Schraub, schraub, schraub
Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,
Wir haben uns in den letzten Monaten manchmal gefühlt wie im epochalen Film „Das Boot“, als der zu Klump gebombte Pott bei Gibraltar auf Grund geht und der hohlwangige Wundermechaniker das Ding wieder flott machen muss. Kenner des Films wissen: Es gelingt, Klaus Doldinger spielt eine fröhlich‘ Melodei und weiter geht es Richtung La Rochelle. Ja gut, Kenner des Films wissen auch: Zu früh gefreut, dort angekommen gibt’s final auf die Mütze und es überlebt nur Herbert Grönemeyer. Aber den Part schneiden wir in unserem Remake dann raus.
Wir haben mehrere hohlwangige Wundermechaniker, die wir Euch in diesen letzten Wochen bis zum Launch vorstellen werden – so wie die anderen Mitglieder unseres Teams.
So. Das wäre die Kurzfassung.
Wer jetzt noch weiter liest, der will genau wissen, was wir hier genau gemacht haben.
Dazu ein kurzer Blick in die neue Ausgabe des Schweizer Monatsmagazins NZZ Folio. Dort steht ein schöner Beitrag von Harald Willenbrock, der uns besucht und sich die Layout-Techniken angeschaut hat, die wir an einem Beispielartikel umgesetzt haben: http://folio.nzz.ch/2014/oktober/biete-text-suche-markt
Was Harald Willenbrock darin beschreibt: Wir entwickeln Layouts, bei denen gezielt eingesetzte Bilder und Animationen den Lesefluss unterstützen und dem Text eine Qualität hinzufügen, die das statische Medium Papier nicht hat. Willenbrock verweist auch auf die Reportage, die stilbildend war für diese Art, Geschichten zu erzählen: „Snow Fall“, das teure Renommierprojekt der New York Times (www.nytimes.com/projects/2012/snow-fall/).
„Snow Fall“ ist eine Multimedia-Materialschlacht. Dieser Overkill ist kein Vorbild für uns. Aber die Art, wie hier eine Geschichte inszeniert wird, wie Text und Bild eine dramaturgische Einheit bilden: Das ist eine Inspiration.
Diese Art, Geschichten zu erzählen, birgt jedoch eine technische Herausforderung, der sich die New York Times gar nicht erst gestellt hat. Wer „Snow Fall“ auf dem iPad anschaut, versteht nicht, was daran so toll sein soll. Denn all die beeindruckenden Animationen und Effekte funktionieren nicht auf den gängigen Tablet-Browsern. Der Grund: Die Betriebssysteme Android und iOS teilen Browsern nur sehr wenig Leistung zu. Darum führen mobile Browser die ganze schöne Effekt-Programmierung gar nicht erst aus.
Tja. Tablets und Smartphones sind aber nun mal die Zukunft des Internet. Wäre also blöd, ein innovatives Journalismus-Projekt an dieser Zukunft vorbei zu programmieren.
Diese Herausforderung haben wir uns bei der Entwicklung unserer Web-App gestellt. Web-App heißt: Ein Programm, das wie eine normale Webseite im Browser aufgerufen wird. Google Mail, Spotify und Dropbox sind gängige Beispiele. Unter www.substanzmagazin.de wird eine Web-App laufen, über die Ihr unsere Geschichten kaufen, abonnieren, lesen und – in einer späteren Ausbaustufe – auch offline speichern könnt.
Was tun? Die Antwort liefert unser Gründungsmotto: Try again, fail again, fail better.
Versuch 1: Auf iOS- und Android-Geräten liefern wir Substanz nicht als Web-App aus, sondern bauen jeweils eine App für den Apple Store und den Google Play Store. Denn solche „nativen“ Apps sind in ihrer Leistung weniger begrenzt. Wie wir aber schnell gemerkt haben, würden Entwicklung und Wartung sehr viel Geld schlucken, das wir lieber unseren Autoren und Designern zahlen möchten.
Versuch 2: Wir benutzen ein fertiges Produktionssystem, das unsere Geschichten sowohl für die Web-App als auch als iOS- und Android-App exportiert. Auch diesen Weg haben wir uns angesehen. Das Problem hier: Viele Systeme sind nur auf das iPad ausgerichtet und lassen Android außen vor. Andere sind zu teuer. Oder zu begrenzt in ihren Möglichkeiten. Und das einzige System, das alle unsere Anforderungen erfüllt hätte, war im Praxistest eine katastrophale Enttäuschung. Also doch keine nativen Apps. Zusätzlicher Vorteil: Wir können eure Abozahlungen ganz in Geschichten investieren und müssen nicht 30% an Firmen abführen, die Gott weiß wo versteuern. Und wir laufen nicht Gefahr, dass uns eine Ausgabe gesperrt wird, weil im Text jemand „Busen“ sagt.
Versuch 3: Wir entwickeln die Geschichten für unsere Web-App erstmal per Hand und setzen dabei ein paar Programmiertricks ein, mit denen wir die Begrenzungen der Mobil-Browser aushebeln. Triumph! Ekstase! Auf einmal erwachen auf dem Schirm unsere Ideen zum Leben. Wir entwickeln eine Bildsprache, eine Benutzerführung, gestalten die ersten Probegeschichten von der ersten Idee bis zur Feinpolitur. Wie viel optisches Tschingderassabumm verträgt eine Geschichte? Wann ist es zu wenig, wann zu viel Lametta? Und: Wie viel darf das Lametta kosten? Jede Geschichte von Hand programmieren ist auf Dauer jedenfalls keine Option.
Die Lösung: Wir nehmen all das, was wir gelernt haben, und gießen es in ein eigenes Produktionssystem, mit dem wir Substanz Woche für Woche stabil ausliefern können. Und genau das tun wir hier gerade: Unsere Entwickler bauen Substanz mithilfe von Komponenten, die es bereits auf dem Markt gibt, und programmieren schrittweise die Effekte dazu, die uns wichtig sind.
Mit diesem System werden wir ab dem Launch Woche für Woche unsere regulären Geschichten produzieren. Ihr werdet auf www.substanzmagazin.de aber auch immer wieder experimentelle Beiträge finden, mit denen wir in Handarbeit ausprobieren: Wie können wir Geschichten noch erzählen? Was gefällt Euch? Wo gibt es Probleme auf diesem Browser, jenem Endgerät?
„Substanz wird ein Labor“, haben wir in unserem Crowdfunding-Film angekündigt. Und für Euch Unterstützer beginnt der Laborbetrieb früher. Wir werden Euch in den kommenden Wochen zu einem erweiterten Betatest von Substanz einladen und sind gespannt auf Eure Meinung zu unseren Entwürfen.
Bald geht’s los!
Herzliche Grüße aus dem Maschinenraum,
Denis Dilba und Georg Dahm