Neujahr 2021
Witten im Café Leye
Kaffeehaus und Kulturimpuls
Seit zwei Wochen fragen wir mit der Initiative „Witten im Café Leye“ in einem Crowdfunding um finanzielle Unterstützung. Über 5 000 Euro sind bereits von über 70 Menschen zugesagt. Ich bin davon ein bisschen überwältigt und sehr dankbar. Und ich möchte jetzt, zwischen den Jahren, den Impuls, der hinter der Initiative steht, etwas ausführlicher mitteilen. Das möchte ich für alle die tun, die schon gezeigt haben, dass sie das Vorhaben mit uns wollen. Aber auch für alle anderen. Das Projekt braucht zu seiner Verwirklichung einen großen, großen Kreis wohlwollender Helfer.
Mit dem neuen Café Leye wollen wir einen Beitrag leisten, die Stadt zu verändern, sie freundlicher, menschlicher zu machen. Cafés sind schon an sich solche freundlichen Orte menschlichen Beisammenseins. Zum Wittener Café Leye wird es darüber hinaus gehören, Kulturimpulse zu wecken und zu stärken, die in die weitere Stadt hinein wirken können, und vielleicht auch darüber hinaus.
Café
Das Café Leye hat Tradition in Witten. Wie oft hören wir, „da habe ich schon als Kind mit meiner Oma gesessen“, oder, „wir waren immer hier, wenn wir die Schule geschwänzt haben“. Die Wittenerinnen und Wittener lieben auch nach Jahren noch ihr Café Leye. Das spüren wir an dem unglaublich breiten, ermutigenden Zuspruch, den wir mit der Initiative, es wieder zu eröffnen, täglich bekommen. Dieser Zuspruch gilt einem großzügigen, gemütlich warmen Café, so wie es das Leye in der Erinnerung ist. Die Torten, die die Eheleute Pfeffer hier früher angeboten haben, sind legendär. Damit wollen wir nicht konkurrieren, aber hochwertige Kuchen, die es nur hier gibt, werden die Gäste im neuen Café Leye auch bekommen. Dazu besonders guten Kaffee, Espresso, Cappuccino… das Herzgeschäft eines Kaffeehauses. Ich selber trinke gerne Kaffee mit Kardamom. Darum möchte ich im neuen Leye auch Kaffee anbieten, wie er in Damaskus getrunken wird, mit Kardamom, Zimt, Gewürznelken, Muskatnuss und Rosenwasser. Ob die Wittener das mögen? Natürlich soll es auch kleine Speisen geben. Das diese mit vollwertigen, biologisch angebauten Zutaten bereitet, und dabei außerordentlich gut schmecken werden, ist für uns selbstverständlich. Ein wesentlicher Charakterzug eines guten Kaffeehauses ist das Übermaß an Zeit, das die Gäste hier empfinden können. Uns sind Gäste lieb, die den ganzen Tag bei uns verbringen; vielleicht lesend oder schreibend - und wir verhelfen so neuen Schriftstellerinnen oder Schriftstellern aus Witten ans Licht. Oder Gäste, die herkommen, um stundenlang im Gespräch zu sitzen und die Zeit darüber zu vergessen.
Espressobar
Eine Herausforderung ist es, den Eingangsbereich mit den Schaufenstern und der schmalen Tür ansprechend schön umzugestalten. Damit wollen wir schon im Januar beginnen, und damit, dort unten eine kleine Espressobar einzurichten. Der Zeit geschuldet wird es zunächst nur Kaffeegetränke zum Mitnehmen geben, und feine Kleinigkeiten zu essen. Später wird man drinnen und draußen auch sitzen können, Zeitung lesend, sich unterhaltend, oder nur so vor sich hin oder hinausschauend. Hier ist unser Ziel: die Gäste kommen wegen des guten Kaffees und wegen der feinen kleinen Speisen.
Café und Kunst
Das Café mit Musik und Dichtung zu beleben ist eines meiner Lieblingsanliegen. Viele Freunde aus meinem früheren Leben, dem vor dem Café, möchte ich einladen an dem neuen teilzunehmen. Immer Samstags wird es Kaffeehausmusik geben. Da wird es dem einen oder anderen vielleicht schwer, nur mit einem Ohr zuzuhören, so schön spielen die Musiker. Sehr gespannt bin ich, ob es gelingt auch die Dichtung in das Caféleben zu integrieren. Mit Kriminalromanen gibt es ja so etwas schon hier und da. Im Leye will ich es mit anderen Romangattungen, und womöglich auch mit Poesie, versuchen. Und die Erzählkunst! Die ist ein besonderes Anliegen. Befreundete, begnadete Erzähler werden im Café Leye den Zauberschleier ihrer Geschichten aus aller Welt über den Gästen ausbreiten.
Gartenterrasse
Im Süden ist in der ersten Etage die große Terrasse, die wir zu einem grünen Terassencafé umgestalten wollen. Auch hier kann ein wunderbarer Ort für Musik- und Theaterereignisse entstehen.
