Statement von Rechtsanwalt Günther an die Crowdfunding Community
Liebe Leute,
nachfolgend ein Statement von Rechtsanwalt Günther zum Stand und weiteren Verlauf. Der Schriftsatz und andere formale Schritte dürften voraussichtlich (unverbindlich) maximal in den kommenden 14 Tagen fertiggestellt sein. Einblicke in den Schriftsatz folgen gesondert, wenn dieser fertiggestellt ist.
Über einen besonderen, exklusiven Beitrag / Einblick für die Crowdfunding Community informiere ich diese zeitnah direkt.
Statement von Herrn Günther an die Community:
»Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,
mit diesem Statement will ich Ihnen einige Informationen dazu zur Verfügung stellen, wie es mit der Sache weitergeht. Denn wahrscheinlich wundert sich doch die / der eine oder andere, warum die Verfassungsbeschwerde immer noch nicht eingereicht ist. Deshalb zur Erklärung das Folgende:
Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat mehrere Besonderheiten. Eine sehr wichtige Besonderheit ist, dass eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen werden muss. Der erste Prüfungsschritt des Bundesverfassungsgerichts dreht sich deshalb um die Frage, ob einer der beiden Annahmegründe vorliegt, die das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG) in seinem § 93 regelt. Danach ist die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen, »soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt« oder »wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist...« (bei den in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten handelt es sich um die Grundrechte einschließlich der sogenannten Prozessgrundrechte). Unmittelbar mit dem Annahmeerfordernis hängt zusammen, dass in der Praxis das Bundesverfassungsgericht eine Akte anlegt, die zunächst allein aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers nebst etwaigen Anlagen besteht und sich erst während der Vorprüfung entscheidet, ob die Verfassungsbeschwerde überhaupt (im Rahmen des sogenannten Zustellungsverfahrens, bei dem das Gericht Äußerungen sachkundiger Stellen einholt) weiter verfolgt und nach außen bekannt wird. Für den Beschwerdeführer bedeutet das, dass er das Bundesverfassungsgericht mit seinem Schriftsatz so für die Sache interessieren muss, dass es ein verfassungsrechtliches Problem sieht, dem es im Sinne des Beschwerdeführers nachgehen will. Hieraus ergeben sich spezielle Anforderungen an die Darstellung, bei der man sich entsprechende Mühe geben muss. Trotzdem stehen die rechtlichen Aspekte natürlich im Vordergrund – aus einem schwachen Fall wird auch bei guter Darstellung kein starker, und ein starker Fall verträgt auch eine technisch-trockene Präsentation. Aber das ist kein Grund, die Arbeit am Text zu vernachlässigen.
Was die rechtlichen Aspekte unseres konkreten Falles angeht, so ist das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG), um das es hier geht, bereits in vielen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Thema gewesen. Das würde dafür sprechen, den zweiten Annahmegrund geltend zu machen und zu sagen, die angegriffene Änderung des Infektionsschutzgesetzes verletze etablierte Grundsätze der Auslegung und Anwendung von Art. 2 Abs. 2 Satz1 GG. Das erscheint mir aber zu kurz gegriffen, denn die Fallgestaltung, dass der Gesetzgeber und im weiteren Sinne die öffentliche Gewalt insgesamt in einer aus Sicht der Beschwerdeführer unzureichenden Weise auf ein Naturereignis (in Gestalt einer Pandemie) reagiert, hat es vor der jetzigen Lage noch nicht gegeben. Ich meine deshalb, dass hier auch grundsätzliche Fragen mit verfassungsrechtlicher Dimension aufgeworfen sind, was die Pflichten des Gesetzgebers in einer solchen Pandemie betrifft, um einen möglichst weitgehenden Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit aller zu erreichen. Die Masse an wissenschaflichen Erkenntnissen und Stellungnahmen, die mittlerweile vorliegt, und die aktuellen Entwicklungen müssen dabei ebenfalls berücksichtigt werden.
Eine Hürde für die Beschwerdeführer ergibt sich daraus, dass das Bundesverfassungsgericht sich aus Gründen der Gewaltenteilung (zu Recht) gegenüber dem Gesetzgeber sehr zurückhält und eigene Ansichten zur Zweckmäßigkeit oder Geeignetheit bestimmter Regelungen und Maßnahmen grundsätzlich hintanstellt. Der Gesetzgeber hat eine Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsfreiheit, die in erster Linie ihm die Aufgabe überträgt, zu entscheiden, wie er eine bestimmte Materie regeln will, um eine bestimmte Lebenssituation zu gestalten oder (wie hier) in den Griff zu bekommen. Das Bundesverfassungsgericht ist grundsätzlich nicht dazu da, eigene Konzepte zu entwickeln und vorzuschreiben, sondern im Nachhinein zu kontrollieren, ob das, was der Gesetzgeber gemacht hat, verfassungsgemäß ist. Es muss daher in der Verfassungsbeschwerde auch darum gehen, inwieweit die mittlerweile vorliegenden wissenschaflichen Erkenntnisse diesen im Allgemeinen sehr weiten Spielraum des Gesetzgebers verengen oder schon verengt haben mit der Folge, dass womöglich nur noch ganz bestimmte Maßnahmen überhaupt medizinisch-wissenschaftlich sinnvoll sind (und dann aus diesem Grund auch verfassungsrechtlich geboten wären).
Was ich hier in aller Knappheit angerissen habe, muss in der Verfassungsbeschwerde entsprechend ausgeführt werden. Dabei ist der Umfang einer Verfassungsbeschwerde kein Wert an sich. Juristen neigen manchmal dazu, jede Selbstverständlichkeit mit drei Fußnoten zu belegen und es überhaupt mit der Ausführlichkeit zu übertreiben. Ein guter Schriftsatz sollte nach meiner Auffassung so kurz sein, wie er sein kann, aber natürlich nicht kürzer – und vor allem darf es nicht an der Substanz fehlen. Aber darin liegt in jedem Fall wieder die Herausforderung für die Anwältin und den Anwalt, und das ist es letzten Endes, was dazu führt, dass eine Verfassungsbeschwerde ihre Zeit braucht (und der Umstand, dass eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung innerhalb eines Monats nach deren Zugang erhoben werden muss und nicht, wie hier, innerhalb einer Frist von einem Jahr führt dazu, dass man als Anwalt dann für den größten Teil eines Monats kaum etwas anderes macht).
Dabei gilt aber auch: Sie haben durch Ihre Spenden dazu beigetragen, dass das Honorar für diese Arbeit aufgebracht werden konnte, weil Ihnen unser Anliegen auch am Herzen liegt. Dafür danke ich sehr, auch im Namen der Beschwerdeführer, und versichere Ihnen, dass ich – selbstredend – ein lebhaftes Interesse daran habe, dass das gesammelte Geld auch seinen Weg auf mein Konto findet. Ich werde meine Rechnung aber trotzdem erst dann stellen, wenn der Schriftsatz tatsächlich fertig und eingereicht ist, wie ich den Beschwerdeführern von Anfang an zugesagt hatte. (Bis dahin sind die Gelder auf dem eigens eingerichteten Treuhand Konto verwahrt. A.R.) Es ist also auch in meinem eigenen Interesse, dass die Arbeit in absehbarer Zeit getan ist.
Mit freundlichen Grüßen Till Günther.«