In vielerlei Hinsicht handelt es sich bei dem NS-Propagandafilm »Theresienstadt: Eine Dokumentation aus dem Jüdischen Siedlungsgebiet« um ein wertvolles historisches Zeitdokument, was in besonderen Maße als Lerngegenstand in Schulen und Hochschulen sowie innerhalb der Gedenkstätte Terezin genutzt werden kann. Der Film kann jedoch nicht ohne eine Erklärung und historische Einordnung im Bildungsbereich verwendet werden. Ohne Kenntnis der Protagonisten und Orte lässt sich der Film nur unzureichend verstehen. Ohne eine detaillierte Erklärung der Propagandalügen sowie Hinweisen auf das Unsichtbare, vermittelt der Film auch heute noch all zu leicht den Eindruck vom Idyll eines Konzentrationslagers.
Aus diesem Grund wollen wir die Szenen des Films in Form einer interaktiven Lernumgebung um
* Ortsinformationen betreffs des Ghettos Theresienstadt,
* Biographien der im Film vorkommenden bekannten Persönlichkeiten (insb. Künstler, Komponisten, Musiker, Wissenschaftler, ...) und
* eine Erläuterung der Propagandalügen und Täuschungen
anreichern.
Frühere Forschungsarbeiten (ins. von Karel Margry) zum Film liegen einzig in schriftlicher Form vor. Diese Beschreibungen und Analysen sind somit isoliert von der filmischen Repräsentation und dem bildlichen und auditiven Ausdrucksformen. Wir möchten diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Film integrieren und somit einen Mehrwert schaffen.
Durch moderne Formen des story tellings soll der Film mediendidaktisch aufbereitet und durch Web-Technologien (node.js/jQuers/VI-TWO) in eine Lernumgebung überführt werden.
Ziel des Projekts »Terezin explained« ist die Entwicklung einer erweiterten Lehr- und Lernresoource für den unmittelbaren und kostenfreien Einsatz an Schulen und Hochschulen sowie in der Gedenkstätte Terezin.
In der Jugendbegegnungsstätte in Terezin wird der Film seit Jahren als VHS-Video vorgeführt. Die Vorführungen werden zwar durch die Freiwilligen vor Ort kommentiert, doch war eine tiefgründige Auseinandersetzung bislang nicht möglich. Die flüchtigen Details zu Personen und Orten lassen sich anhand des VHS-Videos ebenso wenige exakt und vollständig erklären, wie die immanente Propaganda. Dies ist einerseits der schlechten Bild- und Tonqualität der häufig aufgeführten VHS-Kassette geschuldet und liegt andererseits an den mangelnden Navigationsmöglichkeiten eines Videorekorders (z.B. fehlt es an einem Verzeichnis der Szenen und Schlüsselwörter), Die Besuchergruppen zeigten sich mit diesen Mängeln nicht selten unzufrieden, zumal sie dem Film als solches ein großes Interesse entgegen brachten. Schließlich handelt es sich um den einzigen Film, der je in einem KZ gedreht wurde.
Aufgrund der Bedeutung des Films und dem Interesse der Besucher haben wir beschlossen den Film als eine interaktive Lernumgebung zeitgenau zu kommentieren, um damit Personen und Orte zu erklären sowie die Propagandalügen aufzudecken. Darüber hinaus wollen wir die Entstehungsgeschichte durch weitere Dokumente wie Testimonien oder Claude Lanzmann's Interview „Ein Lebender geht vorbei“ (1979/1999) erläutern.
2012 konnte wir eine Förderung für die technische Realisierung eines interaktiven Films erhalten. Die vorhandenen Filmfragmente (VHS, YouTube) liegen uns in einer sehr schlechten Qualität vor oder sind stark verfälscht bzw. durch Texteinblendung und Vertonung entstellt und zudem unvollständig. Nach unseren Recherchen finden sich im Bundesarchiv Berlin alle heute bekannten Fragmente des Films auf 16mm Filmrollen. Eine Digitalisierung kostet inkl. Archivgebühren und Kopierung gut 1400€. Unser Geldgeber stellt jedoch ausschließlich Mittel für Personal bereit. Somit verfügen wir über ausreichend Mittel für die Entwicklung des Lernangebots, können uns jedoch den eigentlichen Lerngegenstand nicht leisten.
