Aussichten fürs kommende Jahr
Liebe Unterstützer*innen,
erstmal wünsche ich, geruhsame Weihnachten gehabt zu haben. Auch bei uns ist zwischen den Jahren ein bisschen Zeit durchzuatmen und das fulminante Jahr 2019 Revue passieren zu lassen. Wie dankbar ich jeder Unterstützung unseres Crowdfundings bin, habe ich schon ein paar Mal geschrieben. Daran hat sich nichts geändert. Ins neue Jahr gehend schulde ich Euch aber noch eine Aussicht auf die kommenden Entwicklungen, insbesondere nach dem Fuchsangriff.
Erstmal: es sind keine weiteren Tiere zu Schaden gekommen. Zwischen den vielen aufmunternden Nachrichten habe ich auch eine erhalten, die mir vorgeworfen hat, dass es unverantwortlich sei, die Tiere so zu halten, dass sie zu Schaden kommen können. Dazu einmal in aller Deutlichkeit: so lange Strom fließt (also in aller Regel), halte ich mein aktuelles System für das fuchssicherste, dass ich bisher für unsere Gegend gefunden habe. Türen sind toll, so lange sie jeden Abend zu sind. Automatische Klappen, sind toll, so lange kein Stromausfall passiert und die Zeit- oder Dämmerungsautomatik verstellt. Immer gibt es aber das Risiko, dass der Fuchs einfach zwischendurch mal kommt. Da hilft keine Tür die man Abends zu machen kann, so lange man sie morgens auf macht. Die einzige Variante, die Tiere wirklich sicher vor Fuchsangriffen zu haben ist die Bodenhaltung im geschlossenen Stall und ich denke dazu haben wir ähnliche Ansichten. Ich bin für Vorschläge offen, aktuell aber guter Dinge, gut aufgestellt zu sein.
Ende November wurde bei uns am Kuhstall gearbeitet. Die Bauarbeiter wussten nicht, dass der Zaun, der sie bei ihrer Arbeit behinderte, die Brücke zwischen dem Weidezaungerät und den Hühnern war und ließen ihn nach Feierabend offen.
Inzwischen habe ich die Hühner umsiedeln können. Den Winter verbringen sie in einem tollen neuen Folientunnel mit einer Größe von 20x6m und können dort jeden der wertvollen Wintersonnenstrahlen mitnehmen, ohne aber dem Wind ausgesetzt zu sein. Zusätzlich zum großen Innenraum des Gewächshauses haben sie einen eingezäunten Bereich um den Folientunnel als Auslauf.
Nachdem ein Bekannter, der ebenfalls Silverudds Blå-Hühner züchtet, von unserem Fuchsunglück erfahren hat, sagte er mir zu, dass ich seine gesamte Bruteierausbeute des Februars bekommen könne. Das werden einige Eier sein, so dass wir nicht komplett auf Start zurückgeworfen werden. Woran ich in der vergangenen Mail überhaupt nicht gedacht habe, war die Dankeschönsituation nach dem Fiasko. Insbesondere diejenigen, die Zucht- und Junghennen geschenkt und benannt haben, haben sich zu Recht gefragt, was Phase sei. Die Dankeschöns gibt es natürlich. Ein paar werde ich „termingerecht“ im Januar ausliefern können. Insgesamt wurden diese Dankeschöns etwa 100 Mal ausgesucht. So viele Hennen haben wir aber jetzt nicht mehr. Das heißt, dass es sich für viele bis in den Sommer verschieben wird. Ich möchte auch wirklich Tiere mit den Namensringen bestücken, die es gibt und dass die Patenschaften für die Zuchthennen auch wirklich für Zuchthennen angewandt werden, mit denen auch in den nächsten Jahren noch gearbeitet wird. Ja, es verzögert sich, aber es kommt – wie überhaupt bei den Dankeschöns, die zum Teil, im Fall der Taschen, zu Recht schon angemahnt werden.
Darüber, wie wir in Zukunft vermeiden, dass ein einziger kleiner Fehler das ganze Projekt ins Wanken bringt, habe ich in den letzten Wochen viel nachgedacht. Die Lösung ist logisch, brauchte aber ein bisschen: ich muss es auf mehrere Füße stellen. Damit schlage ich nicht nur eine Fliege mit einer Klappe, was einen Fuchs- oder Seuchenfall betrifft, sondern sorge für die Verbreitung des Projektes und auch die Emanzipation von meiner Person. Im letzten halben Jahr habe ich einige Anfragen von Menschen erhalten, die selbst auch auf ähnliche Weise Hühner halten wollten und musste immer wieder aus Zeitgründen absagen. Oder auch, weil ich mit meiner Zucht noch nicht an dem Punkt war, Zuchttiere oder Bruteier abzugeben. Das – und das ist jetzt der Blick in die Zukunft – wird im kommenden Jahr geändert werden. Ich suche ein paar Betriebe, die wirklich daran interessiert sind, ihr eigenes Hofhuhn-Projekt zu starten und unterstütze sie mit weisen Ratschlägen, auf Wunsch Öffentlichkeit und Kontakten über meine Kanäle und bei wirklichem Bedarf auch mit Mitteln aus dem Crowdfunding. Ein zweites Zentrum soll neben unserem Bornwiesenhof der zukünftige Hof von langjährigen Freunden von mir in Ostholstein sein. Wie in der letzten Mail bereits angedeutet, zieht es uns als kleine Familie wahrscheinlich im kommenden Herbst aus dem Hunsrück weg und tendenziell in Richtung Norden. Auf dem Bornwiesenhof wird es für die Hofhühner aber unverändert weitergehen: meine Familie steht hinter dem Projekt und wird es mit den durchs Crowdfunding geschaffenen Strukturen weiterführen. Die erwähnten Freunde in Ostholstein wechseln im kommenden Jahr mit ihrer Demeter-Solawi von einem Pacht- auf einen Eigenbetrieb und sind schon seit Jahren mit mir zum Thema Hühner im Austausch. Aktuell mit einem gemeinsam entwickelten Konzept, in dem sie „abgelegte“ Hennen eines größeren Demeterbetriebes übernehmen und ihnen so die frühzeitige Schlachtung ersparen. Für die Idee, gemeinsam mit Zweinutzungs-Rassehühnern zu arbeiten, waren sie gleich Feuer und Flamme und so können wir viele der Ansätze aus dem Crowdfunding auch dort umsetzen und zusätzlich noch an Lösungen für Betriebe mit Gartenbau arbeiten.