Kursraum
Wir mieten das Café von der gemeinnützigen „Projektfabrik“, die in den vergangenen Jahren die Räume mit Leben gefüllt hat. Den Kursraum wollen wir mit der Projektfabrik zusammen bespielen. Ihr Kerngeschäft ist die Theaterpädagogik. Arbeitslose Jugendliche finden im Einstudieren und Aufführen von Theaterstücken Mut, ihr Leben selber in die Hand zu nehmen. Das Frederik-Ensemble ist eine solche Gruppe von Jugendlichen. Es wird weiterhin an drei oder vier Tagen der Woche von 10 bis 14 Uhr in dem, an das Café angrenzenden, Kursraum proben. Dafür installieren wir eine faltbare Glaswand, die den Schall abhält. Mit Hilfe von Lamellen kann, je nach Bedürfnis, der Einblick vom Caféraum in den Kursraum und andersherum mehr oder weniger möglich sein. Dieses künstlerische Leben empfinden wir als eine wirkliche Bereicherung. Vielleicht wird das mehr atmosphärisch als direkt sichtbar wirksam sein. Zu den Zeiten, in denen das Frederik Ensemble nicht probt, wollen wir den Kursraum anderen Übenden zur Verfügung stellen. Schauspiel, Musik, Tanz, Yoga, all das kann, angrenzend an das Leben des Cafés, diesen Ort mit zum Vibrieren bringen.
Veranstaltungen
Im Moment planen wir, das Cafe bis 19 Uhr geöffnet zu haben und danach die Abendveranstaltungen vorzubereiten. Dafür wird die faltbare Glaswand geöffnet und wir haben einen wunderbar vielfältig nutzbaren Café- und Veranstaltungssaal, auch einen Festsaal. Tango- und andere Tanzabende, auch Volkstanz, soll es regelmäßig geben. Kleine Schauspielaufführungen der Projektfabrik und anderer Ensembles sind möglich. Wir wollen anspruchsvolle Konzerte und Lesungen veranstalten.
Ein besonderes Anliegen sind uns, neben all diesem, Gesprächsformate zu Themen der Zeit. In moderierten Podiumsgesprächen und eingeleiteten Gesprächen mit den Gästen wollen wir gesellschaftspolitische Fragen bewegen, die die Wittener Bürgerinnen und Bürger interessieren. Das können zunächst Fragen sein, die die unmittelbare Umgebung, das Leben der Menschen in Witten, betreffen. Die Gestaltung und das Leben der Innenstadt etwa, verschiedene Verkehrskonzepte, das Leben an der Ruhr oder ganz konkret: welche Ideen und Wünsche für das leerstehende Kaufhofgebäude gibt es? Witten im Café Leye.
Dann wollen wir auch Themen besprechen, die das ganze Land betreffen. Wie denken wir über die Weiterentwicklung der Demokratie? Über die Entwicklung der Arbeit in unserer Gesellschaft. Über neue Unternehmensformen? Über das Geld? Wie stehen wir zu der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens? Uns interessiert bei all dem das Gespräch, die Fragen, die diese Fragen aufwerfen. Wir wollen nicht politisch aktiv werden, außer, dass wir dem Gespräch Raum geben. Vielleicht gelingt uns allen zusammen damit ein Wesentliches. Heute, wo es so schwer scheint, nicht mit festgeformten Urteilen aufeinanderzuprallen oder sich zu entzweien.
Natürlich ist es nicht zeitgemäß nur auf die eigene Stadt oder das eigene Land zu blicken. Die weltweiten, alle Menschen betreffenden Fragen, wollen ebenso wichtig genommen werden. Die Klimakrise, die Corona-Krise - auch was die Sphäre betrifft, in der wir mit allen Menschen zusammen leben, soll in Veranstaltungen bewegt werden. Und vielleicht hat das dann wieder Auswirkungen auf unsere unmittelbare Umgebung in der Stadt.
So sind unsere Ideen für Veranstaltungen. Was davon wirklich geschehen wird, werden natürlich erst die Menschen entscheiden, die wegbleiben oder kommen werden. So soll das auch sein!
Unternehmensform
Das Unternehmen Café Leye soll ein Gemeinwohl-Unternehmen sein. Wir wollen unternehmerisch tätig werden, weil wir diesen Ort ermöglichen wollen, mit dem Leben, wie es oben beschrieben ist. Für uns heißt das, dass wir erwirtschaftete Gewinne nicht aus dem Unternehmen nehmen werden. Die Gewinne bleiben im Unternehmen und werden nachhaltig, im Sinn der leitenden Unternehmens-Werte, eingesetzt. Das Unternehmen gehört so sich sozusagen selbst - es gehört so auch uns allen.
Immer wieder werde ich gefragt, warum gerade jetzt ein Café eröffnen. Mit allem, was in meiner Vorstellung mit dem Ort verbunden ist, den ich mit Freundinnen und Freunden in der Wittener Mitte ermöglichen möchte, versuchen wir auch eine Antwort zu geben auf die Frage: „Was sagt uns die Corona-Krise darüber, was jetzt notwendig ist?“ Wir wollen so bescheiden beitragen zu einem guten Jahr 2021 und guten 20er Jahren des 21. Jahrhunderts.
Mit den Besten Wünschen für die Gesundheit und ein gutes neues Jahr
Stephan Nussbaum