Einblick in den Schriftsatz: Streichung von COVID-19 aus § 34 IfSG
Liebe Leute,
wie bereits berichtet im letzten Blogeintrag haben wir eine allererste, wichtige Hürde erfolgreich genommen, indem die Verfassungsbeschwerde in das Verfahrensregister aufgenommen wurde. Somit hat sie eine erste formale und inhaltliche Prüfung hinter sich und wurde der richterlichen Untersuchung zugeführt.
Die nächste Rückmeldung müssen wir nun abwarten, es ist leider schwer einschätzbar, wie lange der aktuelle Vorgang dauert. Aber in Anbetracht der doch sehr erfreulich raschen Rückmeldung über die Weihnachts-Feiertage bezüglich der Aufnahme in das Verfahrensregister und der Dringlichkeit der Sache, erwarten wir eine nicht allzulange Wartezeit.
Kurze persönliche Zwischenbemerkung zum Blog:
Nach fasst einem Jahr sehr intensiver und zeitraubender Arbeit, musste und konnte ich mich wieder aufgeschobenen beruflichen und privaten Projekten widmen und wollte auch wieder mehr Zeit mit meiner Familie verbringen, parallel lief ja auch unser Umzug. Auch daher konnte ich den Blog nicht so intensiv weiter pflegen. Davon ganz abgesehen, liegt nun einfach das Abwarten an.
Dennoch werde ich versuchen, ab und an Einblicke in den Schriftsatz zu ermöglichen.
Dieser Blogeintrag ist unserer Kritik an der sehr problematischen Streichung von COVID-19 aus §34 des IfSG gewidmet. Die Streichung ist nicht nur hinsichtlich der damit fahrlässig geförderten Gesundheitsgefährdung durch billigend in Kauf genommene Ansteckung und damit letztlich versuchter Körperverletzung hochproblematisch. Darüber hinaus wurde die ad hoc Streichung auch juristisch hochbedenklich über ein sogenanntes Omnibusverfahren abgewickelt. Bedeutet, die Streichung wurde an eine völlig sachfremde Abstimmung formal regelrecht »angeklebt« und somit der eigentlich vorgesehene Prozess für Gesetzgebungsverfahren umgangen.
»Gilt ein solches »Omnibus-Verfahren« grundsätzlich und damit auch schon bei (relativ gesehen) untergeordneten Sachverhalten als verfassungsrechtlich bedenklich (vgl. Masing/Risse, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 77 Rdnr. 3), so verschärfen sich die Bedenken nochmals ganz erheblich, wenn es sich – wie hier – um eine Regelung handelt, die größtes gesellschaftliches Gewicht hat und bei der es am Ende ganz konkret um Menschenleben geht. In einer solchen Konstellation ist es nicht hinzunehmen, wenn im Gesetzgebungsverfahren Pakete geschnürt werden, bei denen der Willensbildungsprozess des Parlaments de facto ausfällt.«
Alleine die Bezeichnung des damals eigentlich zur Abstimmung vorgelegten Sachverhalts lässt erkennen, wie weit weg inhaltlich die fragliche Angelegenheit zu verorten war:
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich in diesem Punkt gegen:
»§ 34 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infekionskrankheiten beim Menschen in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes zum Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Feststellung des Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union als einen die Kriterien nach Artikel 83 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise Europäischen Union erfüllenden Kriminalitätsbereich und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 13. Oktober 2022, Bundesgesetzblatt Teil II Seite 539.«
Nachfolgend dazu Auszüge aus dem Schriftsatz:
»Der Gesetzgeber hatte mit Artikel 1 Nr. 18 des Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) die COVID-19-Krankheit in den Katalog des § 34 IfSG derjenigen Krankheiten aufgenommen, bei denen besondere Anforderungen an den Infektionsschutz bei bestimmten Einrichtungen, Unternehmen und Personen gelten.
Nicht einmal einen Monat später hat der Gesetzgeber diese Ergänzung schon wieder rückgängig gemacht, und zwar durch Artikel 2 des Gesetzes zum Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Feststellung des Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union als einen die Kriterien nach Artikel 83 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise Europäischen Union erfüllenden Kriminalitätsbereich und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 13. Oktober 2022 (BGBl. II S. 539), ein Gesetz, dessen amtliche Überschrift man gar nicht niederschreiben mag, weil das Vorhaben rein gar nichts mit dem Infektionsschutz zu tun hatte und man die Änderung des Infektionsschutzgesetzes gewissermaßen auf Zuruf des Bundesrates, auf eine spontane Erklärung des Bundesgesundheitsministers und de facto ohne amtliche Begründung an dieses EU-rechtliche Zustimmungsgesetz angeklebt hat (vgl. dazu das Plenarprotokoll der 1024. Sitzung des Bundesrates vom 16. September 2022 und die dort wiedergegebene Rede der schleswig-holsteinischen Kultusministerin Karin Prien im Rahmen der Diskussion über den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19, dort Seite 329 und die quasi spontane Äußerung des Bundesgesundheitsministers zur Herausnahme von COVID-19 aus § 34 IfSG auf Seite 332 sowie seine Protokollerklärung auf Seite 361 und nachfolgend das Plenarprotokoll der 1025. Sitzung vom 7. Oktober 2022, dort Tagesordnungspunkt 34 – wie daraus ersichtlich ist, hat keine Diskussion über die in Rede stehende Änderung des § 34 IfSG stattgefunden).
Gilt ein solches »Omnibus-Verfahren« grundsätzlich und damit auch schon bei (relativ gesehen) untergeordneten Sachverhalten als verfassungsrechtlich bedenklich (vgl. Masing/Risse, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 77 Rdnr. 3), so verschärfen sich die Bedenken nochmals ganz erheblich, wenn es sich – wie hier – um eine Regelung handelt, die größtes gesellschaftliches Gewicht hat und bei der es am Ende ganz konkret um Menschenleben geht.
In einer solchen Konstellation ist es nicht hinzunehmen, wenn im Gesetzgebungsverfahren Pakete geschnürt werden, bei denen der Willensbildungsprozess des Parlaments de facto ausfällt.«
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Soweit zu diesem wichtigen Punkt.
Bei Zeiten werde ich weitere Einblicke in den Schriftsatz veröffentlichen, soweit dies sinnvoll und vertretbar ist.
Liebe saluti,
Anon Ronin
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Blogtitelbild aus:
Alexy, Robert (2015): Theorie der Grundrechte. Frankfurt am Main, Suhrkamp, S. 426
9. Kapitel. Rechte auf positive Handlungen des Staates (Leistungsrechte im weiteren Sinn)
II. Rechte auf Schutz
Persönliche Markierungen (Anon Ronin)