Gestern Morgen habe ich über die „Hofhuhn“-Kanäle in den sozialen Netzwerken darüber informiert, dass es uns als kleine Familie erstmal aus der Landwirtschaft herauszieht. Es tut mir Leid, dass ich in dem Post nur ganz knapp umreißen konnte, wie es mit dem Hofhuhn-Projekt weitergeht. Außerhalb von Startnext lesen Menschen aus verschiedenen Gründen meine Beiträge, deswegen musste ich mich dort zu unserem Thema kurzfassen. Auch diesen Blogtext schaffe ich erst abends zu schreiben. Deswegen habe ich schon ein paar enttäuschte Kommentare und Mails zu lesen bekommen. Gestern Vormittag kam der oben schon erwähnte Züchterfreund vorbei und hat mit mir ein paar Hennen getauscht, nachmittags standen wir erst auf dem Dach des Kuhstalls (die ersten Arbeiten am Dachstuhl haben den „Stromausfall“ bewirkt, gestern haben wir die letzten Platten aufs Dach gelegt) und anschließend hatte ich ein Gespräch mit einem Journalisten der „Süddeutschen“: Heute erschien in der Silvesterausgabe der sz auf „Seite 3“ ein Artikel über unser Projekt und die Zusammenarbeit mit Köchen. Im Sommer hat mich der Journalist zwei Tage lang begleitet und gestern ging es darum, die Fakten gegenzuchecken bevor die Ausgabe in den Druck gegangen ist. Es kommt gerade sehr viel zusammen und ich werde vielen Dingen nicht gerecht. Auch der Aufarbeitung der Entwicklungen der letzten Wochen.
Wie ihr die Aussichten bewertet kann ich natürlich nicht beeinflussen. Ich persönlich glaube, dass es das Richtige ist, das Projekt auf die beschriebene Art auf stabile Füße zu stellen. Die überwältigende Unterstützung des Crowdfunding lässt es vielleicht etwas seltsam wirken, wenn ich schreibe, dass ich keine Lust auf ein Einzelkämpferdasein habe. In der Praxis hat mich die Realität aber ein bisschen dorthin gedrängt. Aus Zeitgründen musste ich die erwähnten Anfragen um Beratung und Unterstützung absagen, auch Anfragen der Bioverbände zu Teilnahme an Diskussionsrunden zum Thema Hühnerzucht oder Mitarbeit an Konzepten konnte ich nicht annehmen. Dafür ist das Thema zu wichtig und die Unterstützung aus dem Crowdfunding ein zu starkes Signal. Das darf nicht verpuffen, weil ich es über die Arbeit der Umsetzung nicht schaffe, das Projekt weiter zu kommunizieren. Mache ich es alleine, wird es zu kompliziert. Sind wir viele, kann jeder in einem Teilbereich Experimente machen, eine oder ein paar Zuchtlinien einer Rasse halten (und nicht wie ich aktuell rasseübergreifend über zehn) und man kann sich austauschen und so einfach mehr lernen.
Durch die veränderten Umstände ist allerdings nicht alles tutti und ich schließe diesen Text mit einem Umstand der mich ärgert: die Eier-Dankeschöns und die Blicke in die Bücher werde ich mit unseren Tieren in kommenden Jahr nicht erfüllen können. In einem Dreivierteljahr werde ich die Arbeiten mehr begleiten als selbst ausführen und kann deswegen von niemandem erwarten, so genau Buch zu führen wie es für den „Blick in die Bücher“ nötig wäre. Im Laufe des Januars werde ich die betreffenden Unterstützer*innen kontaktieren und gemeinsam werden wir überlegen was zu tun ist. Je nachdem was gewünscht ist, können wir die Eier-Abos und Einblicke gerne in andere Hofhuhn- oder Hofprodukte umändern. Scheinen die Entwicklungen des Projektes nicht mehr unterstützenswert, kann natürlich auch über eine Rückabwicklung nachgedacht werden.
Was mir wichtig ist, ist, dass nochmal gesagt ist, dass ich das Geld aus dem Crowdfunding nicht als mein persönliches Geld betrachte und dass mir das Projekt genau die Herzensangelegenheit ist, für die ihr sie im Sommer gehalten habt. Der Rückschlag im November hat wehgetan aber den richtigen Impuls gegeben. Die Entwicklung in unserer privaten Lebenssituation wird mich in die Lage bringen, mich wieder mehr mit anderen Hühnerhalter*innen auszutauschen und Innovationen von anderer Stelle zu übernehmen. Ich sehe dem kommenden Jahr positiv entgegen. Unser Projekt ist auf dem richtigen Weg und in etwa einem Monat schalten wir die Brutmaschinen wieder an und starten in die nächste Saison.
Danke für Eure Unterstützung.
Kommt gut rüber,
Ingmar