Mit dem Buchprojekt „Poetische Utopie“ machen wir erstmals das gesamte architektonische und künstlerische Werk des Architekten, Künstlers, Kritikers und Lehrers Burkhard Grashorn zugänglich und wollen es damit in den (architektur-)historischen Kontext des späten 20. Jahrhunderts einordnen.
Burkhard Grashorn, geboren 1940 in Oldenburg, gehört zu den unbequemen und vielleicht auch deshalb heute eher unbekannten Vertretern einer Generation von Architekten, die in den 1970er und 1980er Jahren die intellektuelle Debatte über die Architektur in Deutschland durch Kritik und Entwurf gleichermaßen geprägt haben. Kooperationen, Bekanntschaften und Briefwechsel mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Michelangelo Antonioni, Wim Wenders, Alfred Hrdlicka oder W. G. Sebald zeugen davon.
Als Architekt und Denker war Grashorn an der Auseinandersetzung mit der klassisch gewordenen Moderne während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich beteiligt. Zu zentralen Wettbewerben der deutsch(-deutsch)en (Un)Kulturgeschichte – wie beispielsweise für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas (1994, in Zusammenarbeit mit Manon Hoof) – hat er aufsehenerregende Entwürfe vorgelegt.
So kann man von Grashorn heute lernen, dass Architektur, konzipiert aus einer Kohärenz von historischer Bildung, kritischer Beobachtung und formalem Gestaltungswillen, eine Architektur also, die sich nicht scheut, poetischen Ausdruck und gesellschaftspolitischen Anspruch zu verbinden, gleichermaßen zeitlos sein und dabei dennoch die Herausforderungen einer Zeit und ihrer Gesellschaft thematisieren kann.
Das seine Arbeit durchziehende architektonische Thema ist die Auseinandersetzung mit der (Architektur-)Geschichte als einem durch die Jahrhunderte fortgeschriebenen und durch die Moderne unterbrochenen Kettenbrief. Schon seine frühen Arbeiten wie beispielsweise ein Stadtentwurf für Rom (1971), vor allem aber der später für die 1. Architekturbiennale entstandene Turm der Utopien (1980), zeigen Grashorns Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht als Archiv, sondern als ein Arsenal aus dem er schöpft, dessen Inhalte er in neue Zusammenhänge ordnet und fortschreibt. Seine Beiträge zu großen und viel diskutierten Wettbewerben wie jenen für den Parc de la Villette (1983), die so genannte Topographie des Terrors (1985, in Zusammenarbeit mit Alfred Hrdlicka), das Deutsche Historische Museum (1988) oder eben das erwähnte Denkmal für die ermordeten Juden Europas sind einem radikalen Geist verpflichtet, der sich jedem kompromissfordernden Verwertungsanspruch verweigert.
So konnte Grashorn nur wenige seiner Projekte realisieren. Sein Werk kann also nicht einfach aufgesucht und durch Anschauung studiert werden. Die Erstellung eines Werkverzeichnisses und dessen Veröffentlichung als Buch scheinen uns daher besonders wichtig, um diese bemerkenswerte und leider doch fast vergessene Figur der jüngeren Architekturgeschichte sichtbar zu machen.
Mit der Erstveröffentlichung des Gesamtwerkes von Burkhard Grashorn wollen wir einerseits die Persönlichkeit Grashorn würdigen, der wir selbst und viele andere Studierende der Universitäten in Dortmund und Weimar eine einzigartige Form des Zugangs zum Studium der Architektur und damit einen Teil unseres Selbstverständnisses als Architekten verdanken.
Andererseits wollen wir, aus wissenschaftlicher Perspektive, eine bestehende Lücke in der Historiografie der deutschen Spät- und Postmoderne schließen.
Im Zuge des Projekts wurde das Werk Grashorns daher erstmals in seiner Gesamtheit erfasst und eingeordnet. Durch die Publikation soll es der breiten Öffentlichkeit und vor allem auch einer jüngeren Generation von Architekten zugänglich gemacht werden. Schließlich wird so auch, stellvertretend durch Person und Werk Grashorns, eine Zeit und ihre Ideengeschichte thematisiert.
Das Buch ist für all diejenigen interessant, die sich für eine „unbedingte Architektur“ begeistern, die noch den Anspruch hegt, gleichermaßen gestalterisch und gesellschaftlich relevant zu sein, für all jene, die die Architektur der Zeit um die 1970er und 1980er Jahre vertiefend verstehen und diejenigen, die einen kaum bekannten Architekten und Lehrer entdecken möchten.
