Die Stadt Alfeld in Niedersachsen besitzt etwas, das sie vor anderen westdeutschen Städten auszeichnet – eine fast lückenlose Dokumentation ihres Alltags in Fotografien zweier Fotografen – Vater und Sohn, Richard und Eberhard Püscher, die fünf Jahrzehnte erfasst, jene fünf Jahrzehnte, für die sich heute der Begriff der „alten Bundesrepublik“ durchgesetzt hat.
Das Buch „Eine Stadt auf Fotopapier“ ist eine kommentierte Bestandsaufnahme. Es geht um die Geschichten hinter den Bildern, im soziologischen wie literarischen Sinne.
„Geschichten aus der Geschichte“
Der Nachlass der Fotografen Richard und Eberhard Püscher beläuft sich auf 80.000 Negative. Was sie hinterlassen haben ist eine riesige, in sich geschlossene visuelle Chronik und ein Gedächtnis der Stadt Alfeld und ihres Umlandes, deren Bedeutung weit über den Ort hinausgeht. Die Püschers, vor allem Eberhard, waren teilnehmende Beobachter im besten Sinne.
Von den vor allem für die zahlreichen Flüchtlinge armen ersten Nachkriegsjahren, über die Zeit des Wirtschaftswunders, die Konsolidierung in den Siebzigern und Achtzigern bis zur Wende und bis in die Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts ist alles dokumentiert. Jede Schulklasse, Konfirmation und Hochzeit, Taufe und Beerdigung, jedes Schützenfest und sämtliche Feierlichkeiten wurden fotografiert. Das gesamte öffentliche Leben.
Zudem fotografierte Eberhard Püscher regelmäßig Pioniereinheiten der Bundeswehr, die in Kasernen im Umland stationiert waren. Diese Fotos liefern ein soziologisch interessantes Bild der siebziger und achtziger Jahre bei der Bundeswehr, als an den Wänden der Kasernen noch Wehrmachtsgeneräle hingen, bei Karnevalspartys Bundeswehroffiziere als sowjetische Kosmonaten verkleidet waren, Soldaten lange Haare hatten und allesamt männlich waren.
War diese Tätigkeit des Fotografierens klar ein Handwerk und keiner Autorenfotografie verpflichtet, auch wenn bei Eberhard Püscher eine klare kompositorische Handschrift zu erkennen ist, so ist das Konvolut der inzwischen verstorbenen Püschers allein durch seine Geschlossenheit eine wichtige und noch vollkommen unentdeckte Sammlung bundesrepublikanischer Geschichte. Die Püschers wurden zu Dokumentaristen einer niedersächsischen Kleinstadt, die für viele Städte in der Zeit der alten Bundesrepublik stehen kann.
Das Buch auf ein überregionales Publikumausgerichtet und arbeitet pars pro toto: Anhand der Geschichte der Stadt Alfeld wird bundesdeutsche Geschichte begreifbar.
Das Buch, das mehrere Fotostrecken beinhaltet, die den Hauptteil bilden und nach Sujets geordnet sind, hat zudem zwei Textteile. Im ersten Teil werden die fotohistorischen Aspekte des Konvolutes herausgearbeitet, die Biographie der Püschers erzählt und im Gespräch zwischen den Herausgebern Simon Schwinge und Annett Gröschner die Besonderheiten dieser Sammlung untersucht.
Im zweiten Teil werden einzelne Themen in Kurzessays behandelt. Hier arbeiten die Herausgebenden mit jungen Autorinnen und Autoren aus dem Umfeld des Instituts für literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft der Universität Hildesheim zusammen, die sich über ein Jahr lang mit dem fotografischen Konvolut beschäftigt haben.
In diesem zweiten Teil werden die Bilder sowohl mit Methoden der Kulturwissenschaften als auch kulturjournalistisch und literarisch untersucht. Die Menschen hintern den Bildern wurden ausfindig gemacht und befragt, die Geschichten um die Entstehung der Fotos gesammelt. Eine Vielzahl kleiner Details, Anekdoten und Momentaufnahmen konnten so geborgen. Wertewandel und Selbstverständnisse werden erforscht, reflektiert und hinterfragt. Gefragt wird: Wie wurden wir, wer wir heute sind bzw. Wie wurde dieses Deutschland, was es heute ist?
Das eigentliche Werk von Eberhard Püscher und seinem Vater besteht nicht nur in der besonderen Qualität einzelner Aufnahmen. Es besteht aus einer zeitlichen Chronologie, die anhand der Kleidung, Frisuren, Posen oder der abgebildeten gesellschaftlichen Konventionen zu erkennen ist. Die Chronologie einer Stadt, einer Region, die in ihrer Entwicklung Ähnlichkeiten aufweist mit der der alten Bundesrepublik. Es scheint, als könne man die Zeit zwischen den Nachkriegs-, Wirtschaftswunder- und Wiedervereinigungsjahren einer ganzen Nation lückenlos rekonstruieren, wenn man nur alle Fotos der beiden nebeneinander legen würde. In den Aufnahmen, so fremd den Nachgeborenen auch heute die Menschen darauf sein mögen, lässt sich vieles wiedererkennen, was es auch in anderen Regionen der Bundesrepublik gab und in Fotoalben bis heute gibt, von den Hochzeiten über die Wohnungseinrichtungen, die jeweiligen Moden bis hin zu Statussymbolen. Für die Familie Püscher war es eine Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. Für die Alfelder, Erinnerung zu bewahren. Für die Nachwelt, Geschichte zu erfassen.
