SNEAK PEEK: "Laufschuh gegen SUP" - aus dem Buch zum Abenteuer
Ich habe Philipp Jordan gefragt, ob er uns einen SNEAK PEEK, einen verschmitzten Einblick in das Buch "Laufschuh gegen SUP! Die Challenge: Zwei Abenteurer bezwingen die Elbe", das unsere beiden Helden unterwegs schreiben, gewährt. Philipp hat JA gesagt.
Die ganze Geschichte von Philipp & Timm mit allen großformatigen und lebendigen Fotografien von Jonas Krantz können Sie und Ihr auch hier als DANKESCHÖN absahnen und damit in die Vision von Oll Inklusiv einzahlen: Wir leben in einer Welt, die allen gehört, den Jungen wie den Ollen!
Tag1 - Aller Anfang ist toll
Eine Horrornacht liegt hinter mir. Die angestaute Aufregung lässt mich mehrfach aufwachen. Eine tödliche Kombi mit meiner Sextanerblase. Aber sowas kenne ich als Läufer. Vor allen großen und wichtigen Herausforderungen bekomme ich nie den Schlaf, den ich so nötig bräuchte.Um 4:30 Uhr gebe ich auf und versüße mir die Dreiviertelstunde vor dem Weckerklingeln mit einem Bad. Dann checke ich mehrfach den Inhalt meines Ziehwagens und zweifle, ob das kurze Laufoutfit bei der schlechten Wettervorhersage nicht doch ein zu großes Wagnis ist. Aber was soll‘s! Die Regenjacke ganz oben in die Tasche und Daumen drücken.
Wir haben uns um 6 Uhr an der Grenze verabredet. Irgendein Pressefotograf (Anm. d. Red.) meldet sich bei Timm per Telefon, weil er weiter vorne steht und da schon alles aufgebaut hat. Nach einigem Zetern kommt er doch zu uns rüber. Ich hasse so etwas. Ich will jetzt loslaufen. Ein Jahr lang habe ich auf diesen Moment gewartet und jetzt bremst mich kurz vor dem großen Moment ein verirrter Pressefotograf (Anm. d. Red.) aus. Timm beruhigt mich und wir posieren brav für das Foto für die lokale Presse.
Ich verabschiede mich vom Captain und los geht es. Heute begleitet mich von Anfang an Georg. Er kam schon gestern Nacht hier an und schlief in seinem Auto. Wir kennen uns nur über Facebook, aber wir Läufer finden eigentlich immer sofort gemeinsame Themen. Georg ist Täglichläufer, auch Streak Runner genannt. Er läuft jeden Tag. Meist sogar 20 Kilometer. Ich muss mir also keine Sorgen machen, dass er schlapp macht. Aber das sieht man ihm sowieso direkt an. Neben seinen Dreadlocks fällt einem direkt sein schlanker und durchtrainierter Körper auf.
Das Wetter ist super. Ich denke an die 90%, die hinter dem Regenschirm Piktogramm meiner Wetter App stand und hoffe, dass uns der Wettergott noch ein wenig gnädig gestimmt ist.
Wenig später gesellt sich Timo zu uns. Er kommt aus Dresden und hat den Zug in aller Früh genommen, um mich zehn Kilometer zu begleiten.
Wir verstehen uns sofort, reden über's Laufen, über Rennen und auch ein bisschen über's Leben. In Bad Schandau steht dann irgendwann noch Thorsten vor uns, der ebenfalls die knapp 54 Kilometer bis nach Dresden mitlaufen möchte.Mein Ziehwagen wippt auf und ab. Bei jedem noch so kleinen Anstieg gehe ich. Ich muss noch so viele Tage und Kilometer erfolgreich und unverletzt durchleiden, da will ich gerade am Anfang nicht schon übermütig werden.
