Unsere Recherche beschäftigt sich mit der Situation von landwirtschaftlichen Arbeiterinnen in Italien und anderen mediterranen Ländern. Obwohl Erntearbeiten in diesen Ländern immer mehr von Frauen erledigt werden, sind nicht nur ihre Löhne niedriger, als die von Männern. Sie sind auch großer Gewalt und Druck ausgesetzt.
Die Frauen - viele von ihnen Migrantinnen - werden bei ihrer Arbeit auf den Feldern und in Treibhäusern sexuell belästigt, genötigt und vergewaltigt. Sie ernten einen Großteil des Obst und Gemüse, das später in deutschen Supermarktregalen liegt. Spanien etwa ist das mit Abstand wichtigste Lieferland für Frischobst und Gemüse.
Die Arbeiterinnen werden von Vorarbeitern oder Chefs zum Sex gezwungen. Ihnen wird damit gedroht, dass sie sonst ihren Job verlieren. Da sie auf das Einkommen angewiesen sind, zeigen sie die Vergewaltigungen selten bei der Polizei oder Hilfsorganisationen an. Bei einigen Frauen kommt auch die Angst vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen hinzu.
Infolge der Wirtschaftskrise, der Zunahme prekärer Arbeitsverträge hat sich das Problem der sexuellen Belästigung, Erpressung und Gewalt gegen Arbeiterinnen in der Landwirtschaft in den letzten Jahren verschärft, wie uns sowohl lokale Gewerkschafter, als auch Forscher bestätigen konnten.
Frauen machen zwischen 40% und 70% der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in den von uns ausgewählten Ländern aus. Ihr Anteil an der Arbeitskraft ist in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen ist. Doch bisher hat sich keine Recherche den Arbeitsbedingungen von diesen Frauen gewidmet.
Wir wollen nach Italien und in anderen mediterranen Ländern reisen, um uns ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Außerdem wollen wir recherchieren, was deutsche und europäische Unternehmen, die Waren von diesen Feldern aufkaufen, von den Missständen wissen und was sie dagegen tun.
Wir wollen transparent machen, unter welchen Bedingungen Frauen im Agrarsektor in Italien und anderen mediterranen Ländern arbeiten müssen. Außerdem wollen wir recherchieren was deutsche Lebensmittelkonzerne über diese Zustände wissen und was sie dagegen tun.
Bisher gibt es keine Recherche über Landesgrenzen hinweg, die sich mit Erpressung und sexueller Gewalt gegen Erntehelferinnen auseinandersetzt. Das wollen wir ändern.
Wir wollen herausfinden:
- Was ist die Situation vor Ort?
- Wie viele Frauen sind betroffen?
- Was trägt dazu bei, dass so wenige von ihnen zur Polizei oder Staatsanwaltschaft gehen?
- Was tun die lokalen Unternehmen um die Frauen zu schützen?
- Welche deutschen Unternehmen kaufen die Waren von den Betrieben, in denen es Erpressung und sexuelle Gewalt gibt?
- Wissen die deutschen Aufkäufer von den Zuständen vor Ort?
- Wenn ja, was tun sie dagegen?
- Welche Maßnahmen wären notwendig, um die Lage der Frauen zu verbessern?
Wir möchten unsere Ergebnisse nicht nur in Deutschland (u.a. bei CORRECT!V), sondern auch international (v.a. Italien) veröffentlichen. Dabei wollen wir das Thema multimedial aufbereiten, neben Online- und Zeitungsartikeln auch Video- und Radiobeiträge produzieren.
Durch die Klage von pakistanischen Arbeitern gegen den Kleiderhersteller KiK, wird vermehrt darüber diskutiert, welche Verantwortung deutsche Unternehmen für die Sicherheit von Arbeiterinnen ihrer Zulieferer tragen. Das lässt sich auch auf die sexuelle Ausbeutung und Erpressung von Erntehelferinnen in der mediterranen Landwirtschaft übertragen, denn Spanien und Italien sind die wichtigsten Lieferländer für Deutschland.
Zusammengerechnet importiert Deutschland jährlich 700 Millionen Tonnen Frischobst aus beiden Ländern. Marokko ist der größte Obst- und Gemüseproduzent Afrikas und war in diesem Jahr Partnerland auf der Grünen Woche in Berlin. Nach Deutschland werden von dort vor allem Tomaten, Paprika, Gurken oder Zucchini geliefert.
Unsere Recherche soll den Konsumenten Informationen darüber liefern, welcher Gefahr die Arbeiterinnen auf den Feldern ausgesetzt sind, von denen sie ihr Obst und Gemüse beziehen.
Mit Hilfe des über das Crowdfunding eingeworbenen Geldes möchten wir in Italien und anderen mediterranen Ländern recherchieren. Wir verwenden das Geld fast ausschließlich, um unsere Reise-, Unterkunft- und Übersetzungskosten zu decken.
Ein kleiner Teil des Betrags wird dazu verwendet werden, die Lieferketten in Deutschland zu recherchieren.
Stefania Prandi ist eine italienische Fotojournalistin aus Milan und schreibt seit 10 Jahren über Geschlecht, Soziales, Umwelt und Außenpolitik. Sie hat für nationale und internationale Medien aus Äthiopien, Albanien, Indien, Griechenland und Portugal berichtet. Ihre Reportagen und Fotoessays erschienen u.a. in El Pais, Al Jazeera, Azione, Il Fatto Quotidiano.it, Elle, Vanity Fair, Rolling Stone und La Repubblica. Stefania hat einen Masterabschluss in Journalismus von der Universität Bologna und einen Master in Geschlecht und Intersektionalität von der Universität Linköping, Schweden.
Pascale Müller ist eine Multimedia-Reporterin aus Berlin. Ihre Reportagen sind unter anderem in Der Spiegel, im Tagesspiegel, auf Syria Deeply und Middle East Eye erschienen. Pascale hat in den letzten drei Jahren im Irak, der Elfenbeinküste, Tunesien, Marokko, Jordanien und Vietnam gearbeitet. Sie hat an der Dänischen Journalistenschule studiert und ist Absolventin der Zeitenspiegel Reportageschule Günter Dahl.
"Tomato Women" Reporting Team
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