„Architektur ist unvermeidbar“, sagt Burkhard Grashorn, und weist damit nicht nur auf ihre offensichtliche Präsenz in unserer Umwelt, sondern gleichzeitig auf die daraus erwachsende Verantwortung der Architekten und Architektinnen hin, die es ihm immer galt, zu verteidigen.
Wir wollen Burkhard Grashorns heute nur noch Wenigen bekannte Arbeiten neu zugänglich machen, weil:
• Grashorns Arbeiten faszinieren:
Die Arbeiten Burkhard Grashorns sind häufig von einer ungestümen, rauen künstlerischen Qualität. Großformatige Collagen, Kohlezeichnungen, Drucke oder auch Modelle in Bronze sprechen eine materialhafte Sprache, die in der heutigen auf Perfektion getrimmten Architekturvermittlung selten geworden sind.
• Grashorns Arbeiten herausfordern:
Sein Werk ist von einem radikalen Geist geprägt, der sich jedem kompromissfordernden Verwertungsanspruch verweigert. Und so schwierig eine solche Haltung im Dialog von Auftraggeber, Planungsbehörden und Nutzern sein mag, für die Architektur selbst setzt sie stetig erneuerndes Potential frei
• Grashorns Arbeiten relevant sind:
Grashorns schon in den 1970er Jahren entwickelten Positionen zu Fragen der (Stadt-)Landschaft und ihrer Zersiedelung, zur architektonischen Form, ihrer historischen Bedeutung und zeitgenössischen Transformation sowie zur Nachhaltigkeit jenseits ökologischer Diskurse betreffen Themen, die heute noch relevanter scheinen als damals. Die Beschäftigung mit Grashorns Werk kann hier noch immer neue, radikale Ansätze bringen.
Das Geld dient ausschließlich der Produktion des umfangreichen und hochwertig ausgestatteten Buches, die insgesamt etwa 10.500 EUR zzgl. MwSt. kosten wird. Für die Produktion arbeiten wir mit lokalen Betrieben in Thüringen zusammen.
Die bisherigen Arbeiten – Recherchen in Universitäts-, Stadt-, Kreis- und Landesarchiven sowie privaten Sammlungen; Reisen zu den realisierten Bauten; Gespräche mit Wegbegleitern und Zeitzeugen und vieles mehr – haben wir bereits geleistet. Die für die Abbildung im Buch notwendigen Reproduktionen von Grashorns Arbeiten wurden mit großer Unterstützung des Archivs der Moderne und den Künstlerisch-Experimentellen Werkstätten der Bauhaus-Universität Weimar realisiert.
Alle nun für die Produktion des Buches notwendigen Schritte von Lektorat über Layout und Satz bis Korrektorat, Druckbegleitung und Vertrieb werden vom Weimarer Architekturbuchverlag M BOOKS übernommen.
Wir, Michael Kraus und Simon Scheithauer, sind Herausgeber des Buches und haben beide an der Bauhaus-Universität Weimar Architektur studiert. Burkhard Grashorn war einer unserer Lehrer und hat unsere Begeisterung für dieses Fach wesentlich geprägt. Während unseres Studiums gehörten wir zu den Gründern der Architekturzeitschrift HORIZONTE und sammelten dabei erste Erfahrungen im Bereich publizistischer Konzeption und Produktion. Heute lebt Michael als Verleger von M BOOKS in Weimar und lehrt zusätzlich an der TU Darmstadt, Simon lebt und arbeitet als Architekt in Köln.
Für das Buchprojekt „Poetische Utopie“ haben internationale Autor*innen Beiträge zugesagt, die zu einem großen Teil bereits verfasst sind. Die Historiker*innen, Theoretiker*innen und Architekt*innen setzen sich im Buch mit dem Werk Grashorns und seiner Bedeutung für die jüngere Architekturgeschichte auseinander.
Mit dem Kreativduo „SCHMOTT“, Mathias Schmitt und Michael Ott, haben wir zwei außergewöhnliche Fotografen für das Projekt gewinnen können, die einerseits Grashorns realisierte Bauten dokumentiert haben und andererseits mit einem fotografischen Essay eine eigene Auseinandersetzung mit Grashorns Werk realisiert haben.
Die Köpfe hinter dem Grafikdesignbüro „Happy Little Accidents“, Tobias Dahl und Patrick Martin, entwickeln das grafische Konzept des Buches und helfen so, das komplexe Werk Grashorns zugänglich zu machen.
BG