Timm paddelt neben mir, seine Bewegungen sind ausholend. Die Strömung ist unglaublich, und da Timm ordentlich Gas gibt, werde ich diesen majestätischen Anblick wohl nicht mehr lang genießen können. Ich freue mich so sehr, dass dieser damals mir völlig fremde Typ, auf die sozialen Konventionen gepfiffen hat, und mich so direkt gefragt hat, ob ich zusammen mit ihm dieses Abenteuer bestehen möchte. Und jetzt sind wir plötzlich mittendrin. Ich habe mir oft ausgemalt, wie das alles aussehen würde, wenn wir zusammen die Elbe bereisen, aber das hier ist alles so viel schöner, als ich es mir je vorgestellt hätte. Die Sandsteingebirge um uns herum sind so malerisch, dass man sie wohl nur in der Realität ertragen kann, ohne sie sofort kitschig zu finden. Kein YouTube Film konnte die Schönheit dieser Landschaft einfangen, kein Gemälde wird ihr gerecht, und Fotos erzählen auch nur die halbe Wahrheit. Ich weiß, dass ich die erste Hälft so bewusst wie nur möglich in mich aufsaugen muss. Ich muss mich von der Schönheit tragen lassen, bevor der Schmerz meiner Beine diesen Augenschmaus mit einem leidvollen Pinselstrich verwischt.
Ich sage dem Rest unserer kleinen Truppe immer wieder, wie toll das doch alles ist, und wie dankbar ich bin, dass wir so gutes Wetter haben. Denn wie so oft, war meine App ein ekelhafter Miesepeter, der wohl das Ziel hatte, schon vorher die Stimmung zu versauen.
Nach 33 Kilometern treffe ich Timm und die Truppe. Timm schlägt vor, ich solle doch meinen Ziehwagen hier lassen, er hätte ja auch seine Tasche dem Captain gegeben. Ich stutze kurz. Ich wollte doch alles mit Ziehwagen laufen. Aber mir wird plötzlich klar, wie bescheuert das eigentlich ist, wo wir doch den Luxus eines Begleitfahrzeugs haben. Ich habe mich die ganzen Monate immer mit diesem Ziehwagen an der Elbe gesehen, und hatte irgendwann total vergessen, den Sinn des Ganzen zu hinterfragen. Ich komme mir gleichzeitig sehr bescheuert und unglaublich erleichtert vor. Ich kann dieses Monster jetzt also einfach abschnallen und frei wie ein Vogel weiterlaufen. Außer, dass der Vogel völlig ermüdete Beine hat, und erschöpft ist.
Noch etwas mehr als 20 Kilometer von Pirna bis nach Dresden. Wenn ich bei so langen Läufen eine Pause mache, ist es immer eine kleine Tortur wieder loszulaufen. Als ob der Körper sich dagegen wehrt aus der wohligen Pause entlassen zu werden. Hölzern wie Pinocchio schlurfe ich los.
Plötzlich spüre ich meinen linken kleinen Zeh nicht mehr. Er ist wie ein Fremdkörper und bei jeder Linkskurve wird das richtig unangenehm. Die Sonne knallt auf uns herab und lässt die Schlösser und Anwesen auf den umliegenden Hügeln noch malerischer wirken. Immer wieder bitte ich Georg und Thorsten mir eine kurze Gehpause zu gönnen. Ich muss unglaublich vorsichtig sein, denn nach der heutigen Etappe folgen weitere 750 Kilometer. Jeden Tag ein Stück.Meine Begleiter sind super: Thorsten hat mir sogar spontan seinen Trinkrucksack als Leihgabe versprochen, da ich ja ab jetzt ohne Ziehwagen unterwegs bin. Eine Flasche, die ich schon morgens bewundert habe, hatte er mir bereits geschenkt. Er ist Hörer von zwei meiner Podcasts und hat einen sehr sympathischen Potsdamer Dialekt. Ich muss gestehen, dass ich nicht mal weiß, ob es das überhaupt gibt, oder ob er einfach nur berlinert.
Vor uns schält sich langsam Dresden aus dem hügeligen Horizont. Der scheußliche abgeschaltete Fernsehturm als erstem Boten. Das blaue Wunder, eine Brücke, kündigt laut Georg die letzten beiden Kilometer an. Und irgendwann stehen wir vor meinem Hotel, meine Uhr zeigt 54,6 Kilometer an und wir fallen uns zum Abschied dankbar und glücklich in die Arme.
Timm kommt dann auch plötzlich um die Ecke. Wir umarmen uns fest und lang. Heute hat jeder für sich gekämpft, und doch waren wir zusammen unterwegs. Es ist schön, so ein Abenteuer zu teilen.
Fotografien: Jonas Krantz