Ein Einblick in die Arbeit des Lektorats
Die meisten Bücher im Angkor Verlag übersetze ich selbst und bin dann auf die Hilfe von Lektorinnen angewiesen (es waren in der 22-jährigen Verlagsgeschichte überwiegend Frauen, die zudem Japanologie studiert hatten). In diesem Fall hat die Lektorin Susanne König übersetzt und ich habe ihre Aufgabe übernommen. An einer Stelle wollte ich eine Änderung, und sie beharrte auf ihrer Wortwahl. Hier stellte sich die grundsätzliche Frage, wie weit bei einer Übersetzung das Ausgangsmaterial verändert werden darf. Meiner Ansicht nach sollte das bei akademischen Arbeiten unterbleiben, bei Romanen kommt es auf die Ansicht des Autors an (Haruki Murakami z.B. sagte einmal, ihm würde es genügen, wenn Stimmung und Stil seiner Geschichten angemessen übertragen würden, er räumt dem Übersetzer also Freiheiten ein). Da wir es hier mit einem Sachbuch zu tun haben, bin ich dafür, Ausdrucksschwächen des Autors im Text selbst auszubügeln. Doch da es nicht meine Übersetzung ist, habe ich mich mit einer Fußnote ("Anmerkung des Verlegers" ) begnügt. Hier die Textpassage aus dem Gespräch des Autors mit einem Zen-Abt. Sie bezieht sich auf einen Jungen, der als einziger aus einer Gruppe, die zum Gebet um Regen auszog, daran dachte, einen Schirm mitzunehmen.
"Herr Hosokawa, Sie sprachen doch vorhin von der Empfindung des Jungen, am Tag des Regengebetes einen Schirm mitzunehmen. Das ist „Weisheit des Nicht-Unterscheidens“ (jap. mufunbetsu)*. Es ist die Welt des Nicht-Unterscheidens, in der wir im wahrsten Sinne leben, und es ist die Weisheit des Nicht-Unterscheidens, die wir schätzen sollten. Ich denke, um in der künftigen Welt des Chaos zu leben, bedarf es nur des Wissens von Hun Dun. Wenn man meint, auf Chaos mit der Weisheit des Unterscheidens reagieren zu wollen, dann kann man es nicht damit aufnehmen. Unsere Stärke ist es, diese Welt des Chaos zu haben. Ich kann es nicht in Worte fassen. Wenn man sie trennt, stirbt diese Welt. Ist es nicht die Stärke von uns Zen-Mönchen, das wir uns angeeignet haben, das Herz-Sutra mit ganzem Herzen lesen oder schreiben zu können?"
In der Fußnote* schrieb ich: "Da der Junge sich vor dem Regen mit einem Schirm schützen will, kann man durchaus davon sprechen, dass er „unterscheidet“, nämlich lieber nicht nass werden will. In klassischen Zen-Texten wird deshalb genauer die Vorstellung der „Unterscheidung innerhalb der Un-Unterscheidbarkeit“ entworfen; es ist also nötig, auch im Nicht-Unterscheiden sich eine Unterscheidungsfähigkeit zu bewahren. (Anm. d. V.)"
Eine solche Erklärung ist dem Anliegen meines Lebens geschuldet, Zen auf eine möglichst nicht-religiöse und verständliche Weise zu verbreiten, die nah am tatsächlichen Alltag der Menschen dran ist. In diesem Alltag ist eine klare Unterscheidungsfähigkeit und ein Wertesystem hilfreich. Im üblichen "Zen-Sprech" könnte dies untergehen und, wie ich meine, in obiger Textstelle missverstanden werden.