Kulturwirtschaft vs. Kreativwirtschaft
Die Abgrenzung der Kulturwirtschaft von der Kreativwirtschaft ist im europäischen Modell besonders bedeutsam, denn hier wird die herkömmliche Kulturwirtschaft traditionell staatlich finanziert. Das europäische kulturelle Erbe hat seine bedeutsamsten Wurzeln im Mäzenatentum der Aristokratie und der Kirche. Mit wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel der Malerei in den Niederlanden im 16. Jahrhundert, war die bürgerliche Gesellschaft vom Kulturbetrieb – auch wirtschaftlich – bis zur Neuzeit weitgehend ausgeschlossen. Erst mit der aufkommenden Industrialisierung und vor allem der damit verbundenen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks (Benjamin 1963, S. 210) entstand so etwas wie ein privater, bürgerlich geprägter Kulturmarkt in Europa. Er entwickelte sich in Antagonismus zum staatlichen Modell und gewann immer mehr an Bedeutung. Hier liegt der Grund für die besondere Bedeutung, die die Unterscheidung zwischen Kultur- und Kreativwirtschaft auf dem europäischen Kontinent bereithält. In Nordamerika zum Beispiel ist das Verständnis von Kultur- und Kreativwirtschaft schon deshalb grundlegend anders, weil die herkömmliche Finanzierung der Kultur in viel größerem Maße auf die Initiative privater Geldgeber aufbaut. (…)
Besonderes Kennzeichen des deutschen Modells ist die strikte Trennung der Kultur- und Kreativwirtschaft als pragmatische Lösung. Der Bereich Games/Software wird beispielsweise in Abweichung zur europäischen Linie dem kreativwirtschaftlichen Bereich und nicht der Kultur zugeordnet. Diese Darstellungsweise wird seit Langem kritisiert, ebenso wie die wenig aussagekräftige Darstellung des Gamessektors überhaupt, der die Herstellung von Games kaum berücksichtigt, sondern nur für das Verlegen von Computerspielen eine NACE-Klassifikation bereithält. Angesichts der wachsenden Bedeutung des Sektors ist eine bessere und aussagekräftigere Binnendifferenzierung bei der Neustrukturierung der NACE-Codes mittlerweile dringend notwendig. Auch wäre es an der Zeit, dass die Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland den Gamessektor von der Bürosoftware trennt. Die Frage, ob Bürosoftware überhaupt Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft ist, ist ohnehin berechtigt.
NACE: Die Klassifikation der Wirtschaftszweige dient statistischen Zwecken. Durch eine systematische Klassifizierung in vierstelligen Nummern (WZ-Schlüssel bzw. NACE-Codes) wird die gesamte Wirtschaft nach Branchen aufgegliedert. So ist es leichter möglich, diese in amtlichen Statistiken einheitlich, langfristig und international vergleichbar zu erfassen.
Reformbedarf besteht nach meiner Einschätzung auch im Bereich Mode. Anders als in Großbritannien scheint der Modebereich in Deutschland aus möglicherweise kulturellen Motiven kaum berücksichtigt zu werden (nur als Untersektion des Textildesigns). Hier sollte dringend nachgebessert werden. Vor allem konzeptionell ist die Mode ein elementarer Bestandteil der Kultur- und Kreativindustrie mit wachsenden Querverbindungen zum Beispiel zur Musikwirtschaft.