesbruch bemerkt hatten? Sie schauten, als hätte Siyah etwas verbrochen. Ob sie wussten, dass er manchmal seinen Besitzer alleine ließ?
Die Erde bebte kurz und die drei verschwommen in eine Schattenblase und gerieten ineinander und huschten hoch zur Baumkrone und wieder herunter.
»Die spielen doch nur oder?«, fragte ein Schatten, als die drei sich wieder trennten und sich gegenüberstanden.
»Dies ist ein Ort der Ruhe! Ihr könnt ihn nicht schänden!«, warf der Nächste ein, der das Schauspiel beobachtet hatte.
Siyah hatte die Form eines Mähnenwolfs gewählt, während der jüngere Schatten als Wildferkel und der Ältere als Hyäne vor ihm standen. Die anderen Schatten schienen ganz und gar nicht zufrieden. Sie huschten nervös umher, einige stießen panische Laute von sich. Wie ein kurzer Aufschrei eines Jungen, nur etwas tiefer. Überall war der Geruch von Wut und Angst wahrzunehmen. Das war hier noch nie passiert.
Auch, wenn sie es bemerkt haben, Siyah sah seine Gegner an und in ihm stieg unweigerlich Zorn auf, Ich bin mir wertvoller als die. Ich bin und bleibe ein Rebell. Sollen sie mich doch verbannen. Und dabei war er selbst überrascht, wie schnell die Angst ertappt zu werden verflogen war.
»Du bist anders«, knurrte die Hyäne, während die anderen Schatten noch immer versuchten herauszufinden, was überhaupt los war.
Die Worte waren wie Geflüster aus dem Knurren herauszuhören gewesen. Siyah deutete sie als eine Kampfansage.
»Du bist anders«, sprach das Wildferkel der Hyäne nach.  
Dann begann es, sich um seinen Schwanz zu drehen. Auch wenn das Schattenferkel noch ein Kind war. Angriffslustig schien das merkwürdige Duo allemal.
»Ich bin anders«, hörten sie Siyah endlich zurückknurren, »und wisst ihr was? Ihr werdet niemals wie ich sein können. Ihr seid gebunden an diese Fesseln«.
Die anderen Schatten sahen einander mit unsicheren Blicken an. Ihre Mienen verfinsterten sich und Siyah wusste, dass er hier keine Verbündeten mehr suchen brauchte. Dass er das Gesetz der Schatten gebrochen hatte, erschien den erst ängstlichen Zuschauern nun offensichtlich. Sie hatten begriffen, warum die Hyäne hitzig geworden war. Ein verbrannter Geruch schlich sich in die Luft. Es knisterte einmal laut und alle Blicke wanderten zum Baum. Der Riss, der sich bis tief ins Holz geschnitten hatte, spie Feuer und überdeckte in wenigen Augenblicken die Baumkrone. Das bedrohliche Rauschen des Feuers und der Rauch vermischten sich mit dem säuerlichen Geruch von Wut und Angst.
Niemand konnte erklären, warum der Baum Feuer fing, aber die Schatten gerieten in Panik. Im Anblick der beweglichen Flammen wurden auch sie beweglich und wirr vor Angst.
Das böse Knurren der Kämpfer wurde immer lauter und ein Kampf war nicht mehr zu verhindern. Aus dem Maul der Hyäne tropften kleine Schattenkügelchen. Sie fielen zu Boden und wanderten zurück zu den Beinen der Hyäne. Dort absorbierte der Schatten die Tröpfchen wieder. Die Hyäne unterbrach das Knurren und stellte sich sprungbereit auf. Mit einem lauten Brüller und einer plötzlichen Bewegung warf sie sich auf Siyah. Dieser schaffte es gerade noch, sich aufzurichten. Es hörte sich an, als klatschten die nassen Gebisse aufeinander. Die anderen Schatten huschten panisch umher. Dann flohen sie in alle Himmelsrichtungen und ließen die drei Kämpfer alleine.
Der Baum war lichterloh in Flammen und das Ferkel drehte sich noch immer, geriet zwischen die beiden Raubtiere und hielt Siyah von ein, zwei guten Treffern ab. Dieses kleine Ferkel. Dabei hatte Siyah es gemocht. Was für eine Enttäuschung!
Doch für solche Gedanken war nun nicht der richtige Zeitpunkt. Das merkte Siyah, als er von der Hyäne weggeschleudert wurde und mit ein paar Überschlägen im Gras landete.
»Was tust du da mit Siyah?«, griff ein anderer Schatten plötzlich ein. Entweder war er mutig oder er war eben erst dazugekommen. War er ein Nachtschatten?
Er hatte die Form eines großen Wolfes und sprang auf die Hyäne. Beide rollten sich fest umklammernd über das längst glühende Gras. Siyah ergriff die Gelegenheit und trat auf die Hyäne ein, die jetzt, vom Wolf festgehalten auf dem Boden lag. Ein dicker Zweig fiel vom Baum und der Wolf ließ die Hyäne wieder los. Der Kampf kam seinem Ende näher. Sie verwandelten sich alle wieder in aufrechtgehende Menschenschatten und schrien sich an. Der Baum war schwarz und glühte an einigen wenigen Stellen.