Die Texte des Buches liegen vor und sind bereits lektoriert, das Buch selbst ist komplett gestaltet und gesetzt. Wozu brauchen wir dann noch eure Unterstützung? Unsere Antworten:
„Eine Stadt auf Fotopaier“ soll ein herausragendes Buch werden. Die Beteiligten Gestalterinnen und Gestalter – alle Studierende der Hochschule für Angewandte und Wissenschaft und Kunst Hildesheim – haben großartiges geleistet und ein Buch entwickelt, das die gesamte Dynamik und Einzigartigkeit der Fotografien aufgreift. Wir wollen diesem Entwurf einen Druck bieten können, den es verdient hat. Und eben nicht nur ein 08/15 Buch veröffentlichen.
Mit dem Erscheinen des Buches soll es Ausstellungen und Lesungen in mehreren deutschen Städten geben. Auch das kostet leider Geld.
Das gesamte Projekt ist zu 100% gemeinnützig – der gesamte Gewinn dient zur Deckung der Kosten. Darum sind wir auf Eure Unterstützung angewiesen.
Projektträger
„Eine Stadt auf Fotopapier“ wird von Annett Gröschner und Simon Schwinge herausgegeben. Das Buch wird von dem gemeinnützig arbeitenden Verlag Fruehwerk e.V. und der Püscher Gesellschaft e.V. getragen und in Kooperation mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim verwirklicht.
Die Herausgeber
Annett Gröschner ist Schriftstellerin und war von 2005 bis 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin und von 2009 bis 2012 Dozentin für besondere Aufgaben am Institut für literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft der Universität Hildesheim. Sie arbeitet seit Jahren an der Schnittstelle zwischen Literatur und Fotografie. Für den Band Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer (2011) gewannen sie den Deutschen Fotobuchpreis in Gold 2012 und den International DAM Architectural Book Award in Gold 2011. Für das 2012 erschienene Buch Berlin, Fruchtstraße am 27. März 1952 erhielt sie den Deutschen Fotobuchpreis in Silber 2013 in der Kategorie Fotogeschichte und den International DAM Architectural Book Award in Gold 2012. Außerdem wurde der Titel von Gerry Badger als eines der besten Fotobücher der Welt des Jahres 2012 ausgewählt.
Simon Schwinge ist Vorsitzender der Püscher Gesellschaft e.V. in Alfeld, seit 2009 als Lehrbeauftragter im Bereich Fotografie (u.a. an der Universität Hildesheim) tätig und Mitglied im Netzwerk des Verlags Fruehwerk. 2010 koordinierte er „Academy meets photokina“ in Köln. 2012 war er maßgeblich an der Planung, Organisation und Durchführung der Tagung „Der Gang der Dinge. Welche Zukunft haben fotografische Archive und Nachlässe?“ der Deutschen
Gesellschaft für Photographie (DGPh) beteiligt. Simon Schwinge ist ordnungsgemäß berufenes Mitglied der DGPh und seit 2011 im Vorstand der Sektion Kunst, Markt und Recht vertreten.
„Eine Stadt auf Fotopapier“ – Annett Gröschner und Simon Schwinge (Herausgeber). 170 Seiten (Softcover), Format 180 mm auf 320 mm – ein ungewöhnliches Format, dass die Fotografien voll zur Geltung bringt. Gedruckt in hochwertiger Schwarz-Weiß-Optik und auf erstklassigem Papier. Satz und Gestaltung stammen von fortgeschrittenen Studierenden der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim unter Leitung von Prof. Dominika Hasse. Die Stadt Alfeld in Niedersachsen besitzt etwas, das sie vor anderen westdeutschen Städten auszeichnet – eine fast lückenlose Dokumentation ihres Alltags. Der Nachlass zweier Fotografen – Vater und Sohn, Richard und Eberhard Püscher – umfasst die Zeit von 1946 bis in die 1990er Jahre. Jene fünf Jahrzehnte, für die sich heute der Begriff der „alten Bundesrepublik“ durchgesetzt hat.Das Buch „Eine Stadt auf Fotopapier“ macht diese einzigartigen Fotografien erstmals zugänglich. „Eine Stadt auf Fotopapier“ ist eine kommentierte Bestandsaufnahme und erzählt die Geschichte der Bilder und der Menschen und macht so Geschichte sichtbar. Das Buch umfasst sowohl umfangreiche Bilderstrecken zu einzelnen Themen, als auch zahlreiche Texte, die den Menschen auf den Bildern nachforschen, sich mit fotohistorischen Fragen auseinandersetzen und die Biographie der beiden Fotografen beleuchten.