Lieblingskollege und Integrationsvorbild
Ganz ehrlich: Ich war nie besonders interessiert daran, etwas FÜR Geflüchtete zu tun - vielmehr will ich etwas MIT geflüchteten Menschen tun. Denn Empowerment geschieht aus meiner Sicht durch Unterstützung zum Selbermachen!
Als ich Bledion Vladi (Bild: Mitte) Anfang 2017 kennenlernte, hatte ich den idealen Partner für interkulturelle Gemeinschaftsprojekte gefunden. Wir gründeten zusammen MasterPeace Wiesbaden.
Das bemerkenswerte Engagement meines Lieblingskollen hat auch die Schulleitung schnell entdeckt und folgenden Artikel über ihn veröffentlicht, den wir mit dir teilen möchten:
Pressemitteilung der accadis International School Bad Homburg
Bad Homburg, 30. April 2018
Junger Migrant gibt Deutschunterricht
Der Schüler Bledion Vladi gründete nach seiner Migration aus Albanien das Projekt „Wir lernen Deutsch“ und bringt Flüchtlingen erfolgreich die deutsche Sprache bei.
Der 21-jährige Albaner Bledion Vladi kam vor drei Jahren aus seiner Heimat nach Deutschland. Heute lebt er in Idstein. Er weiß, wie schwierig es ist, in einem fremden Land anzukommen und sich zu integrieren. Eine große Hürde sei meist die Sprache, sagt er. Mit viel Motivation und Engagement hat Bledion Vladi jedoch in sehr kurzer Zeit Deutsch gelernt und anschließend angefangen, Flüchtlinge zu unterrichten. Das zunächst kleine Projekt „Wir lernen Deutsch“ hat bis heute zahlreiche Menschen in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt integriert. Bledion Vladi absolviert derzeit sein international Baccalaureate Diploma an der accadis International School Bad Homburg und plant parallel das für den Deutschen Integrationspreis 2018 nominierte Folgeprojekt „The Story Store“.
Sprache als Tor zur Welt
„Mit ‚Wir lernen Deutsch‘ wollte ich zeigen, dass es möglich ist, eine neue, schwierige Sprache zu lernen“, erinnert sich der Oberstufenschüler an die Anfangszeit des Projekts. „Deshalb fing ich an, jeden Samstag Flüchtlinge zu unterrichten, und gründete später das facebook-Profil ‚Wir lernen Deutsch‘. Es hat mittlerweile 10 700 Abonnenten. Ich möchte Flüchtlingen und der Gesellschaft bewusstmachen, dass Sprache das Tor zur Welt ist.“ Momentan unterrichtet Bledion Vladi über E-Learning-Systeme. „Zeitlich schaffe ich es nicht, klassischen Unterricht vor Ort zu geben. Zudem wurde die Gemeinschaftsunterkunft, in der ich unterrichtet hatte, im vergangenen Jahr geschlossen. Auch das facebook-Profil fordert meine Zeit. Wir reagieren auf jeden Beitrag, liken, teilen und kommentieren. Aber ich mache es gern.“
Traumatisierte Flüchtlinge unterrichten
Die größte Herausforderung sei, so Bledion Vladi, die Sprachschüler dauerhaft zu motivieren. „Sie haben viel erlebt. Viele leiden unter Traumata und brauchen psychologische Hilfe. Nicht zuletzt vermissen sie ihre Familien. Verständlicherweise fällt es dem einen oder anderen manchmal schwer, sich am Unterricht zu beteiligen.“ Im Unterricht haben die Schüler dennoch viel Spaß. „Oft frage ich nach der arabischen Übersetzung für einzelne Worte. Wenn deutsche Worte oder ihre Pendants lustig klingen, lachen wir zusammen und erleben, wie unterschiedlich Sprachen sind.“ Schwierigkeiten haben viele Schüler mit den deutschen Artikeln „der, die, das“ und mit den deutschen Kasus. „Immer wieder fragen meine Schüler, warum die deutsche Sprache so kompliziert sei und warum sie mehr Regeln habe als viele andere Sprachen. Wann muss ich den Dativ, wann den Akkusativ verwenden? Was ist nochmal der Genitiv? Warum heißt es nicht ‚das Blume‘?“
Mit „Wir lernen Deutsch“ auf den Arbeitsmarkt
Trotz der Hürden, welche die deutsche Sprache mit sich bringt, hat das Projekt großen Erfolg. „Viele meiner ehemaligen Sprachschüler sprechen Deutsch mittlerweile auf B1- und B2-Niveau und machen eine Ausbildung. Der Unterricht ist also eine gute Basis für Integration.“
Flüchtlinge schreiben ein Buch
Mit dem Workshop „Storytelling for Change“ ist Bledion Vladi auch literarisch umtriebig. In dem Gemeinschaftsprojekt mit MasterPeace Wiesbaden haben 19 Geflüchtete ihre Flucht-Erlebnisse mit Hilfe von Sprachdozentinnen niedergeschrieben. Im Juni 2018 werden sie im Buch „Warum wir hier sind – Reisegeschichten aus unserer Welt“ veröffentlicht.
Nominiert für den Deutschen Integrationspreis 2018
Bledio Vladi hat ein weiteres Herzensprojekt. „Mit meiner Kollegin Kristine Tauch möchte ich ‚The Story Store‘ gründen, einen online-Shop, um außergewöhnliche Bücher und Textilwaren von Geflüchteten zu verkaufen. Jedes Produkt trägt die Geschichte seines Entwicklers.“ Mit dem Projekt ist Bledion Vladi für den Deutschen Integrationspreis 2018 nominiert. „Noch bis zum 9. Mai 2018 nehmen wir an der zugehörigen Crowdfunding- Kampagne teil. Dasjenige Projekt, das bis dahin am meisten Unterstützer hat, gewinnt den Preis.“ Weitere Informationen gibt es auf https://www.startnext.com/the-story-store.
Mit dem Engagement für seine Mitmenschen begeistert Bledion Vladi auch seine Schulkameraden und Lehrer. „Seine außerschulischen Aktivitäten beeindrucken uns sehr“, sagt Gerda Meinl-Kexel, Geschäftsführende Gesellschafterin der accadis International School Bad Homburg. „Bledion Vladi ist ein leuchtendes Beispiel für den Blick über den Tellerrand. Sein Sprachunterricht überwindet alle Grenzen der Integration. Wir sind stolz, dass er ein accadis ISB-Schüler ist.