»Es reicht«, sagte Siyah den Kopf zum Baum gedreht, »verschwindet«.
»Komm«, sagte der größere Schatten zum Ferkelchen, welches sich erst jetzt in einen Menschen verwandelte, »wir gehen«.
Die beiden drehten sich mit einem letzten wuterfüllten Blick um und schweiften durch die rauchige Luft hinweg. Siyah hörte, wie das Ferkel ein quiekendes Schluchzen von sich gab, bevor sie verschwunden waren und Stille eintrat.
»Was auch immer das sollte«, Siyah sah ihnen noch nach, »ich bedanke mich bei dir«.
Der Wolfmensch sah Siyah einen Moment an und lächelte:
»Ich habe nur getan, was ein Freund tun musste. Friede sei mit dir«.
Siyah umgab ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Wenn auch nur kurz. Der freundliche Schatten vermischte sich mit dem Rauch des Baumes.
»Ein bester Freund. Für immer ein bester Freund«, sagte Siyah ihm nach und rollte sich zusammen.
Der Baum war verbrannt. Warum? Die anderen hatten bemerkt, dass er das Gesetz gebrochen hatte. Vielleicht war dies auch die Verbannung?
»Diese beiden! Unfassbar!«, stieß die Wut aus Siyah heraus. Er nahm wieder die Form des Mähnenwolfs ein. Wäre er kein Schatten, würde er jetzt überall bluten und schwitzen. Der Geruch von Wut war noch nicht verschwunden, er brannte in Siyahs feiner Wolfsnase. Vom Baum war nur ein schwarzer Stamm mit grauen Aschewaben übriggeblieben. Der müde Siyah saß mit dem Kopf gesenkt vor ihm. Das Feuer hatte einen Kreis um den Baum gezogen. Die Erde war gelblich verfärbt. Aus ihr ragten schwarze Härchen, die Siyah mit der Hand streifte und zu Staub zerfallen ließ.
»Alles ist zerstört«, sagte er den Kopf in die Arme senkend.
Es schien, als wäre sein Schattenkörper ein leeres Glas, das sich mit Trauer füllte.
»Nichts ist mehr übrig. Ist das meine Schuld? War ich das? Hätte ich mich an die Gesetze halten sollen?«
Doch es kam von nirgendwo eine Antwort. Seine Stimme war das Einzige, was er hörte. Sie war schwach und krächzend. Als flehte er um Mitleid. Alles war still und die weiße Welt schien schwarzer denn je.
»Nicht mal hier?«, schrie er in Richtung des Baumes. Er wurde unbeweglich und starr, »nicht mal hier kann ich glücklich werden?«
Immer wieder wechselte er die Gestalt in der Hoffnung, dass er irgendetwas verändern könnte. Die Starre seines Körpers hielt aber an. Er regte sich nicht und war auch nicht mehr wie Rauch in Wasser.
Er wollte irgendetwas verändern. Irgendetwas zu seinen Gunsten. Doch passierte nichts und als er das einsah, goss jemand langsam Vernunft in das von Trauer gefüllte Glas ein. Die Mischung aus Trauer und Vernunft hielt so lange in ihm an, bis die Vernunft die Trauer aus dem Glas geschwappt hatte. Natürlich waren die beiden anderen Schatten nicht unschuldig. Doch er hatte einen Fehler gemacht die Gesetze zu missachten. Fehler wie diesen sah Siyah gewöhnlich ungern ein, doch diesmal blieb ihm nichts anderes übrig. Er war einsam und alleine und das konnte nicht die reine Schuld aller anderen sein.
»Ein Fehler«, flüsterte er wehmütig dem Baum zu, als könnte dieser ihn verstehen, »der passieren musste. Es musste so sein. Ich musste fallen und ich werde wieder aufstehen. Ich werde es schaffen«.
Dabei hob er einen verbrannten Grashalm hoch und pulverisierte ihn zwischen den feinen dunklen Fingern. Und plötzlich bemerkte er, dass er etwas verändert hatte. Das er Spuren hinterlassen hatte. Das er zu mehr in der Lage war, als nur alles etwas dunkler zu machen. Er hatte alles hier verändert. Und das alles hatte er erst bemerkt, als er diesen winzigen verbrannten Grashalm pulverisiert hatte. Der Baum blieb aber wie erwartet still. Siyah erhielt keine Antworten und sprach deshalb weiter in die Leere.
»Antworten erhalte ich hier von niemandem. Ich werde mir selbst antworten müssen und vor allem Gott danach fragen.«
Beim Wort Gott ging es ihm für einen kurzen Moment besser.
»Gott«, flüsterte er, »das ist es«.
Er nahm die Gestalt eines Menschen an.


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