Süddeutsche Zeitung vom 17.08.2012
Das Bauernhofmuseum auf dem Jexhof soll schon bald als Kulisse für einen Märchenfilm nach tschechischer Machart dienen. Regie führt Barbara Lackermeier, die seit drei Jahren in Schöngeising lebt. Finanziert wird das Projekt durch sogenanntes Crowdfunding
VON VALENTINA FINGER
Schöngeising – Es gibt sie noch: diese besonderen Orte, wo ein kleines Stück Kindheit in den Alltag durchschimmert. Da stößt man auf versteckte Pfade und wucherndes Dickicht, das in Zauberwälder passt, nicht aber in die Realität der Erwachsenenwelt. An solch einem unwirklichen Fleck wohnt Barbara Lackermeier, in einem Haus, das ebenso gut eine besenreitende Magierin beherbergen könnte. Vor drei Jahren ist sie mit ihrer Familie von München auf’s Land nach Schöngeising gezogen. Jetzt macht sich der Einfluss ihres neuen Zuhauses bemerkbar: Gemeinsam mit ihrer Freundin Lucie Lechner will die Schauspielerin einen eigenen Märchenfilm drehen. Und das soll am Jexhof in Schöngeising passieren.
Erzählen wollen die beiden Frauen die Geschichte „Vom Smolicek“ der tschechischen Schriftstellerin Božena Nemcova, aus deren Feder auch Märchenklassiker wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ stammen. Als Lucie Lechner, die in Tschechien geboren ist, mit der Projektidee auf sie zukam, war Barbara Lackermeier sofort dabei. „Es hat mich begeistert, was in der Tradition der tschechischen Märchen zu machen, weil die mich auch durch meine Kindheit begleitet haben“, sagt Lackermeier. Das Drehbuch hat Lucie Lechner selbst verfasst, auch die deutsche Übersetzung stammt von ihr. „In Deutschland kennt man die Geschichte gar nicht“, sagt Lackermeier. Ihr Kurzfilm soll das nun ändern. So manches gängige Märchenelement gibt es aber: Der kleine Smolicek wohnt mit seinem Großvater in einer Waldhütte. Doch der ist verzaubert, verbringt seine Tage als Hirsch in den Wäldern. Smolicek muss zuhause bleiben und darf unter keinen Umständen die Tür öffnen. Klar, dass einem Jungen da langweilig wird. Als eines Tages eine Waldfee anklopft, ist die Versuchung groß. Was dann passiert, wird nicht verraten. Obgleich sie in der Regel selbst spielt, hat Barbara Lackermeier für „Vom Smolicek“ dieses Mal den Posten der Regisseurin übernommen. Dafür hat sie sich in den vergangenen Monaten sehr intensiv mit Filmregie beschäftigt.
„Ich lerne durch Beobachten“, sagt die 40-Jährige, die sechs Jahre lang Teil des festen Ensembles beim Südostbayerischen Städtetheater in ihrer Heimatstadt Landshut war. „Mein Mann hat gesagt: Als Regisseur beim Film oder Fernsehen braucht man nichts können, da muss man nur eine Meinung haben – und die hab’ ich.“ Bei allem, wozu sie keine Meinung hat – „dieses ganze Technische“ – hilft ihr Andreas Manneck, der sich im Smolicek-Team um Licht und Kamera kümmert. Für die Musik soll Andreas Harwath sorgen, der auch als Regisseur an der Neuen Bühne Bruck überzeugt. Den Feinschliff verleiht dem fertigen Film dann der Cutter Tilmann Schulz. Doch damit der ans Werk gehen kann, muss erst mal gedreht werden. Und das kostet Geld.
Finanziert werden soll das märchenhafte Vorhaben durch sogenanntes „Crowdfunding“, eine Methode, bei der jeder, der möchte, das Projekt mit Spenden unterstützen kann. Wird die benötigte Summe erreicht, wird jeder Beitrag mit einem Dankeschön wie einem Filmplakat oder gar einer Komparsenrolle belohnt. Wenn nicht, gibt’s das Geld zurück. Solche Internetportale eröffnen besonders Quereinsteigern ganz neue Wege. „Es streut sich alles viel schneller und man hat viel mehr Möglichkeiten, sich zu präsentieren“, sagt Barbara Lackermeier. Knapp 1500 Euro hat die Smolicek-Crew bereits gesammelt, aber mehr als die Hälfte des Budgets fehlt noch. Um die einzunehmen, bleibt ihnen etwas mehr als ein Monat.
Alles andere steht. „Sobald das Geld da ist, könnten wir loslegen“, sagt Lackermeier. Mit dem bayerischen Volksschauspieler Sepp Schauer als Großvater und Barbara Bauer, die mitunter in der BR-Fernsehserie „Der Kaiser von Schexing“ zu sehen war, als eine der Waldfeen können „Die Produzentinnen“, wie Lackermeier und Lechner ihr neu ins Leben gerufenes Film-Kollektiv nennen, auch mit ein paar bekannten Namen aufwarten. Die Rolle des kleinen Smolicek übernimmt Lackermeiers fünfjähriger Sohn Jakob, dem man mit seinen blauen Augen und dem hellblonden Haar auch den „Michel aus Lönneberga“ abnehmen würde. Mit Kindern zu arbeiten, ist für Barbara Lackermeier eine spezielle Erfahrung: „Kinder sind so unmittelbar. Die haben eine Kraft in ihrem Ausdruck, die man sich später erst wieder schwer erarbeiten muss.“
Dass das Fernsehprogramm für die Kleinen heute großteils aus animierten Action-Serien besteht, findet Barbara Lackermeier schade. „Alles ist so schnell, dass es richtig flimmert. Ich finde es wichtig, da einen Gegenpol zu setzen“, sagt die ausgebildete Schauspielerin. „Bei den alten Filmen ist alles ein bisschen leiser und sensibler erzählt. Da siehst du den Michel aus Lönneberga halt zwei Minuten über die Wiese hüpfen und schnitzen. Wenn man das heute machen würde, müsste man noch drei Purzelbäume einbauen und einen Schnitt in den Finger und am besten noch einen Krankenwagen.“ Das Tempo etwas zu drosseln, hat für sie nichts mit Langeweile zu tun: „Märchen sind immer aktuell. Im Kindergarten hatten wir gerade eine Woche zum Thema Nein-Sagen und Grenzen setzen. Genau darum geht es auch in unserer Geschichte“, sagt Lackermeier.
Mit dem Jexhof und den umliegenden Wäldern in Schöngeising hat die Gruppe immerhin schon die perfekte Kulisse für ihr Vorhaben gefunden. „Als ich vor dieser Tür stand mit dem Vogelhäuschen und der Backsteinmauer, hab’ ich mir gedacht: Mei, das ist echt wie im Märchen“, sagt Lackermeier. Dort soll es am besten gleich im September losgehen. Läuft alles nach Plan, wollen sie ihr Werk beim Prager Kurzfilmfestival einreichen. Und sollte mit den Drehorten doch irgend etwas schief gehen, wäre da ja immer noch Barbara Lackermeiers eigener Märchengarten. Alle Informationen zum Projekt „Vom Smolicek“ gibt es auf www.startnext.de/vom-smolicek.