Wie es sich anfühlt, wenn einem das Wasser bis zur Halskrause steht, haben wir in den vergangenen Jahren immer mal wieder erlebt. Buchstäblich und im übertragenen Sinn. Fast schon legendär eigentlich, mit wie wenig der Club Hafenklang bisher ausgekommen ist – und damit erstaunlicherweise immer durchkam.
Jetzt sieht es extrem viel finsterer aus. Außenstände im höheren fünfstelligen Bereich, hervorgerufen u.a. durch exorbitant gestiegene Betriebskosten, die Rückzahlung von Coronahilfen und das radikal veränderte Ausgehverhalten nach der Covidpandemie im Allgemeinen. Das sind die Hauptgründe dafür, dass wir sehr kurz davor sind, das Handtuch endgültig zu werfen. Diese Situation ist für uns neu.
Praktisch jeder Gast, der mehr als einmal hier war, jede Band, die auf unseren Bühnen stand, jeder Kilometer, der beim Punkerstammtisch um die Tischtennisplatte zurückgelegt wurde, jeder DJ, der stundenlange ekstatische Tanzorgien ermöglicht hat, jeder Liter Kunstblut, der beim Rock & Wrestling verschüttet wurde und nicht zuletzt praktisch jede:r Mitarbeiter:in – sie alle haben ihre eigenen tausend Gründe, warum der letzte hohle Zahn im aufgehübschten Holzhafenquartier noch lange nicht gezogen gehört.
Legt den Defibrillator der Solidarität an unsere Brust und pumpt, was geht – jeder Euro hilft. Echt!
Bereichert hat sich in unserer 27-jährigen Existenzzeit sicherlich noch nie jemand. Eher im Gegenteil: Für den Hafenklang aktiv zu sein, egal in welcher Rolle, hat seit Anbeginn schon immer extrem an Selbstausbeutung gegrindet. Und selbst wenn die sogenannte Managementebene mit 18,00 Euro Stundenlohn zu Buche schlägt: Jede derart abgerechnete Stunde wurde zumeist eher dreimal abgearbeitet.
Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, müssen wir monatlich rund 40.000,00 Euro Fixkosten stemmen. Und das bei dem bereits benannten radikal veränderten Ausgehverhalten seit dem Ende der Pandemie.
Apropos: Rund 17.000,00 Euro Rückzahlung von Coronahilfen kommen als ein erster außergewöhnlicher Posten aller Außenstände in die Rechnung, die wir euch hier aufmachen. Ob wir in dieser Causa eines Tages doch noch Recht bekommen werden und auf diese Rückzahlung verzichtet wird, ist nichts weiter als Kaffeesatzleserei. Momentan stehen wir mit dem Betrag in der Kreide.
Wer zuletzt bei einer unserer Veranstaltungen war, weiß, dass wir eine massive Baustelle auf den unteren Toiletten haben. Bereits Anfang des Jahres trat das Problem zu Tage – wortwörtlich. Wir ersparen euch die schmutzigen Details dieses Shitstorms und belassen es dabei zu erwähnen, dass der Gebäudeeigentümer es nicht bei der Beseitigung (und Bereinigung) der Verstopfung beließ, sondern stattdessen eine sogenannte Laborbohrung in Auftrag gab, deren wenig überraschendes Ergebnis eine Bakterienbelastung im Mauerwerk ergab, woraufhin eine etwa 12-wöchige Sanierung seitens des Eigentümers angeordnet wurde, verbunden mit der Androhung, dass wir als Verursacher der Verstopfung belangt werden würden. Ein kostspieliger Rechtsstreit mit offenem Ausgang steht uns hier noch bevor.
Eine reguläre, oder gar „vernünftige“ Veranstaltungsplanung in dieser Bauzeit zu betreiben, war uns nicht möglich: Die Löcher im Veranstaltungskalender, die sich daraus ergaben, sind nun eindeutige Löcher in unserer Kasse. Eine Kasse, die seit dem „Ende“ der Pandemie übrigens ohnehin schon mit rund 80.000,00 Euro aus privaten Darlehen und dem Kredit durch eine Brauerei belastet ist.
Betrachten wir aber übrigens auch einmal das, was uns bei aller Misere derzeit am meisten zu schaffen macht. Denn die Schieflage, in der wir uns aktuell befinden, ist nämlich sicher nicht auf „Misswirtschaft“ zurückzuführen. Megalomanisierung, extreme Eventisierung und Monopolisierung des „Livebusiness“ tragen, neben den andauernden Phänomenen der Gentrifizierung, massiv zur Verdrängung von Läden wie dem Hafenklang bei. Gemeinwohlorientierung und Förderung von eher unkommerzieller, sperriger und alternativer Kultur ist offenbar nichts, was im Spätkapitalismus sonderlich sexy anmutet, oder gar als erhaltenswert gilt. In Hamburg kann man bereits ein Lied mit einigen Strophen vom „Clubsterben“ singen. Unsere – auf ihre Art vielleicht sogar „irgendwie putzige“ – Unwirtschaftlichkeit hat keine dauerhafte Perspektive ohne eine entschiedene und eindeutig für Kultur außerhalb des Mainstreams positionierte Politik. Sei es institutionelle Förderung, seien es andere Möglichkeiten der staatlichen Subventionierung. Es gäbe Hebel, das Überleben von Clubs wie dem Hafenklang zu sichern. Einzig, es muss auch gewollt werden. Schaut man sich bei uns vor der Tür mal genauer um, sieht es derzeit nicht danach aus.