Kurzfassung unseres Projektplans:
- Anforderung einer Kopie der originalen Filmfragmente aus dem Bundesarchiv Berlin
- Nachbereitung des Films: digitale Nachbearbeitung, Szenenreihenfolge, Kennzeichnung fehlender Szenen
- Identifikation von Orten auf der Karte des Ghettos
- Identifikation von Darstellern
- Identifikation von propagandistischen Artefakten und Erläuterung derselben
- zeitgenaue Annotation der Orte, Personen und Propaganda im Film
- setup des films in der Lernumgebung (VI-TWO)
- Definition von Lernaufgaben als script-basierte kollaborative Aufgaben
- Tests (software, usability) sowie Testlauf mit den Freiwilligen aus Terezin
- Installation, Einführung und Betrieb in der Jugendbegegnungsstätte Terezin
* Der Film stellt ein wertvolles historisches Zeitdokument dar, dass jedoch nicht ohne hinreichende Erläuterungen im Unterricht an Schulen und Hochschulen eingesetzt werden kann.
* Im Film sind viele berühmte Persönlichkeiten der 1920er und 1930er Jahre zu sehen. Fast alle von ihnen starben kurz nach den Dreharbeiten in Auschwitz. Wir wollen ihre Geschichte erzählen, in dem wir die Lebensläufe mit den letzten Aufnahmen der Personen in Beziehung bringen.
* Der Propagandafilm erscheint im Gewand eines Dokumentarfilms und kann daher leicht missverstanden werden. Die im Film gezeigten Szenen wirken durch die Orte und Personen zwar real, doch repräsentieren sie nicht die Realität des Ghetto Theresienstadt. Das Wesen eines Konzentrationslagers bleibt damit unsichtbar. Man darf es jedoch nicht unerwähnt lassen.
* Last but not least sind wir die ersten, die den Versuch unternehmen, den Film als kommentiertes, von Historikern geprüftes Lernmaterial zugänglich zu machen.
Mit dem Geld von startnext werden wir unsere Ausgaben für die Digitalisierung der Filmrollen durch das Bundesarchiv decken (90%). Außerdem gedenken wir damit weitere Recherchen, Expertengutachten und für Besuche in der Jugendbegegnungsstätte Terzin zu finanzieren.
Mit allen Unterstützungsleistungen, die unsere geplanten Ausgaben übersteigen werden wir der Jugendbegegnungsstätte beziehungsweise die Gedenkstätte Terzin unterstützen.
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung. Sie helfen uns damit aus einem einzigartigen hostorischen Filmdokument eine kommentierte und interaktives Lernressource zu entwickeln.
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Niels (32) ist Mitarbeiter am Medienzentrum der Technischen Universität Dresden. Neben seinen Forschungsinteressen für die die Entwicklung interaktiver Lernvideos (z.B. für die UNESCO), befasst er sich seit nunmehr 10 Jahren mit der Aufarbeitung der Geschehnisse des KZ-Außenlagers Görlitz. Durch sein know how in der Gestaltung von Lernumgebungen im Web könnte »Terzin explained« ein wichtiger Bestandteil künftiger Führungen in der Gedenkstätte Terezin werden.
Armin ist von Hause aus Religionspädagoge. Er lebt und arbeitet In Zittau. Dort leitet er die Geschichtswerkstatt der Hillerschen Villa. In Projekten und Workshops mit Schulklassen und Jugendgruppen beschäftigt er sich mit der Geschichte der ehemaligen Jüdischen Gemeinde in Zittau. Armin engagiert sich auch für die Jugendbegegnungsstätte und Gedenkstätte in Terezin. Er zählt dort zu den wenigen autorisierten deutschsprachigen Führern der Gedenkstätte.
Abgesehen von unserem persönlichen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung des Projekts können wir auf ein breites Netzwerk von Experten aufbauen. Beispielsweise hat uns Karel Margry seine Unterstützung bei der Analyse des Films zugesagt. Hinsichtlich technischer und mediendidaktischer Belange erfahren wir Unterstützung von Kollegen aus dem Medienzentrum der TU Dresden.
Armin Pietsch