In der deutschen Wikipedia ist ein Streit um die Ernennung eines neuen Mitglieds des mächtigen Schiedsgerichts entbrannt: Ein AfD-Funktionär hat sich in das höchste Entscheidungsgremium der Online-Enzyklopädie wählen lassen. Nachdem sein AfD-Engagement bekannt wurde, traten mehrere Schiedsgerichtsmitglieder zurück. Seit letzter Woche wird in der Wikipedia heftig über den Vorgang diskutiert. Über den Fall berichtete ich als erster. Das Thema wurde unter anderem vom BILDBlog, N24 und standard.at aufgegriffen und löste viele Reaktionen auf Twitter und in Form von Kommentaren aus.
In der jüngsten Diskussion um den AfD-Mann im wichtigsten Wikipedia-Gremium war auch von „dem Versuch, Wikipedia zu infiltrieren“ die Rede. Ein Wikipedia-Autor behauptete, die AfD versuche, Wikipedia „zu unterwandern“. Von der AfD war hierzu keine Stellungnahme zu erhalten.
Alle großen Parteien haben verifizierte Benutzeraccounts bei Wikipedia. Ausgerechnet von der AfD jedoch, sonst nicht gerade für zurückhaltende politische PR bekannt, lässt sich kein verifizierter Benutzeraccount ausmachen.
Wikipedia-Insider haben mir bereits wertvolle Informationen zu dem Thema gesteckt. Durch weitere Recherchen bin ich auf Wikipedia-Accounts gestoßen, die Wikipedia in großem Umfang im Sinne der AfD bearbeiten. Um die Recherche nicht zu gefährden, kann ich hier nicht alle Details nennen. Das Ausmaß ist jedoch schon jetzt massiv. Wenn die AfD nicht direkt Personen bezahlt, die in Wikipedia herumschreiben, dann hat zumindest jemand einen guten Job gemacht, um die AfD in Wikpedia in einem ziemlich guten Licht dastehen zu lassen - Löschaktionen inklusive. Ein Account hat im Minutentakt AfD-Inhalte in die Enzyklopädie gebracht - wie ein menschlicher Bot.
Die Recherche will der Frage nachgehen, ob und wenn ja wie die AfD in Wikipedia Einfluss nimmt. Das Ergebnis soll in Form einer Print- oder Onlineveröffentlichung jedermann zugänglich gemacht werden.
Jeder Mensch, der sich über Wikipedia informiert und den Zielen der AfD nur halbwegs kritisch gegenübersteht, muss sich eigentlich für dieses Thema interessieren. Auch jeder Bürger und jeder Wähler.
Nächstes Jahr ist Bundestagswahlkampf und die Wikipedia ist mittlerweile ein äußerst einflussreiches Medium, das vielen der Meinungsbildung dient. Wikipedia ist, trotz vieler Kritik, weiterhin die für die meisten User relevanteste Infoplattform im Netz. Jede Einflussnahme auf die Inhalte hat damit höchste Relevanz. Gerade in Zeiten von Fake-News und Filter-Bubbles.
Investigativen Journalismus kann man als freier Journalist kaum betreiben, weil man in der Regel ein großes Medium benötigt, das eine aufwändige Recherche wie diese bezahlt. Für ein solches arbeite ich jedoch nicht ausschließlich - gerade das macht mich als Journalist aber unabhängig. Wer gute Informationen haben möchte, der muss auch bereit sein, etwas dafür zu bezahlen. Ich bringe meinen Einsatz ein. An diesem Pitch verdiene ich nichts.
Das eingenommene Geld stellt das Honorar für meine Recherchearbeit über mehrere Wochen dar - messbar am späteren Ergebnis der Recherche. Enthalten sind außerdem eine Menge einzelner Posten - von Telefonkosten über Umsatzsteuer und Beiträge zur Künstlersozialkasse bis hin zu den Gebühren, die ich an Startnext zahlen muss.
Marvin Oppong (*1982) ist freier Journalist und Dozent aus Bonn. Im Fokus seiner Berichterstattung stehen Korruption, Lobbyismus, Datenschutz und Medienthemen. Oppongs Beiträge erschienen bisher unter anderem in den Nachrichtenmagazinen SPIEGEL und stern, in der Wochenzeitung DIE ZEIT, ebenso wie in den Tageszeitungen Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau oder dem Nachrichtenportal SPIEGEL ONLINE. Weitere Veröffentlichungen der Recherchen strahlten NDR und WDR in TV-Sendungen aus.
Marvin Oppong gilt als Experte für PR in Wikipedia, seit die Otto Brenner Stiftung, die Wissenschaftsstiftung der IG Metall, 2013 die viel beachtete Studie "Verdeckte PR in Wikipedia – Das Weltwissen im Visier von Unternehmen" von ihm veröffentlichte.
Die Frankfurter Rundschau hat in ihrer heutigen Printausgabe auf Seite Eins ihres Politikteils das Ergebnis der Recherche veröffentlicht. Eine Langversion des Artikels gibt es zudem frei unter diesem http://www.fr.de/politik/wikipedia-wer-steckt-hinter-afd-freund-lukati-a-989868 Link auf fr.de zu lesen.