Wortwalz-Update: Auf den Schlips getreten - und dazu gelernt
Es gibt viel zu lernen, nicht nur auf Journalistenkonferenzen, sondern auch in Gesellenkneipen. Letzte Woche hatte ich die Freude in Hamburg gleich an zwei solchen Orten einiges Neues erfahren.
Nachdem ich viele tolle Zuschriften von Lokalredaktionen und Lesern bekommen habe, meldeten sich zuletzt auch immer mehr Gesellen bei mir. Ein inzwischen wieder einheimisch gewordener Geselle lud mich beispielsweise auf seinen Hof nach Norddeutschland ein. 1998 war er für 3 Jahre und 11 Tage als Tischler unterwegs. Heute stünde für mich ein Bauwagen bereit, eine Lokalredaktion werde sich schon finden. Großartig!
Aber er schrieb auch:
„Ich weiß wie schwierig das Leben auf der Straße sein kann, deinen Berichten nach zu urteilen hast du dich schon sehr gut in Gesellenkreisen informiert, wahrscheinlich bist du aber auch nicht immer auf Wohlwollen gestoßen. Es existiert eine gewisse Reserviertheit der Presse gegenüber, daher möchte ich dich darin bestärken dich nicht von intoleranten "zünftig" Reisenden belegen zu lassen und dein Ding so durchzuführen.“
Tatsächlich bekam auch andere Nachrichten: „Wir hassen Trittbrettfahrer“, schrieb mir eine Gesellin. „Denk euch doch euer eigenes Ding aus, du kannst doch Praktika machen, wie es sich für Bürogummis gehört!“ Der Schnack auf der Straße sei nicht gerade enthusiastisch, wenn es um meine Idee gehe, hörte ich. Es gab besorgte Anrufe und grummelige Mails. Um ehrlich zu sein: Das hat mich überrascht. Denn meine Motivation überhaupt loszulaufen ist ja vor allem meine Begeisterung, Bewunderung und mein Respekt für das, was die Wandergesellen jeden Tag tun.
Wann immer ich gebeten werde von der Wortwalz zu erzählen, achte ich darauf deutlich zu sagen: Ich bin keine echte Gesellin. Was die machen ist eine ganz andere Nummer. Das schreibe ich auch extra so auf meiner Homepage. Mir ist es auch wichtig, keine falschen Informationen über die Wanderjahre zu verbreiten. Und: Ich werde unterwegs keine Kluft tragen (damit würde ich ja nur die von mir so heiß geliebten Kaninchenzüchter vergraulen…), keinen Charlottenburger schultern, sondern einen spießigen Wanderrucksack dabei haben, und auch sonst keine Kostümparade starten.
Ich habe mich über die Anregungen gefreut und mir über die Kritik Gedanken gemacht. Ich verstehe, dass die Walz für viele Gesellen eine schützenswerte Tradition ist. Sie ist ja auch deshalb so fein, weil Viele gut darauf aufgepasst haben. Deshalb gibt es jetzt ein paar Änderungen an der Wortwalz: Der Untertitel der Website lautet nun nur noch „eine Wanderung durch den Lokaljournalismus“. Ich weise nochmals deutlich darauf hin, dass Gesellen nicht bloß für Kost und Logis arbeiten, sondern regulär nach Tarif bezahlt werden. Und nochwas: Die hübsch gezeichneten Gesellen verzichten jetzt mal frei und frank auf ihre Ehrbarkeit. Denn ich gehöre natürlich zu keinem Schacht und keiner Zunft. Jede Ähnlichkeit zur realen Welt ist rein zufällig und nicht von der Autorin beabsichtigt. Soll heißen: Für die Schlipse, auf die ich getreten bin, bitte ich hiermit um Verzeihung.
Und jetzt würde mich noch interessieren: Was haltet ihr davon? Darf man heute im Jahr 2014 eine Jahrhunderte alte Tradition nehmen und sie auf eine andere Branche anwenden?
PS: Einer Umbenennung in www.wortwitz.de werde ich mich hartnäckig entgegen stemmen.