Wir können die aktuelle Situation weder allein noch aus eigener Kraft stemmen. Die Flinte ins Korn zu werfen ist dabei aber sicher nicht unser Ding – und an der Stelle kommt ihr ins Spiel. Unterstützt die Kampagne mit ein paar Euros. Oder damit, dass ihr sie teilt und laut für uns seid, damit wir zukünftig auch weiter laut für euch sein können. Und kauft Tickets zu unseren Veranstaltungen besser früher als später.
Unser Fundingziel ist mit 100.000,00 Euro ansonsten sicherlich als mindestens sportlich zu bezeichnen. Damit wir das zukünftig nicht im Zweijahrestakt wiederholen müssen, ändern wir v.a. unternehmerisch einige Dinge, um wieder eine langfristig stabile Grundlage zu bekommen. Wir wollen ja nicht nur noch Veranstaltungen fahren, die sich vermeintlich wirtschaftlich lohnen.
Wir haben unsere Infrastruktur und unsere Arbeitsweisen über die Jahre schon so sehr optimiert, dass hier weitere Einsparungen kaum denkbar sind. Der Hafenklang verfügt über eine eigene Bandunterkunft und wir können immer ein In House Catering anbieten. Die gesamte technische Ausstattung ist unser Eigentum. Nur leider eben nicht mehr überall State of the Art und es fehlt uns hier an Geld für die dringendsten Neuanschaffungen.
Wir haben den Sommer über auf dem Transfermarkt zugeschlagen und unser Booking-Team verstärkt. Diese Verstärkungen bringen neue Netzwerke mit. Und wir lassen zunehmend externe Expertisen zu, beispielsweise haben wir uns unternehmensberatende Hilfe an Bord geholt. Größere Agenturen werden in Zukunft bei Anmietungen für Showcases tiefer in die Tasche greifen müssen.
Im Hafenklang war es schon immer wichtig, neue Sachen auszuprobieren. Hier fanden die ersten Dubstep und Grime-Partys der Stadt statt. Der Club war und ist Heimstätte der inzwischen international bekannten Formate Garageville, Get Lost, Booze Cruise, Moonbootica, Rock & Wrestling oder Drumbule. Der Hafenklang gibt Newcomer Acts, experimenteller Musik, Nischenmusik und völlig unbekannten Acts die Bühnen, die sie brauchen.
In die Waagschale werfen wir zusätzlich vor allem jede Menge Credibility, bzw. „immaterielles
Kulturerbe“. Der Hafenklang hat nach wie vor den vermutlich vollsten Veranstaltungskalender der Stadt. Wir geizen selten mit exquisiten Bookings und haben noch immer höchst akzeptable Thekenpreise. Die Erinnerungen, die in unseren stickigen Wänden gespeichert sind, wiegt kein Schwein jemals mit Geld auf. Das zusammengenommen ist nicht Nichts.
Der Blick auf unser Herbst- /Winterprogramm lässt außerdem die Hoffnung zu, dass der momentan anscheinend zahnlose Tiger Hafenklang dann wieder kraftvoll zubeißen kann. Einzig in den kommenden Herbst/Winter müssen wir halt überhaupt erstmal kommen.
Gelingt es uns jetzt, die 100.000,00 Euro mit der Kampagne einzuwerben, können wir ausgiebig Luft holen und deutlich unbeschwerter neuen Anlauf nehmen für das, was unsere hauptsächlichen Kernkompetenzen sind: Gewagte Bookings, unentdeckte Klanginseln im ansonsten immer gleicher klingenden Einheitsbrei aufstöbern, extreme Dopaminausschüttungen bei unseren Gästen hervorrufen, die unsere Veranstaltungen besuchen.
Wir wollen, verdammt noch eins, weiter dreckig bleiben, weiter divers sein und vor allem weiter die felsenfeste Legende bleiben, aus denen ganze Generationen weite Teile ihrer Biografien stricken.
Hinter dem Projekt BROKE BUT DOPE – SAVE HAFENKLANG steht ein breites Bündnis über die Kiezgrenzen hinaus – bestehend aus Veranstalter:innen, Clubs, Künstler:innen, Gästen, Mitarbeitenden, Weggefährt:innen, Labels, Freaks und Friends, denen die alternative und subkulturelle Abendgestaltung in Hamburg noch längst nicht egal ist. Durchgezogen wird die Kampagne vom Verein Hafenklang Kultur e.V. – dort landet, als federführendem Verein im Laden, auch das hier eingenommene Geld zur Rettung des Hafenklang.